Warum neue Boni-Regelungen Sinn machen. Was die neue Bundesregierung zügig anpacken sollte. Und welche Ziele der Konzern beim Service hat.

Hamburg. Abendblatt:

Verraten Sie uns, was Sie am 27. September gewählt haben?

René Obermann:

Mein Verständnis von Demokratie ist, dass Wahlen geheim sind.

Abendblatt:

Sie gelten als FDP-nah. Haben Sie eine Flasche Champagner nach der ersten Hochrechnung aufgemacht?

Obermann:

Ich kann mich nur wiederholen: Mein Verständnis von Demokratie ist, dass Wahlen geheim sind.

Abendblatt:

Haben Sie dann wenigstens Guido Westerwelle schon gratuliert?

Obermann:

Ich habe zu Herrn Westerwelle und zu anderen deutschen Spitzenpolitikern einen guten Kontakt. Deshalb muss ich auch nicht direkt nach der Wahl Punkte sammeln. Die Damen und Herren werden im Moment ohnehin genug zu tun haben.

Abendblatt:

Gibt es für Sie als Chef eines der wichtigsten deutschen Konzerne einen Wunschkandidaten für das Amt des Wirtschaftsministers?

Obermann:

Es ist mir wichtig, dass die Politik Rahmenbedingungen für mehr Wirtschaftswachstum schafft, unabhängig von der Person. Wir als Telekommunikationsunternehmen müssen vor allem Investitionen besser planen können. Die staatlichen Regulierungen bei der Installation der neuen Breitbandnetze müssen modernisiert und Kooperationen in unserer Branche erleichtert werden. Dann gibt es hierzulande ein immenses Potenzial für neue Jobs. Studien zeigen, dass durch den Ausbau der Glasfaser- und Mobilfunknetze bis zu eine Million zusätzliche Arbeitsplätze bis 2020 entstehen können. Und eines darf die Politik für unsere Zukunftsfähigkeit als Hightech-Standort nicht aus den Augen verlieren: Wir brauchen mehr qualifizierten Nachwuchs in technischen Berufen.

Abendblatt:

Was muss dafür getan werden?

Obermann:

Eine ganze Menge, sowohl bei der Ausstattung als auch bei den Unterrichtsinhalten in den Schulen. Der Anteil der Fächer Mathematik, Informatik und der Naturwissenschaften muss steigen. Er liegt zurzeit bei rund einem Viertel - das reicht nicht aus.

Abendblatt:

Derzeit wird viel über Lohngerechtigkeit diskutiert. Was bekommt ein Callcenter-Agent bei der Telekom als Einstiegsgehalt?

Obermann:

Das Einstiegsgehalt für junge Callcenter-Mitarbeiter, die wir direkt nach der Lehre übernehmen, liegt bei derzeit 24 200 Euro und steigt nach einem Jahr auf 24 700 Euro an. Mit den Gewerkschaften haben wir zudem eine Tariferhöhung von 2,5 Prozent zum 1. Januar nächsten Jahres vereinbart.

Abendblatt:

Das sind rund 2000 Euro brutto - zum Leben bleibt einer vierköpfigen Familie nach Abzug von Steuern und Abgaben dann aber nicht mehr viel.

Obermann:

Wir sprechen hier von Einstiegsgehältern für 19 und 20 Jahre alte Mitarbeiter, die in der Regel keine Familie zu ernähren haben. Das Durchschnittsentgelt unserer erfahrenen Mitarbeiter im Callcenter liegt bei rund 35 000 Euro. Das finden Sie so kaum in der Branche, wir zahlen 30 bis 40 Prozent mehr als andere Callcenter-Betreiber.

Abendblatt:

Sind die Löhne Ihrer Konkurrenten zu niedrig?

Obermann:

Es gibt einige Wettbewerber, die wegen des harten Konkurrenzdrucks deutlich unter unseren Tarifen liegen. Ich finde die Bezahlung teilweise sehr grenzwertig.

Abendblatt:

Apropos Bezahlung. Die G20-Staaten wollen als Konsequenz aus der Finanzmarktkrise schärfere Regeln für Boni-Zahlungen an Topmanager. Wie stehen Sie dazu?

