Unternehmen stecken trotz Krise wieder Geld in ihre Zukunft - darunter auch Beiersdorf, Bayer und Bacardi.

Hamburg. Mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise der deutschen Nachkriegsgeschichte kommt die Investitionstätigkeit der deutschen Unternehmen wieder in Gang. Den Auftakt machte gestern der Stuttgarter Autobauer Daimler. Der Konzern will in diesem und im nächsten Jahr drei Milliarden Euro allein in seine deutschen Standorte investieren.

Die Tatsache, dass der Autobauer vor wenigen Tagen auch den Grundstein für ein neues Werk in Kecskemet in Ungarn gelegt habe, stehe dazu nicht im Widerspruch, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche gestern im Mercedes-Benz Werk im badischen Rastatt. Allein in die Erweiterung des dortigen Standorts, an dem die A- und B-Klasse gebaut werden, fließen 600 Millionen Euro.

Daimler ist in punkto Investitionen kein Einzelfall. So hat zum Beispiel die Hamburger Kupferhütte Aurubis in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres 78 Millionen Euro - und damit in etwa genauso viel wie im Jahr zuvor - an den Standorten Hamburg und Lünen investiert. "Von wichtigen Projekten rücken wir auch in der Krise nicht ab", begründete Aurubis-Chef Bernd Drouven die Ausgaben.

In Buxtehude steckt der Spirituosenhersteller Bacardi trotz der flauen Wirtschaftslage 1,2 Millionen Euro in eine Erweiterung seiner Abfüllanlagen. Und der Bayer-Konzern, der auch ein Werk in Brunsbüttel hat, investiert dieses Jahr weltweit mehr als vier Milliarden Euro in Sachanlagen und in die Forschung.

"Auch die Daimler-Mitbewerber BMW und Audi werden investieren müssen, um im Konkurrenzkampf der Autobauer mithalten zu können", sagte Jörg Hinze, Konjunkturexperte beim Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), dem Abendblatt. "Und natürlich auch die Firmen, die während der vergangenen Monate wegen der Krise kein oder wenig Geld in neue Projekte gesteckt haben", so der Experte, der gleichzeitig betont, dass die Investitionstätigkeit jetzt allerdings nur von einem niedrigen Niveau aus zaghaft wachse.

Profitieren von den kommenden Vorhaben würden der Maschinenbau und andere Betriebe der Investitionsgüterindustrie. Gerade bei den deutschen Maschinenbauern macht sich die steigende Bereitschaft zum Geldausgeben schon jetzt bemerkbar. Der Verband erwartet für das kommende Jahr eine - wenn auch nur leichte - Zunahme bei den Auftragseingängen.

Im Daimler-Werk in Rastatt sollen künftig drei der vier neuen Modelle der nächsten A- und B-Klasse-Generation produziert werden. Die Kapazität von 250 000 Autos pro Jahr soll aber nicht steigen. "Der Volumenzuwachs kommt von dem neuen ungarischen Werk", sagte Daimler-Produktionsvorstand Rainer Schmückle. Mit der Produktion im Umfeld von Budapest wolle Daimler neue Märkte in Osteuropa erschließen, damit sollten auch Arbeitsplätze in Deutschland gesichert werden, sagte Zetsche. "Für Rastatt und Kecskemet gilt also kein Entweder-oder sondern ein klares Sowohl-als-auch". In Ungarn kostet nach Angaben Schmückles eine geleistete Arbeitsstunde acht Euro, in Rastatt gut 50 Euro.

In der badischen Stadt arbeiten derzeit rund 5700 Mitarbeiter, mehr als 3000 von ihnen sind in Kurzarbeit. Nicht nur im Süden der Republik investiert Daimler. Auch das Harburger Werk stehe auf der Liste der geplanten Investitionen, sagte ein Daimler-Sprecher gestern dem Abendblatt, ohne konkretere Angaben zu machen. Auch für sein Werk in Bremen will der Autobauer Geld in die Hand nehmen.

Bei Daimler sind in den deutschen Auto-, Nutzfahrzeug- und Komponentenwerken 27 400 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Für 89 000 der insgesamt knapp 163 000 Beschäftigten in Deutschland gelten verkürzte Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich, so auch in der Harburger Produktion, wo die Arbeitszeit um 8,75 Prozent gedrosselt wurde. Daimler kämpft seit mehr als einem Jahr mit einer massiven Absatzflaute und schrieb monatelang tiefrote Zahlen. Mit einem strikten Sparkurs wurde jetzt nach neun verlustreichen Quartalen in Folge die Trendumkehr im operativen Geschäft geschafft. Im dritten Quartal dieses Jahres lag der operative Gewinn bei 470 Millionen Euro.