Wachstum statt Krise. Die Branche zeigt sich zuversichtlich. Immer mehr “schwimmende Hotels“ werden derzeit gebaut.

Hamburg. Wachstum statt Krise. Zum ersten Mal werden in diesem Jahr mehr als eine Million deutsche Passagiere ihren Urlaub auf hoher See verbringen. Davon sind vom Abendblatt befragte Experten überzeugt. "Das wird die Branche schaffen", sagt der Präsident des Marktführers Aida Cruises, Michael Thamm. Die Marke nennt der Chef des deutschen Marktführers, der 2008 immerhin 336 000 der gut 900 000 Passagiere an Bord holte, "historisch". Und die Zukunft scheint ähnlich rosig wie der Himmel bei einem Sonnenuntergang auf See.

Gerade weil Kreuzfahrten im Vergleich zu 40 Millionen verkauften Pauschalreisen pro Jahr immer noch eine Nische bilden, sei das Potenzial hoch, versichert der Hamburger Kreuzfahrtexperte Helge H. Grammerstorf. "Viele Menschen waren noch nie auf einem Schiff, und die Branche hat es jetzt verstanden, die Reisen zu einer realistischen Urlaubsalternative zu machen", so der Inhaber der maritimen Beratungsfirma SeaConsult. Zumindest für die kommenden drei bis vier Jahre sieht auch Thamm weiteres Wachstum. Neben der bequemen Art, mit der mehrere Urlaubsorte nacheinander erreicht werden können, sowie dem Angebot von Kultur, Sport und Wellness an Bord trägt auch die Preisentwicklung dazu bei, dass die Lust auf Meer zunimmt. "Es sind derzeit sicher jede Menge Preisaktionen draußen", sagt Richard Vogel, Chef von TUI Cruises, die im Mai mit der "Mein Schiff" neu gestartet sind.

Wie sich das auf den Tagesdurchschnittspreis auswirkt, ist für den Manager noch ungewiss. Schon im vergangenen Jahr war die Rate leicht um 1,1 Prozent auf 199 Euro gesunken. Doch für Thamm ist das Niveau noch immer "auskömmlich". Die derzeit sechs eingesetzten "Aidas" schrieben nach einem Umsatz von 566,1 Millionen Euro 2008 auch derzeit gute schwarze Zahlen. Näheres will der Reedereipräsident jedoch nicht preisgeben.

Tatsächlich schwankt seit etwa zehn Jahren der Durchschnittspreis für einen Tag an Bord zwischen 190 und 200 Euro, wie Grammerstorf beobachtet hat. Nur die Spanne zwischen den günstigen und den bis zu 500 Euro pro Tag erreichenden Luxusanbietern wurde mit den neuen Konzepten abseits von Captains-Dinner und Festgarderobe immer größer. "Gerade die höherwertigen Reisen ab 300 Euro entwickeln sich am stabilsten", sagt der Hamburger Experte, der selbst als Offizier auf der Brücke eines Kreuzfahrtschiffes stand.

Die Stabilität des Geschäftes sorgt für eine rege Bautätigkeit. Allein 33 Kreuzfahrer sind weltweit zur Ablieferung bis Herbst 2012 bestellt - das entspricht fast zehn Prozent der derzeit fahrenden Flotte. Die zusätzlich bereitgestellten 72 866 Betten werden das Angebot sogar um 18,5 Prozent erhöhen. Klar ist: Die Schiffe werden immer größer. Statt wie bisher im Durchschnitt 1100, sind jetzt Kreuzer bestellt, die im Schnitt mehr als 2200 Passagiere fassen. Mitten in der Schifffahrtskrise hat die Papenburger Meyer Werft fünf dieser Riesen mit mehr als 120 000 BRZ im Auftragsbuch und obendrein noch drei "Aida"-Neubauten. Damit sind die 2500 Beschäftigten bis 2012 und damit "bundesweit am längsten ausgelastet", wie Sprecher Günther Kolbe sagt.

