Nicht nur bei Karstadt und Quelle, auch bei der Deutschen Post geht wegen der Pleite des Handelskonzerns die Jobangst um.

Hamburg. Bis zuletzt hatten die 50.000 Mitarbeiter des Handels- und Touristikkonzerns Arcandor gehofft, doch gestern erhielten sie die traurige Gewissheit: Ihr Unternehmen wird zerschlagen. Tausende Jobs fallen weg. "Im Kern halten wir alle Bereiche des Konzerns für überlebensfähig", sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Er will für die beiden Arcandor-Töchter Käufer finden.

Für Primondo/Quelle gebe es bereits acht ernsthafte Interessenten. Daher sei er "verhalten optimistisch", was den Fortbestand des traditionsreichen Versandhändlers angehe. "Es bleibt aber dabei, dass es bei Quelle besonders vieler Anstrengungen zur Rettung bedarf", sagte Görg. Bei Primondo ist bis einschließlich Januar 2010 die Streichung von rund 3700 der 10.500 Stellen geplant. Am stärksten betroffen ist Bayern, wo bis Ende dieses Jahres 1534 Mitarbeiter gehen sollen. Obwohl allein bei Quelle 1800 Jobs gestrichen werden, könnte dem Versender trotz der Rettungsmaßnahmen das Aus drohen: Die Finanzierung sei über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. September hinaus nicht gesichert, weil die Hausbank Valovis zu schlechte Konditionen biete, sagte Görg. Es geht um 300 Millionen Euro. "Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf."

Auch bei Karstadt seien personelle Einschnitte zu erwarten, kündigte der Insolvenzverwalter an, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Von den derzeit 126 Waren- und Sporthäusern kommen 19 nicht profitable Häuser aus elf Bundesländern auf den Prüfstand. Ihnen droht die Schließung. "Das wird zu einem nennenswerten Stellenabbau führen", betonte Görg. Pro Karstadt-Haus sind durchschnittlich zwischen 120 bis 250 Mitarbeiter beschäftigt. "Karstadt soll in seiner wesentlichen Substanz erhalten werden", betonte Görg.

In Hamburg hoffen vom Abendblatt befragte Karstadt- und Alsterhaus-Kunden, dass sie auch weiterhin in den Filialen des Konzerns shoppen gehen können. "Jedes Mal, wenn wir in Hamburg sind, besuchen wir das Alsterhaus. Es wäre blöd, wenn es das Alsterhaus und die Karstadt-Filialen nicht mehr geben würde", sagte der Unternehmer Günter Ketelhohn (65) aus Elmshorn, der gerade im Alsterhaus auf Einkaufstour war. "Ohne das Alsterhaus würde Hamburg etwas fehlen", meinte Verena Caspar (30), Immobilienkauffrau aus Wellingsbüttel.

Unterdessen hat Metro sein Interesse an Karstadt-Häusern bekräftigt. "Wir sind nach wie vor zu Gesprächen bereit", sagte ein Metro-Sprecher. "Wir haben grundsätzlich Interesse an der Übernahme von Karstadt-Filialen." Der Hamburger Versender Otto hingegen ist an einer Übernahme der Primondo-Spezialversender Baby-Walz, Hessnatur, Peter Hahn sowie Madeleine und an den Karstadt-Sporthäusern interessiert.

Verkauft werden soll hingegen die schon an die Banken verpfändete Beteiligung an der Touristiksparte Thomas Cook. Der Verkauf des 43,9-Prozent-Pakets werde zur Entschuldung von Arcandor beitragen, so Görg. Mit den Aktien ist ein ursprünglich 1,5 Milliarden Euro schwerer Kredit besichert, der Görg zufolge nun noch rund 940 Millionen Euro umfasst. Der diesen Betrag übersteigende Verkaufserlös kommt der Insolvenzmasse zugute.

Die Arcandor-Insolvenz reißt auch andere Unternehmen nach unten. So ist etwa die Deutsche Post als größter Logistikpartner direkt betroffen. Die Posttochter DHL wickelt einen Großteil der Lagerhaltung und des Warentransports für Karstadt und Quelle ab. "Wir sind besorgt um die Zukunft unserer Mitarbeiter", sagte Claus Korfmacher, Sprecher der Posttochter DHL.

Rund 3000 DHL-Beschäftigte arbeiten in der Logistik direkt für Arcandor. Weitere rund 1000 Mitarbeiter aus dem Brief- und Paketbereich erledigen Aufträge etwa beim Versand von Katalogen und Paketen. Bislang hatte die Post durch Arcandor einen Schaden von 40 Millionen Euro. Der Essener Energiekonzern RWE sitzt auf einer Stromrechnung von rund einer Million Euro, sagte Finanzchef Rolf Pohlig. Auch Vattenfall ist nach Abendblatt-Informationen betroffen. Das Unternehmen ist der Stromversorger von Karstadt und dem Alsterhaus in Hamburg.