Die Branche verliert in Deutschland deutlich weniger Umsatz als in Europa insgesamt. Unternehmen leiden unter Überalterung der Kundschaft.

Hamburg. Der Wassersport-Markt in Deutschland leidet wie die meisten Branchen unter den Folgen der globalen Rezession. Allerdings schneiden die Unternehmen hierzulande längst nicht so schlecht ab wie die Branche in Europa insgesamt. In Deutschland sei für dieses Jahr ein Umsatz von 1,6 Milliarden Euro zu erwarten, rund 13 Prozent weniger als im Jahr zuvor, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft (BVWW), Jürgen Tracht, gestern bei der Messe Interboot in Friedrichshafen am Bodensee. Europaweit sei der Umsatz der Wassersportwirtschaft im Geschäftsjahr 2008/2009, das Ende Juli ablief, um 26 Prozent auf 18,5 Milliarden Euro gesunken.

"Die Serienhersteller haben im zurückliegenden Jahr deutliche Einbußen bei den Aufträgen verzeichnet", sagte Tracht dem Abendblatt. "Dennoch ist die Stimmung hier insgesamt sehr gut, es ist auch verkauft worden. Viele Bootshersteller sind mit kleineren, günstigeren Einsteigermodellen zur Interboot gekommen."

Stabilisierend wirkte in Deutschland vor allem das Geschäft der Lieferanten von Ausrüstung und Zubehör. Sie profitierten davon, dass viele Bootsbesitzer ihre Fahrzeuge angesichts der Wirtschaftskrise eher renovierten, als sich ein neues zu kaufen. "Bei den Ausrüstern und im Servicebereich sieht es mit einem Minus von fünf bis sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr vergleichsweise gut aus", sagte der Präsident des BVWW, der Hamburger Unternehmer Robert Marx, dem Abendblatt. "Der schöne Sommer hat der Branche in der Krise sehr geholfen, hinzu kamen niedrige Kraftstoffpreise für die Motorbootfahrer. Die Saison war besser als erwartet. Wir haben zum Beispiel sehr gut Außenbordmotoren und Schlauchboote verkauft", sagte Marx.

Bootshersteller wie der führende deutsche Anbieter Bavaria meldeten bei der Interboot Produktionsrückgänge im zurückliegenden Jahr von 50 Prozent und mehr. Der zweitgrößte deutsche Hersteller, HanseYachts in Greifswald, hatte für die ersten neun Monate seines Geschäftsjahres (zu Ende April) einen Verlust von rund 13 Millionen Euro gegenüber 2,6 Millionen Euro Gewinn im Vorjahreszeitraum vorgelegt. Für das gesamte Geschäftsjahr sagte HanseYachts 14 Millionen Euro Verlust voraus.

"Der Blick auf die Verkaufszahlen der Unternehmen mit einem Minus von rund 30 Prozent relativiert allerdings die noch stärkeren Rückgänge bei der Produktion", sagte Marx. "Die Unternehmen haben in den vergangenen Monaten ihre Lager abgebaut. Es gab durchaus weiterhin Nachfrage, auch nach großen und sehr teuren Booten."

Die Interboot bildet den Auftakt für die Herbst- und Wintermessen der Wassersportbranche in Deutschland. 512 Aussteller aus 25 Ländern sind in diesem Jahr an den Bodensee gekommen, sechs Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Angesichts der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten erscheint das ein moderater Rückgang zu sein. "Wir sind sehr zufrieden mit dem Auftakt am Wochenende", sagte Messe-Geschäftsführer Klaus Wellmann.

Der nächste Branchentreff in Deutschland ist die Hanseboot in Hamburg, die am 24. Oktober öffnet. Hier wird sich zeigen, wie stabil die Trends von der Interboot sind. "Die Messe in Friedrichshafen ist sehr viel regionaler geprägt als die Hanseboot", sagte BVWW-Geschäftsführer Tracht. "Und in der Region gibt es ein besonders kaufkräftiges Publikum." Die Hanseboot sei für die Bootshersteller durch ihre internationalere Ausrichtung repräsentativer. Mit einem Rückgang der Ausstellerzahlen rechnet allerdings auch der Hanseboot-Veranstalter Hamburg Messe. Geschäftsführer Bernd Aufderheide hat bereits angekündigt, dass die Ausstellungsfläche in diesem Jahr, dem 50. Jubiläum der Hanseboot, wohl deutlich reduziert werde.

Denn die Bootsmessen leiden unter demselben Problem wie die Hersteller und Ausrüster: Der Markt in Deutschland altert stetig. Das Durchschnittsalter der deutschen Bootsbesitzer liege bei 56 Jahren, sagte BVWW-Geschäftsführer Tracht: "Früher wurden 2,5 bis drei Prozent eines Jahrgangs für den Bootssport gewonnen, heute sind es nur noch ein bis 1,5 Prozent." Die Hersteller versuchen, mit günstigeren Modellen gegen den Trend zu halten. Die Messeveranstalter locken mit billigeren Tickets. Und Jugendliche bis 15 Jahre dürfen bei der Hanseboot gratis gucken.