Die Wirtschaft fordert eine zügige Entscheidung zur Elbvertiefung, denn die Abfertigung immer größerer Schiffe macht Probleme.

Hamburg. Der Ton wird rauer zwischen den im Hafen tätigen Unternehmen und der städtischen Politik, aber auch zwischen den Unternehmen selbst. Denn die Aussichten für den Güterumschlag im Hamburger Hafen bleiben düster. Die HHLA, wichtigster Terminalbetreiber in Hamburg, wird nach Abendblatt-Informationen heute für die ersten neun Monate des Jahres einen Rückgang beim Containerumschlag um ein Drittel gegenüber dem Vorjahreszeitraum melden.

Erst in der vergangenen Woche hatte der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne davor gewarnt, dass der Hamburger Hafen gegenüber den Konkurrenzhäfen an der Nordseeküste angesichts der Weltwirtschaftskrise weiter zurückfalle: "Ich fürchte für den Hamburger Hafen einen Dauerschaden als Folge der Wirtschaftskrise", sagte er in Anwesenheit von Bürgermeister Ole von Beust und zahlreicher anderer Gäste bei der Eröffnung des neuen Logistikzentrums von Kühne + Nagel in Obergeorgswerder. "Der Hafenumschlag ist in Hamburg viel zu teuer, verglichen mit Rotterdam", kritisierte Kühne. Auch tue die Stadt zu wenig für den Ausbau der Infrastruktur, wie die geplante Elbvertiefung.

In den ersten drei Quartalen 2008 war die Zahl der Umschlagbewegungen bei der HHLA gegenüber 2007 noch gestiegen, auf fast 5,7 Millionen Einheiten (TEU). Doch das ist Vergangenheit. Dieses Jahr ging der Containerumschlag im gesamten Hafen von Januar bis September nach Abendblatt-Informationen um rund ein Viertel zurück. Europas größter Hafen Rotterdam hingegen meldete für den Zeitraum nur 13 Prozent Minus.

Die Gründe für die Misere sind vielfältig: Hamburg ist der wichtigste Verbindungshafen zwischen Asien und Europa und innerhalb Europas die wichtigste Drehscheibe in den Ostseeraum. Sowohl der Export aus Asien wie auch das Wachstum der Ostsee-Anrainer aber wurden von der Wirtschaftskrise besonders hart getroffen. "Wir leiden dreimal so stark wie der Durchschnitt der Nordsee-Häfen", sagte HHLA-Chef Klaus-Dieter Peters Ende Oktober.

In der Kritik stehen auch die relativ hohen Kosten des Hamburger Hafens: "Die Erhöhung der Anlaufkosten für Hamburg und für den Nord-Ostsee-Kanal im Frühjahr dieses Jahres - mitten in der Wirtschaftskrise - war ein Fehler", sagt Gunther Bonz, früher Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde, heute Mitglied der Eurogate-Geschäftsführung. "Wir begrüßen es, dass Wirtschaftssenator Gedaschko einen Runden Tisch einberufen hat, um über diese Themen zu sprechen. Wichtig ist für die Hafenwirtschaft auch, dass die Elbpassage von der Nordsee bis in den Hafen aus drei Lotsengebieten zu einem einzigen zusammengefasst wird, um die Kosten zu senken."

Immer deutlicher wird obendrein, dass dem Hamburger Hafen durch die Verzögerung der Elbvertiefung ein schwerer Nachteil gegenüber den Hauptkonkurrenzhäfen Rotterdam, Antwerpen und Zeebrugge erwächst. "Ladungsströme, die einmal in einen anderen, besser erreichbaren Hafen abgewandert sind, lassen sich nur sehr schwer zurückgewinnen", sagte Michael Behrendt, Chef der Reederei Hapag-Lloyd, dem Abendblatt. Die Arbeiten, die bis zu zwei Jahre dauern dürften, sollten schon längst begonnen haben. Wegen juristischer und politischer Verzögerungen kann es nun frühesten Ende 2010 losgehen.

Mehrmals drängten HHLA und Konkurrent Eurogate Wirtschaftssenator Axel Gedaschko im Sommer, keine weitere Verzögerung zuzulassen. Der Schriftwechsel liegt dem Abendblatt vor. Die Notwendigkeit der Elbvertiefung werde durch die Wirtschaftskrise und die rückläufigen Transportmengen nicht geringer, heißt es in einem Brief von Eurogate an Gedaschko: "Die Dringlichkeit des Vorhabens hat sich in den vergangenen Monaten sogar noch erhöht."

Aus den Briefen der Unternehmen geht hervor, warum führende Reedereien wie MSC, CMA oder Hanjin bei den Überseeverkehren ihre Schwerpunkte in die Beneluxhäfen verlagern. Nicht mehr Hamburg ist dann der für Zubringerverkehre bevorzugte "1. Anlaufhafen" in Europa, sondern Rotterdam, Antwerpen oder Zeebrugge. Ein Grund dafür sind die wachsenden Schiffsgrößen auf den Interkontinental-Linien. Weil die Containermengen gesunken sind, ersetzen die Reedereien kleinere durch weniger größere Schiffe. Immer öfter fahren nun Frachter oberhalb der kritischen Größe von 8000 TEU Kapazität über die Elbe. CMA CGM hat bereits ein Schiff mit 11 400 TEU nach Hamburg gebracht, die "Andromeda". 214 Frachter mit mehr als 8000 TEU sind bereits im Einsatz, weitere 257 sind laut dem Bremer Institut ISL bestellt.

Großschiffe mit zwölf Metern und mehr Tiefgang haben aber wegen der Gezeiten besondere Probleme, ihre Fracht in Hamburg zu löschen und neue zu laden. Weiter verringert werden die Transferzeiten auf der Elbe dadurch, dass die Jumbos einander nur an wenigen Stellen passieren können. "Die Zeitfenster werden immer enger", sagte HHLA-Chef Peters kürzlich. "Der Reeder hat dann die Wahl, ob einige Hundert Container beim Beladen auf dem Terminal stehen bleiben oder ob das Schiff zwölf Stunden länger im Hafen liegt."

Widerstand gegen die Elbvertiefung kommt vor allem aus Niedersachsen. An der Unterelbe protestieren Gemeinden, weil sie irreparable Schäden für die Deiche fürchten. Wirtschaftssenator Gedaschko drängt den Bund zu mehr Einsatz als Vermittler: "Der Ausbau der Seehäfen und ihrer Anbindungen an Straße und Schiene ist eine gesamtdeutsche Aufgabe."

In der Koalitionsvereinbarung der schwarz-gelben Regierung wird die Notwendigkeit von "Fahrrinnenanpassungen" zwar genannt, aber kein Termin dafür. Die Position des "Maritimen Koordinators" im Bundeswirtschaftsministerium wiederum, die zuletzt die Parlamentarische Staatssekretärin Dagmar Wöhrl innehatte, wurde bisher nicht neu besetzt. Die drei neuen Parlamentarischen Staatssekretäre im Ministerium verhandelten noch um Zuständigkeiten, heißt es. Peter Hintze und Hans-Joachim Otto rängen um die Kompetenz für die Luft- und Raumfahrt. Und der dritte, Ernst Burgbacher, interessiere sich vor allem für das Thema Mittelstand.