Analysten so optimistisch wie zuletzt im Frühjahr 2006. ZEW-Index zieht überraschend stark an. Commerzbank-Experte erwartet für 2010 DAX-Plus um bis zu 15 Prozent.

Hamburg. Börsenexperten bewerten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft so positiv wie zuletzt vor mehr als drei Jahren. Das Konjunkturbarometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim legte überraschend stark zu und erreichte mit 56,1 Punkten (plus 16,6) den höchsten Wert seit April 2006, weit über dem historischen Mittelwert von 26,5 Punkten. Im Juli war der Indikator gefallen, nachdem er zuvor acht Monate in Folge gestiegen war.

Der ZEW-Index beruht auf einer Umfrage unter 301 Analysten. Einer der wesentlichen Gründe für den neuen Optimismus sei das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal gewesen, erklärten die ZEW-Forscher. Zwischen April und Juni hatte das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent zugelegt.

Der Anstieg des Barometers sei ein sehr gutes Zeichen für die Wirtschaft, sagte der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. "Das bedeutet, dass die Erholung der Wirtschaft früher als erwartet eingesetzt hat." Auch bei den Exporten wird eine Entspannung erwartet: Der DIHK rechnet für 2010 mit einem Plus von vier Prozent bei den deutschen Ausfuhren, für 2009 geht man allerdings von einem Einbruch um 17 Prozent aus, nachdem im vergangenen Jahr ein Rekordwert von 995 Milliarden Euro erzielt wurde.

ZEW-Präsident Wolfgang Franz warnte angesichts des Indexanstiegs jedoch vor übertriebenen Hoffnungen. Zu Euphorie bestehe kein Anlass, so Franz: "Die deutsche Konjunktur entwickelt sich synchron zur weltweiten Konjunktur und dürfte sich daher nur allmählich erholen."

So kann es nach den Worten des ehemaligen Chefs der US-Notenbank Fed, Alan Greenspan, im nächsten Jahr zu Rückschlägen in der weltweit größten Volkswirtschaft kommen, wenn Konjunkturprogramme wie etwa Abwrackprämien für Autos auslaufen. Von einem selbsttragenden Aufschwung könne man noch nicht sprechen.

Ähnliches gilt für Deutschland: "Die Wirtschaft hat noch nicht wieder aus eigener Kraft Tritt gefasst, sie wird weitgehend durch staatliche Programme über Wasser gehalten", sagte Jan Krämer, Konjunkturexperte des Commerzbank-Bereichs Wealth Management, im Gespräch mit dem Abendblatt. "Daher wird es auch 2010 wieder einzelne schwächere Quartale geben." Eine neue Rezession erwartet Krämer aber nicht. "Die hat Mitte 2009 ihr Ende gefunden."

Nach Einschätzung des Investmentstrategen hat sich inzwischen auch das Finanzsystem insgesamt stabilisiert, wenn auch noch nicht von einer vollständigen Normalisierung des Bankensektors gesprochen werden könne: "Viele Banken sind noch zu gering kapitalisiert, was die Kreditvergabe hemmen kann."

Zu den staatlichen Hilfen für die Wirtschaft zählt auch die Kurzarbeit. "Nachdem die Unternehmen Ende 2008 von einer regelrechten Schockstarre befallen wurden, war dieses Instrument genau das richtige", so Krämer. "Auch aus sozialpolitischer Sicht ist die Kurzarbeit eine sehr gute Maßnahme, denn es ist wichtig, die Menschen ohne Unterbrechung in ihrem Arbeitsverhältnis und in ihrem gewohnten sozialen Umfeld zu lassen." Allerdings geht Krämer davon aus, dass ein Teil der Kurzarbeiter wegen der nur schleppenden Erholung der Wirtschaft schließlich doch noch entlassen werden muss.

Für den deutschen Aktienmarkt erwartet der Experte ein Plus von zehn bis 15 Prozent bei weiterhin starken Schwankungen im kommenden Jahr, ausgehend von einem prognostizierten Stand des Deutschen Aktienindexes (DAX) von 5500 Punkten per Jahresultimo 2009.

In den vergangenen Wochen hatte das Börsenbarometer - nach einem Rücksetzer bis auf rund 4600 Zähler Anfang Juli - außergewöhnlich steil um etwa 800 Punkte angezogen. "Auslöser dafür waren überraschend positive Nachrichten im Rahmen der US-Berichtssaison", so Krämer. "Aber inzwischen ist die Stimmung am Markt eher zu positiv." Der Anlagestratege rechnet daher mit einer erneuten Korrektur in den nächsten Wochen. "Wir sollten diesmal aber deutlich über dem vorigen Tiefstand bleiben."