Der Emir von Dubai ließ einen Superlativ nach dem anderen errichten. Jetzt geht ihm die Puste aus - und die gesamte Finanzwelt wird nervös.

Dubai. Sandinseln im Meer, die aus dem All wie ein Abbild der Erde aussehen. Das höchste Haus der Welt, das bisherige Rekordhalter gleich um mehr als 200 Meter überragt. Einkaufszentren, in denen man selbst bei 40 Grad Außentemperatur Ski fahren kann.

Um solche verrückten Ideen zu realisieren, konnte es Mohammed bin Rashid al-Maktoum nie schnell genug gehen. Kaum hatte der Emir von Dubai eines seiner Projekte auf den Weg gebracht, erfand er schon das nächste. Noch größer, noch teurer, noch wahnwitziger musste es sein, Hauptsache, die Story vom Übermorgenland geht weiter. Ein Nahost-New-York des 21. Jahrhunderts soll hier entstehen, eine Stadt, zu der nicht nur die Araber aufblicken, sondern die ganze Welt.

Und damit sich die Fremden das alles auch mal vor Ort ansehen können, plante der Scheich gleich einen neuen Flughafen mit sechs Startbahnen nebeneinander, doppelt so groß wie der in Frankfurt und mit Platz genug auch für jene 58 A380-Riesen, die Dubais Airline Emirates bei Airbus bestellt hat.

So weit die Vision. Die Realität kann ihr da schon mal in die Quere kommen, etwa in Form einer Finanz- und Wirtschaftskrise. Die lähmt zunehmend den Expansionsdrang des kleinen Staates, der nur so viele Einwohner wie Hamburg hat, und zwingt ihn zu unpopulären Maßnahmen. So wurde am Mittwoch bekannt, dass der mit 59 Milliarden Dollar verschuldete Staatskonzern Dubai World bei seinen Gläubigern um finanziellen Aufschub bitten musste - konkret geht es um sechs Milliarden Dollar bis Mai 2010. Schon fürchtet mancher, das Ende des "Turmbaus zu Babel" am Arabischen Golf sei gekommen. Und das hätte mit Sicherheit dann auch Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft.

Gestern gerieten schon mal Aktien von Unternehmen, an denen arabische Staaten beteiligt sind, unter Druck, Daimler und die Deutsche Bank zum Beispiel. Die haben zwar direkt nichts mit dem ins Schlingern geratenen Konglomerat von Dubai World zu tun, indirekt spüren sie die Auswirkungen aber schon. Die Logik, die dahinter steckt: Sollte Dubai wirklich so klamm sein, wie es jetzt scheint, ist es womöglich auch mit den Investoren aus Abu Dhabi, Katar und Co. nicht so weit her wie gehofft. Zudem könnten in Europa geparkte Gelder wieder abgezogen werden, um in den Emiraten und den angrenzenden Staaten plötzlich auftretende Löcher zu stopfen.

An Projekten, die Unmengen von Geld kosten, hat es vor allem in Dubai nicht gefehlt, schließlich sollte sich das karge Wüstenreich fast blitzartig in ein prächtiges Phantasialand verwandeln - mit den teuersten Häusern, den besten Shopping Malls, sattgrünen Golfplätzen, den nobelsten Hotels. Das Emirat, das ursprünglich von Perlen und Handel, später dann vom Öl lebte, wollte sich rüsten für ein neues Jahrtausend, in dem zwar die Bodenschätze versiegen, aber dafür Touristen- und Finanzströme den Ausfall kompensieren. "Man muss sich entscheiden: Entweder ahmt man nach, oder man ergreift die Initiative, und wir wollen Pioniere sein", hatte Scheich Mohammed als Parole ausgegeben.

Ihm ist es dabei durchaus gelungen, aus Sand Gold zu machen. Der dadurch ausgelöste Boom in Dubai lockte genügend moderne Goldgräber an, die jede Menge Kapital mitbrachten und, berauscht von blumigen Investmentversprechen und einer Aura aus Tausendundeiner Nacht, in aberwitzige Projekte investierten. Wenn jetzt der vom Maktoum-Clan kontrollierte Bauträger Nakheel, der zu Dubai World gehört, nicht mehr in der Lage ist, eine fällige Anleihe umzuschulden, dann ist das mehr als ein Alarmzeichen. Es könnte auch der Anfang vom Ende sein. Denn letztlich gehört hier alles irgendwie der Herrscherfamilie, ob Baukonzerne wie Tatweer, die Hotelgruppe Jumeirah oder die Fluggesellschaft Emirates.

