Auf die deutschen Lkw-Speditionen rollt eine Pleitewelle zu, die mehrere Zehntausend Arbeitsplätze gefährdet und ein Milliardenloch in den Bundeshaushalt reißt.

Frankfurt. Die Zahl der Insolvenzen im Transportgewerbe wird sich nach Angaben des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in diesem Jahr verdoppeln. BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt sprach am Wochenende von der schwersten Krise der Nachkriegszeit. Insgesamt stünden 80 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Die Auswirkungen bekommt auch der Bundeshaushalt zu spüren: Zwar stiegen die Einnahmen aus der Lkw-Maut im September mit 395 Millionen Euro auf ein neues Jahreshoch, wie ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte. Insgesamt wurden bisher aber erst rund 3,3 Milliarden Euro verbucht. Eingeplant sind für das gesamte laufende Jahr jedoch rund fünf Milliarden. Dass die zum Erreichen des Haushaltsziels fehlenden 1,7 Milliarden Euro im aktuellen Quartal noch erreicht werden, gilt bei Experten und Politikern als höchst unwahrscheinlich.

Nach Berichten der "Neuen Osnabrücker Zeitung" und der "Wirtschaftswoche" wurden im ersten Halbjahr 2009 bereits 445 Firmenpleiten im Transportgewerbe gemeldet. Im gesamten Vorjahr war für 531 der insgesamt 55 000 Speditionen endgültig Schluss. Daher brauche es "keine sonderliche Kühnheit zu der Annahme, dass eine Verdoppelung der Insolvenzfälle kommt", sagte BGL-Hauptgeschäftsführer Schmidt.

Nach Angaben des Branchenverbandes ist die Zahl der Betriebe, die stillschweigend vom Markt verschwunden sind, noch um ein Mehrfaches höher als die Zahl der Transportunternehmen, die wegen einer Insolvenz schließen mussten. Seit Jahresanfang seien bereits mehr als 60 000 mautpflichtige Lkw abgemeldet worden, betonte Schmidt.

Hauptursache für die bedrohliche Entwicklung sei der extreme Nachfrageeinbruch durch die Wirtschaftskrise, sagte der BGL-Geschäftsführer. Besonders betroffen seien kleine Transporteure, die vielfach als Subunternehmen für große Speditionen fahren, die wiederum mit Konzernen langfristige Logistikverträge ausgehandelt haben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts transportierten Deutschlands Spediteure von Januar bis August dieses Jahres insgesamt 14 Prozent weniger Güter über die Straßen als noch 2008.

Der Logistikexperte an der Technischen Universität Darmstadt, Hans-Christian Pfohl, sagte der "Wirtschaftswoche", viele Fuhrunternehmer hätten es nicht verstanden, sich ein Stück weit unabhängig von den reinen und letztendlich preisgetriebenen Transportleistungen aufzustellen. "Wer nur transportiert, ist austauschbar. Er hat keine Chance, dem Preisdruck, der von oben nach unten weitergereicht wird, Paroli zu bieten", sagte Pfohl. Ein Ende der Talfahrt sei nicht abzusehen.

Auch die Fahrleistung der Lkw ging laut Bundesverkehrsministerium bis September deutlich zurück und lag bei 18,2 Milliarden Kilometer. Im Vorjahreszeitraum waren es immerhin noch 21,1 Milliarden Kilometer. Dass trotzdem mehr Geld eingenommen wurde, liegt an der seit Januar geltenden Mauterhöhung. Ursprünglich wollte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) mit ihrer Hilfe aber in diesem Jahr rund fünf Milliarden Euro und damit 45 Prozent höhere Mauteinnahmen erzielen als 2008.

Bereits im Sommer hatten die Speditionen die schlechteste Geschäftslage seit zehn Jahren vermeldet, nachdem der Güterverkehr zuvor noch jahrelang vom boomenden Welthandel profitiert hatte. Noch im vergangenen Jahr waren die Preise für den Transport von Waren sehr hoch. Selbst Lkw-Fahrer bei deutschen Speditionen wurden knapp. Die Krise im Güterverkehr betrifft allerdings nicht nur die Lkw-Branche, sondern auch die Reedereien und die Bahn.