Wie der Ökoanbieter Hamburg Energie setzen viele Versorger dabei auf Klimaschutz und Gemeinnutz statt auf Gewinnmaximierung.

Hamburg. Eine Stadt geht in die Offensive. Dresden will sein kommunales Versorgungsunternehmen Drewag komplett zurückkaufen. Vor zwölf Jahren hatte Hamburgs Partnerstadt 35 Prozent der Drewag-Anteile an den Energiekonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) veräußert, zehn Prozent gingen an die Stadtwerke-Holding Thüga. Dieser Verkauf ist aber bis Ende 2012 befristet. Spätestens dann will Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz bei der Drewag die Regie wieder komplett übernehmen, obwohl EnBW Widerstand gegen die Kündigung der Verträge signalisiert. Bei dem Rückkauf gehe es darum, sagt sie, dass sich die Energieversorgung wieder stärker an den kommunalen Interessen orientiere "als an denen privater Großkonzerne".

Dresden und die Drewag sind kein Einzelfall. Stadtwerke und die kommunale Energieversorgung erleben derzeit in Deutschland ein bemerkenswertes Comeback. Die Kommunen wollen wieder mehr Einfluss auf die eigene Energieversorgung nehmen und Zugriff auf die Gewinne der Stadtwerke bekommen. Nicht zuletzt erweisen sich eigene Versorgungsunternehmen und der Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort als brauchbares Instrument für mehr Klimaschutz.

"Wir können heute von einer Renaissance der Stadtwerke sprechen", sagt Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). "Es gibt eine Rückbesinnung auf die Kraft und Notwendigkeit der Kommunalwirtschaft. Alle Umfragen zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger mit großer Mehrheit kommunal versorgt werden wollen."

Zu Beginn des Jahrzehnts zeigte der Trend in die andere Richtung. Als der europäische und der deutsche Energiemarkt liberalisiert, als die Monopole der Regionalversorger beendet wurden, verkauften etliche Städte und Gemeinden ihr Tafelsilber. Von Energiekonzernen wie E.on, RWE oder Vattenfall ließen sich die Kommunalpolitiker einreden, dass Stadtwerke nur unter der Regie und dem Schutzschirm der Branchenriesen überhaupt eine Zukunft hätten. Am deutschen Strommarkt bildete sich ein Oligopol von vier Konzernen, die inzwischen mehr als 80 Prozent der Kraftwerkskapazität hierzulande kontrollieren und obendrein auch etliche städtische und regionale Versorgungsunternehmen.

Hamburgs damaliger Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) verkaufte die Mehrheit der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) 2001 an den schwedischen Vattenfall-Konzern, sein Nachfolger Ole von Beust (CDU) schob 2002 die noch bei der Stadt verbliebenen 25,1 Prozent der Anteile nach. Schon vor zwei Jahren nannte von Beust den HEW-Verkauf einen "Fehler", den er nicht wiederholen würde. Anders als Dresden besitzt Hamburg allerdings keine Gelegenheit und kein Geld, um die HEW zurückzukaufen. Schon vor Jahren ging das einstige Traditionsunternehmen im regionalen Energiekonzern Vattenfall Europe auf.

Im Sommer gründete die Stadt deshalb den neuen Versorger Hamburg Energie, der wechselwillige Kunden unter anderem mit Ökostrom beliefert. "Je mehr Kunden zu uns kommen, desto mehr können wir in und um Hamburg herum in erneuerbare Energien investieren", sagt Carsten Roth von Hamburg Energie.

Von derzeit etwas mehr als 1000 soll die Zahl der Kunden in absehbarer Zeit auf 70.000 bis 80.000 steigen. "Wir streben mittelfristig zehn Prozent Marktanteil an", sagt Roth. Vattenfall hält in Hamburg noch immer rund 82 Marktanteil, trotz Konkurrenz von rund 160 anderen Stromanbietern.

Neben Hamburg Energie wurden seit 2007 bundesweit 14 andere Stadtwerke neu gegründet. Das neue Selbstbewusstsein der Städte und Gemeinden dürfte die Stromkonzerne unter wachsenden Druck bringen. Rund 50 Prozent der Kommunen befassen sich mit einem Wiedereinstieg in die Energieversorgung, heißt es in einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstitutes Trend Research.

Ein entscheidendes Instrument dafür sind die sogenannten Konzessionsverträge. Die Städte übertragen den Energieversorgern auf diesem Weg den Betrieb von Strom-, Gas- und Wärmenetzen. Die Verträge umfassen bis zu 20 Jahre. Nach einer Erhebung des VKU laufen in den kommenden zwei Jahren rund 2000 Konzessionsverträge in Deutschland aus, zehn Prozent des Bestands. "Stadtwerke bewerben sich zunehmend auf auslaufende Konzessionsverträge, um damit auch ein größeres Gegengewicht zu den großen vier Konzernen aufzubauen", sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Reck. "Die Stadtwerke stehen für mehr Wettbewerb im Energiebereich."

Am Energiemarkt geht es um großes Geld. In vielen Rathäusern hat man längst nachgerechnet und realisiert, dass der Verkauf eines Stadtwerks oder von Anteilen daran ein schlechtes Geschäft war. Dresden etwa bekam für 45 Prozent an der Drewag in den 90er-Jahren umgerechnet 82 Millionen Euro, musste seither aber mehr als 200 Millionen Euro an Gewinnanteilen abführen. Entsprechend entschlossen zeigt sich nun Oberbürgermeisterin Orosz. Sie will nicht nur die Drewag zurückkaufen, sondern auch den Regionalversorger Geso, gemeinsam mit weiteren 163 ostsächsischen Kommunen.

Für den heraufziehenden Konflikt mit EnBW um den Rückkauf der Drewag-Anteile fühlt sie sich gewappnet. Einem Rechtstreit mit dem Karlsruher Konzern will Orosz nicht aus dem Weg gehen: "Schade", sagt sie, "dass diese Partnerschaft wohl im Streit enden wird."