Hamburgs Arbeitsagentur kann fast alle rund 8600 Stellen besetzen. Im kommenden Jahr gibt es 1300 zusätzliche Ausbildungsplätze.

Hamburg. Sie hätte auch Luftverkehrskauffrau in ihrer Heimat Berlin werden können. Nora Ohlerich aber wollte auch mal "weg von zu Hause", andere Großstadtluft schnuppern. So hielt sie sich an ihre zweite Zusage und wechselte von der Spree an die Elbe zum Logistikkonzern Kühne + Nagel. Dort sitzt sie als Abiturientin mit Einsen in Mathe, Englisch und Geografie jetzt in der Europa-Klasse, baut ihre Spanisch-Kenntnisse und Kommunikationsfähigkeiten aus. Spätere Karriere nicht ausgeschlossen.

Nicht jeder Jugendliche kann sich seine Zukunft so aussuchen und nicht alle haben ausreichende Qualifikationen. Aber die Chancen, für junge Menschen einen Ausbildungsplatz zu finden, haben sich trotz der Krise verbessert. Zwar sank die Zahl der neuen Ausbildungsverträge bundesweit um knapp acht Prozent auf 497.500. Aber es gab auch 14 Prozent weniger Bewerber. Folge: Das Lehrstellenangebot übersteigt die Nachfrage in diesem Jahr um 7700, nachdem der Überhang 2008 bei 5000 Stellen lag. Damit gab es nun über zwei Jahre hinweg keine Lehrstellenlücke. "Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich trotz der Rezession entspannt", sagte Bundesarbeitsagentur-Vorstand Raimund Becker in Nürnberg.

Kommentar: Früh genug die Besten sichern

Auch in Hamburg wirkt sich die Wirtschaftskrise bisher weit weniger aus als erwartet. Dieses Fazit zogen gestern die Arbeitsagentur sowie die Handels- und Handwerkskammer. Nach knapp 13.200 abgeschlossenen Lehrverträgen im Rekordjahr 2008 sind es für den Bereich der beiden größten Kammern bis Ende September 11.300. Das entspricht dem Niveau des Ausbildungsjahres 2007, das als gut eingestuft wurde.

Der Rückgang bei den abgeschlossenen Verträgen gegenüber 2008 beträgt bei der Handelskammer gut sechs Prozent auf 8997 und bei der Handwerkkammer sieben Prozent auf 2292. Deutlich ging die Zahl der Einstellungen bei den Dienstleistern im Groß- und Außenhandel sowie in der Logistik zurück. Im Handwerk gab es ein Minus im Bau, bei Metallberufen und im Kraftfahrzeugbereich. Fleischer und Konditoren legten dagegen bei den Lehrverträgen deutlich zu. "Nachdem sich die Firmen im Frühjahr noch zurückgehalten haben, hat sich die Nachfrage im Sommer belebt", sagte Handwerkskammer-Vorstand Thomas Sander.

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"Insgesamt hat der Ausbildungswille nicht nachgelassen. Das spricht für die soziale Verantwortung und den ökonomischen Weitblick der Unternehmen", beschrieb gestern Frank Horch, der Präses der Handelskammer, die Lage. Für den doppelten Abitursjahrgang mit zusätzlich mindestens 5000 Absolventen werden 2010 im Bereich der Kammer 1300 Stellen mehr bereitgestellt. Auch 2011 ergebe sich noch einmal die Chance, auf besonders viele Abiturienten zurückzugreifen. "Danach wird die Zahl der Bewerber aus demografischen Gründen deutlich sinken."

Grundsätzlich gilt: Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz steigen, wenn sich das Interesse nicht auf die zehn Berufe beschränkt, die derzeit mehr als 40 Prozent der Bewerber anstreben, so Hans-Martin Rump, Stellvertretender Chef der Hamburger Arbeitsagentur. "Auch Abbruchquoten von zehn bis 20 Prozent lassen sich senken, wenn man seine Neigungen und Stärken frühzeitig mit den Anforderungen des Berufs abgleicht." Auf diesem Wege wurden von der Arbeitsagentur 8524 Stellen besetzt. Nur 132 der gemeldeten Plätze blieben frei.

Mehr Nachfrage von jungen Menschen erhofft sich Handelskammer-Präses Horch noch für Förderangebote, über die die Qualifikation für eine Ausbildung erst erreicht werden muss. Zwar stieg die Zahl der Teilnehmer 2009 dafür um 57 auf 433. "Aber 607 Angebote wurden nicht genutzt", sagte Horch. Dabei hätten 84 Prozent der Teilnehmer im Anschluss eine Lehre beginnen können.

Für Nora Ohlerich soll nach dem Abschluss ihrer Ausbildung bald die Zukunft bei Kühne + Nagel beginnen. Ihre Flexibilität hat die 21-Jährige bereits mit dem Wechsel nach Hamburg bewiesen. Mit ihren Spanisch-Kenntnissen tendierte sie in Richtung Lateinamerika. Ihr vorgesehenes Auslandspraktikum führte sie aber in den hohen Norden, ins schwedische Norrköping. Auch das empfand sie als "beeindruckend". Viel flexibler kann man kaum sein.