Die Kurskapriolen der VW-Aktien aus dem Oktober 2008 ziehen eine Razzia bei Porsche nach sich. Im Fadenkreuz: Ex-Porsche-Chef Wiedeking.

Hamburg. Selbst für Börsianer und Analysten kam er völlig überraschend, der Tag, an dem die VW-Aktie die 1000-Euro-Marke knackte (Schlusskurs: 945 Euro). Es war am 28. Oktober vergangenen Jahres, ein trüber Herbsttag. Aber er machte Tausende VW-Aktionäre, die rasch reagierten und verkauften, über Nacht zu reichen Glückspilzen. Selbst Kleinanleger konnten mit ihren VW-Aktien damals Summen im Gegenwert eines Neuwagens oder eines Ferienhauses erlösen. Der Tag der Freude für die Gewinner des Börsenpokers um VW ist bis heute selbst für Experten weitgehend unerklärlich geblieben.

Nur so viel: Durch die Spekulationen von Porsche an der Börse waren die VW-Papiere so rar geworden, dass ihr Wert durch die Decke ging. In Sphären, die vom wahren Wert des Autobauers Lichtjahre entfernt waren. Für die Börse war VW zum wertvollsten Unternehmen der Welt geworden, es kostete mehr als der Ölkonzern Exxon. Ein Mondpreis!

Spätestens gestern kamen die Urheber dieser Spekulation wieder zurück auf den Boden. Unsanft. Porsche teilte mit, am Morgen hätten Beamte der Staatsanwaltschaft Stuttgart die Firmenzentrale in Zuffenhausen durchsucht. Der Sportwagenhersteller steht nach eigenen Angaben unter anderem im Verdacht der Börsenmanipulation. Im Visier der Ermittler stehen auch der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Ex-Finanzchef Holger Härter. Es wurden Geschäftsräume von Porsche durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. Der Sportwagenbauer wies die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen arbeitet nun mit den Beamten zusammen und wolle zu einer schnellen Aufklärung beitragen.

Das Eingeständnis, ins Visier der Staatsanwaltschaft gerückt zu sein, steht in krassem Gegensatz zur Befindlichkeit bei Porsche zwei Jahre zuvor. Damals hatten Wiedeking und Härter die beabsichtigte Übernahme des zehnmal größeren Wolfsburger Konzerns eingefädelt und befanden sich fortan in einem gemeinsamen Glückstaumel, mit ihrer "Sportwagenklitsche" schon bald den größten europäischen Autobauer zu kontrollieren. Dass 2008 der Gewinn der Stuttgarter den Umsatz übertraf, ein Triumph für die Eigentümerfamilien und Aktionäre, war da fast nur noch ein kleines Zwischenspiel.

Doch die Umstände, unter denen sich Porsche an VW heranpirschte, Optionen kaufte, Banken in das Geschäft mit einbezog, blieben weitgehend unbekannt. Porsche hüllte sich in Schweigen, Aktionärsschützer beklagten die Intransparenz: "Das war alles andere als gute Corporate Governance", kritisiert Marco Cabras von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Aktionäre seien höchstens durch die Medien, Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff oder ungewollte Indiskretionen über die Börsengeschäfte Porsches informiert gewesen. "Dabei hätte der Konzern bei jedem Schritt, bei den Verhandlungen mit Katar etwa, die Öffentlichkeit mit Ad-hoc-Mitteilungen informieren müssen." Die Blackbox bei Porsche und die höchsten Kursschwankungen in der Geschichte des DAX forderten Opfer vieler Anleger.

Bei der WestLB begruben Verluste mit VW-Aktien den Vorstand unter sich. Der Unternehmer Adolf Merckle verlor Millionen seiner Firma mit VW-Spekulationen und warf sich später vor einen Zug. Schon vor Monaten begann die Finanzaufsicht BaFin, die irrationalen Kursbewegungen zu untersuchen. "Wir informieren uns seit längerer Zeit", sagte eine Sprecherin. "Bei größeren Übernahmen ist das normal", bewertete Aktionärsschützer Cabras das Vorgehen. Dass die Behörde die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft weitergebe und ein Verdacht gegen Personen geäußert werde, lege nun aber schon die Vermutung nahe, "dass wir es mit einem größeren Fall zu tun bekommen."

Nicht nur für viele Aktionäre war der ehrgeizige Übernahmeversuch von Porsche ein Spiel mit Schattenseiten. Auch bei dem Stuttgarter Konzern wurde später deutlich, dass Wiedeking versucht hatte, einen zu großen Fisch zu schlucken. Die Finanzkrise ließ die Strategie scheitern, aber auch die Fehleinschätzung, die Macht des Landes Niedersachsen bei VW durch den Fall des VW-Gesetzes beschränken zu können. Wiedeking hatte alles gesetzt. Und verloren.

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