Ein Hamburger erfüllt einen uralten Menschheitstraum: Mit seinen Jetlev-Flyern für 120.000 Euro wird ein ähnlicher Zustand wie Fliegen möglich.

Itzehoe. Die Briefe, die Hermann Ramcke (66) seit einigen Monaten auf seinen Schreibtisch bekommt, tragen die Wappen von Königsfamilien, die Unterschriften von Scheichs oder stammen von russischen Oligarchen. Alle vereint der alte Menschheitstraum vom Fliegen. Und Ramcke ist dabei, ihn zu erfüllen.

Noch sitzt der Hamburger allerdings in seiner Halle im Itzehoer Gewerbegebiet. Sein Kater, ebenfalls ein Hermann, leistet ihm am provisorischen Konferenztisch Gesellschaft. Im Gebäude nebenan warten Jetski, Gartenmöbel und Holzhäuser seiner Hera Warenhandels GmbH auf Käufer. Aber schon bald will Ramcke gemeinsam mit seinem Sohn Lars an diesem Ort die Produktion seiner Weltneuheit starten.

Die Ramckes haben von Raymond Li, einem Chinesen aus Kanada, die Lizenz für den Bau des Jetlev-Flyers gekauft, ein Fluggerät, das Personen bis 200 Kilo mittels Wasserdrucks über Seen und Ozeane fliegen lässt. Einen Prototyp zeigten sie bereits auf Bootsmessen in Düsseldorf und Dubai. Dort sei das Interesse atemberaubend gewesen, schwärmt Lars Ramcke.

Die Scheichs hätten nicht einmal nach dem Preis gefragt. "Jeder will der Erste mit einem Jetlev-Flyer sein", erzählt der 42-Jährige, der aber noch mit den Behörden um die Zulassung für das Produkt ringt. Jetzt fliegt der gelernte Bankkaufmann für Gespräche mit den zuständigen Stellen nach Florida, wo Erfinder Li in einem Joint Venture mit den beiden Deutschen eine weitere Fertigung aufbauen will.

"So muss sich auch Gottlieb Daimler gefühlt haben, als er das Auto erfunden hatte. Alle waren skeptisch", sagt Lars Ramcke. Schon die Zuordnung falle den Beamten schwer - ist es nun ein Boot oder ein Flugzeug, welche Behörde ist zuständig? Fragen über Fragen, die den Start der Produktion bisher hinauszögern, die die Ramckes gemeinsam mit zwei privaten Investoren aus Monaco und Dubai finanzieren.

Tatsächlich ist das Fluggerät eine Art Zwitter: Ein Bootskörper mit der Form eines Jetskis beschleunigt mithilfe eines Vier-Takt-Motors mit 255 PS. Durch ein Schlauchsystem wird Wasser angesaugt und in eine Art Rucksack geleitet, der an einer zehn Meter langen Leitung hängt. Von hier aus kann der Pilot seinen Flug steuern. Er kann Gas geben wie bei einem Motorrad und die Bügel belasten, um seine Richtung zu ändern. Er kann zehn Meter hoch steigen, auf 50 Kilometer je Stunde beschleunigen und sogar mit dem Gerät tauchen. Eine Stunde Fliegen verbraucht nach Angaben der Hersteller etwa 20 Liter Kraftstoff.

Einer der ersten Piloten der Welt, die den Jetlev-Flyer beherrschen, ist Frazier Grandison. Der Jamaikaner, der auch als Stuntman beim Film arbeitet, ist dem neuen Fortbewegungsmittel verfallen. In der Jetskihalle der Ramckes tüftelt er gemeinsam mit einem anderen Mitarbeiter an der Technik für den Flieger. Kürzlich ist er für einen US-Fernsehsender über dem Binnensee in Heiligenhafen in die Luft gegangen. Der Bericht wird in 160 Ländern ausgestrahlt, "eine gute Werbung", freut sich Hermann Ramcke.

Bei neun Grad Außentemperatur war der Dreh für Grandison zwar nicht gerade ein Vergnügen. Aber ein Spektakel für die Spaziergänger am Ufer, die sich wie in einem James-Bond-Film fühlten oder erinnert an die Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in Los Angeles 1984, bei der ein Raketenmann in das Memorial Coliseum einschwebte.

Der Showeffekt ist grandios, das Fliegen aber offenbar einfach. "Das kann jeder schnell lernen", sagt Hermann Ramcke, es gehöre nicht mehr dazu als ein paar Handgriffe zu beherrschen, "wie beim Autofahren". Nur sollte man nicht über Land fliegen, das Verletzungsrisiko ist hier bei einem Absturz natürlich größer als bei einer unsanften Wasserung.

Die erste Auslieferung planen die Ramckes, die im Sommer zu Testflügen bereits wöchentlich in die Luft gegangen sind, für 2010. Im ersten Quartal sollen bis zu 100 Exemplare die Itzehoer Fertigung verlassen. Bis dahin wollen Vater und Sohn die Zulassungen unter Dach und Fach, 20 Mitarbeiter für die Produktion eingestellt und die Reihenfolge der Interessenten festgelegt haben. Das Know-how und die entsprechende Ausrüstung für die Serienfertigung müssen die Ramckes zunächst noch mit dem chinesischen Erfinder entwickeln.

Um den Absatz machen sie sich keine Sorgen. "Wegen der gigantischen Nachfrage muss der Jetlev nicht verkauft, sondern verteilt werden", freut sich Lars Ramcke. Allerdings sehen die beiden Unternehmer ihr Produkt auch in Zukunft nicht als Fortbewegungsmittel für die Massen. "Wir zielen auf eine Premiumkundschaft." Und entsprechend ist auch der Preis: 120 000 Euro soll der Flieger kosten.