Abbestellungen wie in der Not leidenden Frachtschifffahrt braucht Meyer zumindest von Aida Cruises nicht zu fürchten. "Kommt gar nicht infrage", sagt Präsident Thamm. "Wir wollen schließlich das Potenzial für Kreuzfahrten für uns erschließen." Damit hat die Werft zumindest Chancen, die Krise zu überbrücken, auch wenn die Papenburger nicht damit rechnen, in diesem Jahr noch einen neuen Auftrag zu erhalten.

Die Werft wird derzeit auf die Zeit nach der Krise vorbereitet. "Dann werden viele Werften Aufträge brauchen, die Preise werden sinken und die Asiaten werden sich verstärkt um Kreuzfahrer bemühen", ist Kolbe sicher. Die Meyer Werft soll bis dahin noch effizienter anbieten können. Immerhin: In den beiden Schiffbauhallen können jetzt jährlich drei Kreuzfahrer mit jeweils mehr als 100 000 BRZ oder über 2200 Betten gebaut werden.

Bei den Flusskreuzern wird mit elf bestellten Schiffen zwar die fahrende Flotte bis 2012 nur um fünf Prozent aufgestockt. Doch das liegt vor allem an den kürzeren Bauzeiten, die kurzfristigere Entscheidungen möglich machen. Aber auch hier haben die neuen Schiffe mit 175 Passagieren durchschnittlich mehr Platz als die eingesetzten, bei denen dieser Wert bei 132 liegt.

Hintergrund: Größere Schiffe bringen den Reedern höhere Renditen, weil die Schiffskosten weitgehend konstant bleiben. "Wir gehen nicht mehr mit Schiffen unter 120 Passagieren auf die preislich umkämpfte Donau", sagt etwa Benjamin Krumpen, Geschäftsführer bei Phoenix-Reisen, die 1993 als Erste einen Katalog für Flussreisen herausgebracht hatten. Die Möglichkeiten für Neubauten sind auf den Flüssen jedoch begrenzt. Schleusen und enge Kurven lassen nur Schiffe bis 135 Meter Länge und 11,40 Meter Breite zu, wenn sie auf allen großen Wasserwegen eingesetzt werden sollen.

Für den Verkehr auf Rhein, Elbe, Donau oder anderen europäischen Flüssen erwartet Grammerstorf nach einem Plus von knapp 15 Prozent nun einen einstelligen Passagierzuwachs. "Wir rechnen mit einem Plus von fünf Prozent auf 60 000 Gäste in Europa in diesem Jahr", sagt Krumpen.

Getrieben auch durch die von den Flusskreuzfahrtveranstaltern an die Reisebüros gezahlten hohen Provisionen von mindestens zehn Prozent werden immer mehr Touristen auf die Vorteile einer Flussreise aufmerksam. Phoenix erzielte 2008 allein 125 Millionen der 300 Millionen Euro des Gesamtumsatzes mit diesen Reisen. Für 2010 erwartet Krumpen etwa dasselbe Plus wie 2009 und will die Preise nicht erhöhen. Insgesamt aber "geht es uns gut", sagt er. Flussreisen als bequeme Fortbewegung kämen inzwischen auch bei Gästen um die 30 an. "Es ist die Entdeckung der Langsamkeit", sagt Krumpen.

Die ist beim Absatz bereits wieder überwunden. Nachdem bis Ende März noch eine starke Zurückhaltung bei den Buchungen von Urlaub auf Flüssen und auf See zu spüren war, lief das Geschäft - angeschoben auch von der etwas besseren Konjunktur - im zweiten Quartal besser. "Die Kunden entscheiden sich einfach immer später", sagt Experte Grammerstorf. Inzwischen auch sehr kurzfristig. "Wir erhalten auch jetzt noch Buchungen für die Abfahrten der ,Mein Schiff' von Palma de Mallorca", sagt TUI-Manager Vogel. Der Termin ist am kommenden Sonntag.