Das Nakheel-Projekt The Palm Jumeirah war eines der ersten Bauvorhaben Dubais, das weltweit für Schlagzeilen sorgte und so die Blaupause für den weiteren Gigantismus lieferte. In Sichtweite des weltberühmten Nobelhotels Burj al-Arab, das in seinen sündhaft teuren Suiten bevorzugt Millionäre und Milliardäre beherbergt, ließ Scheich Maktoum von Experten aus den Niederlanden eine künstliche Inselwelt aufschütten, die aus der Luft betrachtet die Form einer stilisierten Dattelpalme hat. Ihr Stamm ist fünf Kilometer lang und zur sechsspurigen Straße ausgebaut, auf den Wedeln reihen sich teure Villen Seite an Seite. Umgeben ist das Ganze von einem Kranz mit Luxushotels.

Vor einem Jahr eröffnete dort mit Atlantis das erste Haus der Superlative, gefeiert mit einem riesigen Feuerwerk und internationaler Prominenz. Das Hotel zählt zu den architektonisch spektakulärsten Anlagen im Nahen Osten, hat mehr als 1500 Zimmer, 17 Restaurants, einen Wassererlebnispark und über 3000 Angestellte. Gäste klagten allerdings, dass vieles kurz nach der Eröffnung noch nicht reibungslos klappte, zudem stören unfertige Rohbauten nach wie vor das Bild in der unmittelbaren Umgebung.

Denn schnell offenbarte sich, dass die Weltwirtschaftskrise am Emirat keinesfalls spurlos vorbeigehen wird. Zwar stehen die Kräne auf der größten Baustelle der Welt nicht vollends still, doch das Arbeitstempo hat sich dramatisch verlangsamt. Exemplarisch zeigt sich das an den vielen Hotels, die eigentlich 2009 starten sollten, aber nun doch erst 2010 oder 2011 ihre Türen öffnen werden. Ob Mövenpick, Fairmont, Taj oder One and Only - kaum eine Gesellschaft kann ihre ursprünglichen Zeitpläne noch halten. Selbst die Eröffnung des Armani-Hotels im 818 Meter hohen Megatower Burj Dubai, dem höchsten Wolkenkratzer der Welt, wurde noch einmal aufs nächste Jahr vertagt. Parallel dazu scheint Dubai den Nimbus eines Luxusreiseziels zu verlieren.

Zwar kommen dank sinkender Preise mehr Leute über Massenveranstalter und Last-Minute-Anbieter, doch bleibt bei den Hoteliers deshalb noch lange nicht mehr Geld hängen. Zudem bestätigen Reiseveranstalter, dass die Auslastung der Häuser weiter schwächelt. Nicht besser sieht es auf dem privaten Immobilienmarkt aus, wo Makler längst einen Preisverfall ausgemacht haben. Überzogen sind allerdings Berichte, wonach Ausländer schon in Scharen fluchtartig die Emirate verließen. "Die Krise hat auch positive Aspekte: Die Mieten sind wieder bezahlbar", bilanzierte unlängst Peter Goepfrich von der deutschen Außenhandelskammer.

Am Ende könnte alles doch noch einmal glimpflich ausgehen. Denn Dubai hat, als Teil der Vereinigten Arabischen Emirate, einen wichtigen Verbündeten, der schon des Öfteren einspringen musste: das Nachbar-Emirat Abu Dhabi. Dort gibt es tatsächlich genug Öl, um sich allen Protz und Prunk der Welt zu leisten. Noch.

Bleibt die Frage, wie unter den gegenwärtigen Umständen jene Zeilen zu deuten sind, die der Emir von Dubai als Hobby-Lyriker einst notierte: "Jeden Morgen erwacht in Afrika eine Gazelle mit dem Wissen, dass sie dem schnellsten Löwen entkommen muss, damit sie nicht getötet wird. Jeden Morgen erwacht in Afrika ein Löwe mit dem Wissen, dass er schneller sein muss als die langsamste Gazelle, damit er nicht verhungert. Ganz gleich ob du Gazelle oder Löwe bist: Bevor die Sonne aufgeht, wärst du besser schon losgerannt."