Hersteller kommen kräftig unter Druck. Immer mehr Firmen der Ernährungsindustrie schreiben rote Zahlen.

Hamburg. Der Preiskampf im deutschen Lebensmitteleinzelhandel wird immer härter. Gestern haben die Discounter Aldi und Penny die zehnte Preissenkungsrunde in diesem Jahr eingeleitet. Zahlreiche Produkte wie Käse, Milch, Reis, aber auch Fleisch wurden um bis zu 20 Prozent günstiger angeboten. Die Konkurrenz will nachziehen, wie Rewe, Edeka, die Edeka-Tochter Netto und die süddeutsche Handelskette Norma ankündigten.

Im Detail senkte Aldi die Preise für 30 Produkte. Unter anderem wurde die 400-Gramm-Packung Käsescheiben von 1,99 Euro auf 1,59 Euro reduziert. Ein Kilo Basmatireis verbilligte sich um 20 Cent auf 1,59 Euro. Die 500-Gramm-Packung gemischtes Hackfleisch kostet künftig statt 1,95 nur noch 1,89 Euro. Penny reduzierte den Preis für 1,5 Liter Fruchtsaftgetränk sogar um 48 Prozent auf 49 Cent. Insgesamt verbilligte der Discounter 50 verschiedene Lebensmittel.

Profiteure der Aktion sind die Kunden. Bei einem Marktvolumen im Lebensmittelbereich von mehr als 155 Milliarden Euro im Jahr bedeutet eine Reduzierung der Einzelhandelspreise um fünf Prozent eine Ersparnis von mehr als sieben Milliarden Euro für die Verbraucher. "Preissenkungen bei Lebensmitteln haben eine größere konjunkturelle Auswirkung als die inzwischen ausgelaufene Abwrackprämie für Autos", sagte Jürgen Abraham, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, dem Abendblatt. Verlierer bei Preiskämpfen sind die Hersteller wie etwa die Milchbauern, die immer weniger verdienen, weil ihre Produkte vom Handel verramscht werden.

Hintergrund der neuen Preisrunde ist der Kampf um Marktanteile. Deutschland hat im europäischen Vergleich die meisten Handelsflächen. Nach Jahren des stürmischen Wachstums stoßen die erfolgsverwöhnten Discounter jetzt aber erstmals an ihre Grenzen. Der Marktanteil der Billiganbieter liegt inzwischen auf den Umsatz bezogen bei rund 42 Prozent und ist damit nach Einschätzung des Handelsexperten Joachim Zentes von der Universität Saarbrücken kaum noch zu steigern. Wo früher Wachstumsspielraum für alle Discounter war, droht jetzt ein erbarmungsloser Verdrängungswettbewerb. Die Unternehmen können nur noch dann wachsen, wenn es ihnen gelingt, der Konkurrenz Kunden abzujagen.

Verschärft wird die Lage noch, weil sich Edeka nach der Übernahme der Plus-Filialen von Tengelmann vorgenommen hat, stärker in den Discountmarkt einzusteigen. Zudem versuchen alle großen Supermarktketten, die Discounter mit einer Serie von preisgünstigen Handelsmarken - von der Billigbutter bis zur Küchenrolle - auf dem eigenen Feld zu schlagen.

"Wir hoffen, dass auch die Handelsketten, die jetzt beim Preis nachziehen, nicht weitere Zugeständnisse von uns fordern", sagte Abraham. Denn bei der Ernährungsindustrie sei nichts mehr zu holen. "Wir haben keinen Spielraum mehr. Denn viele unserer 5800 Mitgliedsunternehmen schreiben bereits rote Zahlen."

Ob Abrahams Wunsch tatsächlich erfüllt wird, muss sich noch zeigen. Denn die Machtverhältnisse im Lebensmittelbereich verschieben sich eindeutig Richtung Handel. Die 5800 Herstellerbetriebe in Deutschland sind zu 85 Prozent mittelständisch organisiert und haben jeweils weniger als 100 Mitarbeiter. Ihnen gegenüber stehen zwölf große Handelsketten, die mehr als 90 Prozent des Marktes beherrschen. Sie können sich aussuchen, bei welchem Unternehmen sie ihre Produkte bestellen und können deshalb den Lieferanten die Preise diktieren.

Beim jüngsten Preisvorstoß hat der Discounter Aldi laut Abraham allerdings seine Lieferanten nicht ausgepresst. "Aldi finanziert die Preissenkungsrunde aus eigener Kraft", sagte der Mitbegründer der Seevetaler Schinkenräucherei Abraham. Unter anderem habe der Discounter von sinkenden Weltmarktpreisen für Fleisch profitiert.