Immer mehr Hamburgerinnen arbeiten in Teilzeit. Abendblatt.de hat mehrere Müttern besucht - Väter machen sich hingegen immer noch rar.
Hamburg. Für Eva Prüssner stand die Entscheidung schon fest, als ihre Kinder noch nicht mal auf der Welt waren: "Ich wollte nicht nur Mutter sein." Die Hamburgerin arbeitet in Teilzeit bei Bücher Heymann in Eppendorf. Dort hat die 43-Jährige eine Lehre als Buchhändlerin absolviert, studiert und immer viel Spaß an dem Job gehabt: "Es ist schön, wenn man die Literatur weiterverfolgen kann. Wir haben sehr nette Stammkunden und Kollegen", sagt die Mutter von Paul (14) und Judith (16). Auch finanziell sei die Arbeit für die Familie wichtig. Eva Prüssners Mann ist Lehrer und das Leben in Hamburg teuer.
So wie die Buchhändlerin entscheiden sich immer mehr Frauen im Beruf. Knapp 70 Prozent der weiblichen Arbeitskräfte mit minderjährigen Kindern arbeiteten im vergangenen Jahr auf einer halben Stelle - ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte.
Auch in Hamburg nimmt die Teilzeitarbeit zu. Arbeiteten 1999 insgesamt 88 694 Frauen in Teilzeit, sind es in diesem Jahr schon 114 722. "Immer mehr Unternehmen setzen auf Familienfreundlichkeit, um Mitarbeiter zu bekommen oder gutes Personal zu halten", sagt dazu Jasmin Eisenhut von der Sozialbehörde. Die Stadt zeichnet in Kürze das 100. Hamburger Unternehmen mit dem Familiensiegel für besonders mitarbeiterorientierte Personalführung aus.
Bei Vätern nimmt die Teilzeitarbeit zwar zu, bleibt aber eine Seltenheit. Übten 1998 noch gut zwei Prozent der erwerbstätigen Väter mit minderjährigen Kindern eine Beschäftigung in Teilzeit aus, so waren es im vergangenen Jahr knapp fünf Prozent. Damit lag die Teilzeitquote der Mütter mehr als zehnmal so hoch wie bei den Vätern.
Ein Grund: Frauen denken nach wie vor eher familienorientiert als Männer. Eine aktuelle Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung hat ergeben, dass 29 Prozent der Frauen, aber nur sieben Prozent der Männer bereit sind, für Kinder auf Berufstätigkeit zu verzichten. Fast die Hälfte der Frauen (46 Prozent) würde wegen ihrer Kinder Einkommensverluste hinnehmen. Das waren bei den Männern 37 Prozent.
"Die Kindererziehung muss Vorrang haben", sagt auch die Hamburgerin Inge von Thun, die sich als Berufsschullehrerin nach der Geburt ihrer Kinder für Teilzeit entschieden hat. "Wenn man sich entschließt, Kinder in die Welt zu setzen, kann man nicht erst um 18 Uhr mit der Erziehung anfangen", ist die 45-Jährige überzeugt. Sie ist zwar finanziell nicht auf die Arbeit angewiesen, will sich aber ihre Unabhängigkeit bewahren. "Ich möchte als Frau auf eigenen Beinen stehen", sagt die in Othmarschen lebende Mutter von der zehnjährigen Katharina und Sebastian (7). Und die volle Stundenzahl zu arbeiten - "selbst als Lehrerin" -, sagt Inge von Thun mit Blick auf das übliche Klischee der "faulen" Lehrer, sei bei der Belastung im Schuldienst heute einfach nicht mehr möglich. Es wird offenbar auch in anderen Bereichen immer schwieriger, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Mehr als 30 Prozent der Mütter gaben bei der Studie an, von 2007 bis heute sei die Vereinbarkeit schwieriger geworden.
Aber auch ohne Kinderbetreuung nahm die Teilzeitbeschäftigung zu - allerdings nicht so stark wie bei den berufstätigen Müttern. So erhöhte sich die Teilzeitquote bei Frauen ohne minderjährige Kinder von 1998 bis 2008 um sechs Prozentpunkte auf 36 Prozent. Bei den Männern stieg sie um vier Prozentpunkte auf neun Prozent. Die Gründe liegen zum Teil in der wirtschaftlichen Situation: Viele Unternehmen, etwa Callcenter, entscheiden sich für Teilzeitkräfte, um flexibler auf zurückgehende Arbeitsvolumina reagieren zu können.
Einfluss hat aber auch die alternde Gesellschaft. Immer mehr Menschen müssen ihre Eltern pflegen. Auch Buchhändlerin Eva Prüssner gehört dazu. Sie kümmert sich neben der Arbeit bei Heymann, dem Haushalt und den Kindern auch um ihre Mutter. "Das würde ich bei einer Vollzeitstelle niemals schaffen", sagt die Hamburgerin.
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