Deutschland und zahlreiche andere Industrienationen müssen wegen der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit mit dramatischen Folgen für den Arbeitsmarkt rechnen.

Paris/Hamburg. Im zweiten Halbjahr 2010 sei in den 30 Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) trotz positiver Konjunktursignale mit 57 Millionen Arbeitslosen zu rechnen, heißt es in dem Beschäftigungsausblick der Organisation. Dies entspreche einer Erwerbslosenquote von rund zehn Prozent.

In Deutschland wird die Arbeitslosenquote nach OECD-Schätzung im vierten Quartal 2010 auf 11,8 Prozent steigen, die Arbeitslosenzahl auf rund fünf Millionen. Im Juni und Juli dieses Jahres lag die Quote noch bei 7,7 Prozent. Im Gegensatz zu Ländern wie Irland, Japan, Spanien und den USA stehe Staaten wie Deutschland und Frankreich der schlimmste Anstieg noch bevor, schreiben die Arbeitsmarktexperten. "Es ist unerlässlich, dass die Regierungen in den kommenden Monaten Arbeitssuchenden zur Seite stehen", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría.

Dem widerspricht Michael Bräuninger, Konjunkturexperte des HWWI-Instituts in Hamburg. "Wir erwarten, dass die Arbeitslosenquote in Deutschland 2010 unter zehn Prozent bleiben wird", sagte Bräuninger dem Abendblatt. "Die Konjunkturprogramme in Deutschland und die Möglichkeit zur Kurzarbeit federn ab." Hamburg entwickelt sich laut Bräuninger parallel zur Bundestendenz. "Im Frühjahr erwarten wir eine Erholung des Welthandels. Davon werden der Hamburger Hafen und das Transportgewerbe profitieren", sagte er.

Kurzarbeit bezeichnete die OECD als potenzielles Hindernis für die wirtschaftliche Erholung. Nicht überlebensfähige Unternehmen dürften nicht zu lange alimentiert werden. Wenn sich die Befürchtungen der Organisation bewahrheiten, wird die Zahl der Arbeitslosen in den OECD-Staaten bis Ende 2010 nahezu doppelt so hoch sein wie Ende 2007. Es sei mit 25,5 Millionen zusätzliche Erwerbslosen zu rechnen. Hohe Arbeitslosenquoten werden in Spanien (19,8 Prozent) und Irland (15,1) erwartet. Für Japan prognostizieren die Experten eine Quote von 5,8 Prozent.

In Deutschland sei von Anfang 2008 bis Ende 2010 mit zusätzlichen 1,8 Millionen Arbeitslosen zu rechnen. Bei der Langzeitarbeitslosigkeit liege das Land bereits über dem OECD-Schnitt. So gaben 2008 über 50 Prozent der Jobsuchenden an, dass sie seit mehr als einem Jahr arbeitslos seien, im OECD-Schnitt waren es 26 Prozent.