Obermann:

Ich halte es für durchaus sinnvoll, über das angemessene Verhältnis von festen zu variablen Gehaltsbestandteilen bei Managern zu diskutieren. Wir Führungskräfte in Deutschland sind gut beraten, stark auf Maß und Mitte zu achten. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir eine große Mitverantwortung tragen, dass sie materiell und gefühlt nicht noch weiter auseinanderdriftet. Diese Diskussion muss unabhängig davon geführt werden, welche Parteien gerade an der Regierung sind.

Abendblatt:

Wie hält es die Telekom mit ihren Boni-Regeln?

Obermann:

Wir haben ein sehr transparentes Anreizsystem. Zwischen 30 und 50 Prozent der Vergütung einer Führungskraft hängen von variablen Faktoren ab. Die Kriterien sind einfach nachzuvollziehen. Es geht um den Erfolg des ganzen Unternehmens und Wertekonformität.

Abendblatt:

Was heißt das konkret?

Obermann:

Ich gebe mal zwei Beispiele: Die Führungskräfte der Telekom müssen nachweisen, dass sie ihre Mitarbeiter gut führen und sie müssen unsere Serviceakademie besuchen. Tun sie das nicht, bekommen sie eine schlechtere Beurteilung und weniger Geld.

Abendblatt:

Service ist ein gutes Stichwort. Kaum haben wir im Abendblatt einen Artikel über Serviceprobleme bei der Telekom gedruckt, melden sich mehrere Kunden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Hat die Telekom ein Serviceproblem?

Obermann:

Diese Frage ist mir zu pauschal. Die Fakten sind folgende: Bei Stiftung Warentest liegen wir als Internetprovider im Service auf Platz eins. Unser Service ist in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden. Wir haben aber pro Tag rund 400 000 Kundenanfragen und Servicevorgänge, die wir nicht alle umgehend lösen können. Unsere Problemlösungsquote im Erstkontakt liegt bei immerhin 60 bis 70 Prozent.

Abendblatt:

30 bis 40 Prozent der Probleme werden dann aber nicht sofort gelöst.

Obermann:

Unsere Kunden rufen ja nicht nur an, wenn sie Probleme haben. Auch beim Abendblatt wird wohl nicht jede Anfrage beim ersten Anruf gelöst. Trotzdem: Wir sind sicherlich noch nicht perfekt und wollen jeden Tag besser werden. Ich nenne Ihnen noch eine andere Zahl: Circa 70 Prozent der Kunden, die bei uns im Service anrufen, werden innerhalb von 20 Sekunden an den für sie kompetenten Gesprächspartner vermittelt.

Abendblatt:

Welche Quote streben Sie hier an?

Obermann:

Langfristig wollen wir 80 bis 85 Prozent erreichen.

Abendblatt:

Von 2006 bis heute ist die Kundenzahl der Telekom im klassischen Festnetz um rund fünf Millionen gesunken, im Breitband-DSL-Bereich liegt das Plus dagegen nur bei 3,3 Millionen. Was läuft schief?

Obermann:

Moment mal. Wir sind äußerst erfolgreich im Festnetzbereich. Kein anderes Unternehmen hat ein so großes Wachstum bei neuen Breitbandanschlüssen wie wir. Allein im zweiten Quartal 2009 lag unser Anteil bei den Neukunden bei 60 Prozent. Das hat es bei der Telekom zuvor noch nie gegeben.

Abendblatt:

In Hamburg ist Ihr Konkurrent HanseNet bei den DSL-Anschlüssen weiterhin Marktführer. Planen Sie speziell für den Hamburger Markt eine Offensive in diesem Bereich?

Obermann:

Für mich ist nicht ein einzelner regionaler Markt entscheidend, sondern das gesamte Bundesgebiet. Und dort haben wir insgesamt Marktanteile dazugewonnen. Und auch in Hamburg gewinnen wir Kunden zurück, bis zu 600 in der Woche.

Abendblatt:

Beim Preisvergleich für Internet/Telefonflatrates landen Sie in Hamburg mit ihrer Marke Congstar erst auf Platz 22. Warum ist die Telekom so teuer?

Obermann:

Die Preise sind zum Teil staatlich reguliert. Wir als Telekom können sie nicht frei gestalten. Zudem ist es nicht unser Anspruch überall der billigste Anbieter zu sein. Wir legen großen Wert auf den Service. Congstar, für die sich bereits mehr als eine Million Kunden entschieden haben, ist vor Kurzem als bester DSL-Dienstleister ausgezeichnet worden.

