Alle vier deutschen Werksstandorte sollen erhalten bleiben, endgültig gerettet ist Opel aber nicht: Bislang wurde aber noch kein Vertrag unterschrieben.

Berlin/Hamburg. Wirklich erleichtert sieht Angela Merkel gestern nicht aus, als sie vor die Presse tritt und die Entscheidung zu Opel verkündet, wonach der US-Mutterkonzern General Motors (GM) den angeschlagenen deutschen Autobauer an die Magna-Gruppe verkaufen will. "Geduld, Zielstrebigkeit, auch Klarheit" der Bundesregierung hätten zu diesem Ergebnis beigetragen, sagt die Kanzlerin und versucht ein Lächeln.

Dabei könnte sie auch als Gewinnerin auftreten, schließlich ist Magna Wunschpartner der Regierung. In dem zehn Monate langen Poker hatte sie zuletzt Staatshilfen für Opel von 4,5 Milliarden Euro von einer Entscheidung für Magna abhängig gemacht.

GM will 55 Prozent seiner Opel-Anteile an den österreichisch-kanadischen Zulieferer verkaufen, der zusammen mit der Sberbank und dem Autobauer Gaz aus Russland mit New Opel vor allem auf den osteuropäischen Markt abzielt. Zehn Prozent sollen an die Belegschaft gehen. 35 Prozent will GM selbst behalten.

Allerdings scheint über diese dürren Zahlen hinaus an diesem Nachmittag vieles immer noch alles andere als klar zu sein. Die entscheidenden Fragen, wie viele der 25 000 Arbeitsplätze in Deutschland der Fusion zum Opfer fallen und ob Opel tatsächlich langfristig überleben kann, beantwortet die Kanzlerin nicht. Sie kann vor der Bundestagswahl zwar ein vages Zukunftsszenario für den Autobauer präsentieren. Das hatten Insider angesichts der sonst drohenden Arbeitslosigkeit rund um die Standorte in den strukturschwachen Städten Bochum, Eisenach und Kaiserslautern nicht anders erwartet. Eine Rettung aber verspricht sie nicht: "Ich weiß, dass vor Opel noch ein schwieriger Weg liegt." Bisher wurde auch noch nicht mal ein Vertrag unterschrieben.

Auch der Vertreter der Bundesregierung bei der Opel-Treuhand, Manfred Wennemer, sieht in dem Verkauf an Magna noch keine tragfähige Lösung. Er habe gegen den Verkauf gestimmt, sagte der frühere Continental-Chef. Nach seiner Einschätzung produziert Opel zu teuer.

Auch bei den Opelanern, die in den vergangenen Monaten eine Achterbahnfahrt der Gefühle hinter sich haben, schwingen noch Zweifel mit. Liegt der angekündigten Lösung mit Magna ein Stillhalteabkommen mit den Amerikanern zugrunde, die der Merkel-Regierung einen totalen Gesichtsverlust kurz vor der Wahl ersparen wollten? Ist es ausgeschlossen, dass GM in ein paar Wochen nicht doch noch seine Verkaufspläne zurückzieht und Opel selber behält, um die Entwicklungskompetenz der deutschen Ingenieure für sich alleine zu sichern? Immerhin haben diese die Plattform für alle GM-Mittelklassewagen entwickelt und waren auch maßgebliche Geburtshelfer des neuen Hoffnungsträgers für den Konzern, des Elektroautos Chevy V.

Nach dem Hin und Her der letzten Monate scheint im Gezerre um Opel immer noch alles möglich. Zwar erklärte der Chefunterhändler von GM, John Smith, alle vier deutschen Werke sollten erhalten bleiben. Ansonsten stellt GM harte Bedingungen für den Verkauf der Opel-Anteile an Magna. Dazu gehören das Finanzierungsangebot von Bund und Ländern, die Unterstützung der europäischen Gewerkschaften bei der notwendigen Restrukturierung und dem damit verbundenen Arbeitsplatzabbau sowie einige vertragliche Fragen. Opel ist noch nicht gerettet, sagte auch der Vorsitzende des Treuhandbeirats von GM, Fred Irwin.

Die Amerikaner können pokern, weil sich der Konzern in den Verhandlungen mit Magna und der Bundesregierung heute in einer sehr viel besseren Lage befindet als vor Wochen. Die Blitzinsolvenz ist überstanden und die 50 Milliarden der US-Regierung bringen den Konzern in eine gute Position für einen Neustart. Auch Magna hat Interesse, seinen wichtigen Kunden GM nicht vor den Kopf zu stoßen.

In Deutschland stieß die Nachricht allen Unklarheiten zum Trotz auf ein positives Echo: "Das ist ein guter Tag für Opel und für die Menschen bei Opel", sagte Bundesaußenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Er freue sich, dass diejenigen, die für Insolvenz geworben hatten, nicht die Oberhand gewonnen haben. "Ich weiß, dass dies keine leichte Entscheidung für GM war, aber ich freue mich, dass Opel nun eine Zukunft hat", sagte der Konzernbetriebsratschef Klaus Franz, der erneut die Bereitschaft der Belegschaft zu Millioneneinsparungen unterstrich.

"Allerdings muss jetzt schnell eine Strategie vorgestellt werden, damit das Unternehmen neu aufgestellt werden kann", sagte Haspa-Analyst Bernd Schimmer dem Abendblatt. Denn GM selbst fährt trotz Milliardenspritze nicht gerade mit Erfolg versprechender Kreativität durch die Krise: GM-Chef Fritz Henderson hatte eine Kooperation mit dem Online-Händler Ebay als zentrales Element der Erneuerung des US-Vertriebs angekündigt. Doch bisher wurden dort nur 50 Autos verkauft.