Die Mitarbeiter sind fassungslos. Streit zwischen Banken und Insolvenzverwalter. Der Otto-Konzern übernimmt Teil der Auszubildenden.

Fürth/Hamburg. Das 82 Jahre alte Fürther Traditionsunternehmen Quelle ist am Ende und wird liquidiert. "Es ist eine Katastrophe", sagte Betriebsratschef Ernst Sindel. Bis zuletzt hätten Belegschaft und Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg gekämpft und nun verloren. Nach Görgs Worten soll Quelle bereits in wenigen Wochen abgewickelt sein. "Wir müssen funktionsfähig bleiben für die nächsten vier bis sechs Wochen", sagte der Insolvenzverwalter. Die meisten der verbliebenen Mitarbeiter würden schon zum 1. November keinen Lohn mehr erhalten.

Görg und die Banken schoben sich gegenseitig die Schuld zu. Der Insolvenzverwalter erklärte die Suche nach einem Käufer für das traditionsreiche Versandhaus in der Nacht zum Dienstag endgültig für gescheitert. Die Banken hätten die für Quelle lebensnotwendige Vorfinanzierung von Ratenkäufen - das sogenannte Factoring - über das Jahresende hinaus nicht mehr garantiert. Deshalb gebe es jetzt "keine Alternative zur Abwicklung von Quelle mehr". Die Quelle-Hausbank Valovis erklärte dagegen, sie hätte das Factoring auch im nächsten Jahr weitergeführt, und zeigte sich vom Aus für Quelle überrascht. "Damit haben wir nicht gerechnet", sagte eine Sprecherin. Der Bank sei nicht einmal bekannt gewesen, wer die potenziellen Bieter für das Unternehmen gewesen seien.

In den Gesichtern der Quelle-Beschäftigten in Fürth war gestern beim Betreten der Konzernzentrale Wut und Trauer abzulesen. "Ich verstehe es nicht, warum Quelle sterben muss", sagte eine langjährige Beschäftigte. Die Politik habe sich nur vor der Bundestagswahl um das Schicksal des Versandhändlers gekümmert. Bei anderen Betroffenen flossen nur noch Tränen. "Es ist das Ende eines Stücks deutscher Wirtschaftsgeschichte", sagte Ver.di-Gewerkschaftssekretär Johann Rösch. Der schlimmste sei die Fusion von Karstadt und Quelle gewesen, die nie richtig gelungen sei, ergänzte Betriebsratschef Sindel.

Der Arcandor-Konzern mit den Töchtern Karstadt und Quelle hatte im Juni Insolvenzantrag gestellt. Seither war die Versandhandelssparte Primondo samt Quelle mithilfe eines 50-Millionen-Euro-Kredits von Bund, Bayern und Sachsen über Wasser gehalten worden. Die Chancen für den Staat, das Geld zurückzubekommen, stehen recht gut. Denn der Kredit muss vorrangig bedient werden. Das Hauptproblem bis zum Schluss war, dass keiner der vier potenziellen Investoren bis Fristablauf ein verbindliches Angebot vorgelegt hatte. Gewerkschafter Rösch sagte, mit der Abwicklung gingen fast alle der noch rund 7000 Arbeitsplätze verloren. Rund 3900 Mitarbeiter mussten bereits gehen.

Görg spreche von 1500 weiteren Betroffenen, aber "das ist aus meiner Sicht noch nicht alles", so Rösch. In den fünf Quelle-Callcentern arbeiten noch über 3000, bei Primondo-Logistik in Leipzig und Nürnberg 1250 Mitarbeiter. "Wir befürchten, dass diese Arbeitsplätze bei einer Liquidation auch betroffen sind", sagte Rösch. Weitere 200 bis 300 Arbeitsplätze werden wohl in der Lagerhaltung bei der Posttochter DHL wegfallen.

Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly hofft, dass "vielleicht 1500, vielleicht 2500 Stellen gerettet werden können". Zugleich kritisierte er im Deutschlandradio den Insolvenzverwalter: "Man hat den Käufern nicht sehr viel Zeit gegeben", sagte er. Die bayerische Staatsregierung kündigte einen Zukunftsplan für die Region Nürnberg/Fürth an. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nannte das endgültige Aus für das Versandhaus einen "schmerzlichen Vorgang". "Wir müssen gemeinsam - Politik, Insolvenzverwalter und Belegschaft - schauen, dass wir die Auswirkungen für die betroffenen Menschen so gering wie möglich halten." Die Kunden, die Quelle bis August noch die Stange gehalten hatten, waren zuletzt in Scharen abgewandert. Nach dem verspäteten Erscheinen des Winterkatalogs sei es zu "massiven Umsatzeinbrüchen bis zu 50 Prozent" gekommen, so der mittelfränkische SPD-Landtagsabgeordneten Thomas Beyer.

Jetzt will der Insolvenzverwalter den Spezialversendern der Primondo-Gruppe ermöglichen, dass sie ihr Geschäft selbstständig weiterführen können. Gewerkschafter Rösch äußerte den Verdacht, Görg könne sich bewusst für die Abwicklung entschieden haben, um die Filetstücke besser verkaufen zu können. An den Spezialversendern wie Baby-Walz, Hess natur, Madeleine, Peter Hahn und auch dem Shoppingkanal HSE24 hat der Hamburger Versender Otto Interesse. Vor allem die Spezialversender und das Osteuropageschäft von Quelle sollen in Gesprächen mit dem Insolvenzverwalter näher untersucht werden, wie Otto-Sprecher Thomas Voigt sagte. Otto will außerdem einen Teil der Quelle-Auszubildenden übernehmen. "Das könnte unter anderem bei Otto-Tochterfirmen wie Sport Scheck in München oder bei Schwab in Hanau sein", sagte Voigt. Alle Quelle-Lehrlinge könne man jedoch nicht aufnehmen.