Abendblatt:

Der Datenskandal hat die Telekom schwer in Atem gehalten. Zig Millionen sensibler Kundendaten gelangten illegal in die Hände Dritter. Gewerkschafter und Journalisten wurden ausgespäht. Können Sie ausschließen, dass sich so etwas wiederholt?

Obermann:

Wir haben personelle Konsequenzen gezogen und wir haben deutlich mehr Fachleute im Bereich Datenschutz als früher. Außerdem haben wir die Anforderungen an unsere Dienstleister weiter erhöht. Wer sich nicht daran hält, dem kündigen wir die Zusammenarbeit. Gerade haben wir uns von vier Vertriebspartnern getrennt, die sich nicht an unsere verschärften Regeln gehalten haben. Daneben haben wir die Investitionen in die Technik erhöht und uns intern wie extern überprüfen lassen. Zudem ist der Datenschutz jetzt organisatorisch auf der Vorstandsebene verankert. Das ist schon eine ganze Menge. Aber im Hightech-Bereich gibt es keinen beständigen 100-prozentigen Schutz. Wir müssen uns immer wieder überprüfen.

Abendblatt:

Hat die Datenaffäre den Ruf der Telekom beschädigt?

Obermann:

Ja, sie hat unserem Image nicht gut getan. Ohnehin ist es eines unserer schwierigsten Aufgaben, das Image des alten, trägen Staatsbetriebes loszuwerden. Die Datenaffäre war hier ein Rückschlag.

Abendblatt:

Wie stehen Sie der Sperrung von Internetseiten gegenüber? Sollte es weitere Sperrungen über Kinderpornoseiten hinaus geben?

Obermann:

Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Auch im weltweiten Netz müssen Straftaten verfolgt und geahndet werden können. Die getroffenen Maßnahmen sind technisch sicherlich keine perfekte Lösung, aber ein erster Schritt, um die Nutzung zu erschweren. Der Kampf gegen Kinderpornografie muss ein Anliegen der gesamten Gesellschaft sein.

Abendblatt:

Fernsehen und Internet wachsen langsam zusammen. Wann wird es normal sein, dass man ein Gerät für beides im Wohnzimmer stehen hat?

Obermann:

Für rund 800 000 Deutsche ist Internetfernsehen bereits Normalität. Doch bis diese Technologie für viele Millionen Menschen zum Standard geworden ist, wird es wohl noch einige Zeit dauern. In zwei, drei Jahren dürfte es bereits normal sein, dass man in Deutschland Fernsehen über das Internet schaut.

Abendblatt:

Freuen Sie sich darauf?

Obermann:

Ich nutze diese Technik bereits.

Abendblatt:

Wie ist das Medienverhalten des Telekom-Chefs im Detail. Was machen Sie zuerst nach dem Aufstehen?

Obermann:

Das kommt darauf an, wo ich geschlafen habe (lacht). Ich freue mich über jedes Hotel mit MP3- oder iPod-Anschluss, weil ich morgens sehr gerne Musik höre.

Abendblatt:

Klassik?

Obermann:

Nein, eher Rockmusik wie Linkin Park. Dann schaue ich mich nach Sportmöglichkeiten im Hotel um. Gibt es keine, setze ich mich direkt an den Computer und lese im Internet Nachrichten.

Abendblatt:

Wo beziehen Sie noch Informationen her?

Obermann:

Im Fernsehen schaue ich Nachrichtensendungen und die eine oder andere gut gemachte Talkshow. Und zu Tageszeitungen greife ich selbstverständlich auch.

Abendblatt:

Telefonieren Sie viel?

Obermann:

Ja, mehrere Stunden am Tag.

Abendblatt:

Und SMS und MMS?

Obermann:

Auch viel. Aber eigentlich telefoniere ich mehr.

Abendblatt:

Mit wem?

Obermann:

Mit Kunden, Mitarbeitern, meinen Kindern...

Abendblatt:

Und mit Ihrer Partnerin Maybrit Illner?

Obermann:

Das Schöne an Partnerschaften ist ja, dass sie privat sind. Das ist uns bisher gelungen - und das soll auch so bleiben.