Angeblich kostet die Wirtschaftskrise Hapag-Lloyd jeden Monat rund 100 Millionen Euro. Für frisches Kapital braucht die Reederei eine Bürgschaft.

Hamburg. Der Aufsichtsrat der angeschlagenen Hamburger Reederei Hapag-Lloyd wird heute den Weg für einen Antrag auf eine Bürgschaft des Bundes frei machen. Nach Informationen des Abendblatts muss der Hapag-Lloyd-Vorstand diesen Antrag jetzt stellen, damit das Bundeswirtschaftsministerium noch vor der Bundestagswahl am 27. September darüber entscheiden kann.

Die Aussicht, dass Hapag-Lloyd die dringend nötige Bürgschaft erhält, sind nach übereinstimmender Meinung aus dem Unternehmen, der Branche und der Politik gut. "Dies ist ein klassischer Fall für ein Unternehmen, das durch die Wirtschaftskrise in Not geraten ist und nicht durch Managementfehler", sagte ein Insider dem Abendblatt. Damit sei das Hauptkriterium für öffentliche Hilfe aus dem "Deutschlandfonds" erfüllt, den die Bundesregierung zur Bekämpfung der Rezession eingerichtet hat.

Hapag-Lloyd macht nach unbestätigten Informationen derzeit monatlich rund 100 Millionen Euro Verlust. Für die kommenden 18 Monate braucht das Unternehmen rund 1,75 Milliarden Euro frisches Kapital. Etwa eine Milliarde Euro davon soll ein Bankenkonsortium finanzieren - dafür benötigt Hapag-Lloyd die Bürgschaft des Bundes. Die bekommt die führende deutsche Reederei allerdings nur, wenn ihre Anteilseigner verbindlich erklären, wie die übrigen 750 Millionen Euro finanziert werden sollen.

Kühne fordert mehr Anstrengungen

330 Millionen Euro an frischer Liquidität erhält Hapag-Lloyd bereits durch den Verkauf eines 25-prozentigen Anteils am HHLA-Containerterminal Altenwerder. Diesen Anteil kaufen der TUI-Konzern, die Stadt Hamburg und die Versicherung Signal Iduna. Sie gehören zum Kreis der Anteilseigner von Hapag-Lloyd, ebenso wie der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, die HSH Nordbank, die Bank M.M. Warburg sowie die Versicherung HanseMerkur.

Außer TUI sind alle Miteigner von Hapag-Lloyd im Konsortium Albert Ballin zusammengeschlossen, das einen Anteil von insgesamt 57 Prozent an der Reederei hält. Schwierig ist die Lage vor allem innerhalb des Konsortiums. Kühne hatte TUI zuletzt im Alleingang öffentlich unter Druck gesetzt, Hapag-Lloyd finanziell zu entlasten. Die Reederei gehörte dem Touristikkonzern in Hannover bis zum März komplett. Außerdem forderte Kühne stärkere Sparanstrengungen vom Vorstand. Er formulierte wiederholt strenge Anforderungen, damit er eine Kapitalerhöhung im Umfang seines Anteils an der Reederei mittragen könne. Alle anderen Gesellschafter haben einer Kapitalerhöhung bereits grundsätzlich zugestimmt.

Der Vorstand der Reederei muss mit einem umfangreichen Sparprogramm zu der Stützungsaktion beitragen. Mithilfe der Unternehmensberatung Roland Berger hat die Führung von Hapag-Lloyd bislang eine Senkung der jährlichen Kosten von 560 Millionen Euro erarbeitet.

Unternehmensberatungen durchleuchten die Firma

Die Unternehmensberatung Ernst & Young soll diese Rationalisierung auf Plausibilität überprüfen. Das Bundeswirtschaftsministerium wird den Antrag von Hapag-Lloyd und das Sparprogramm dann noch einmal durchleuchten lassen, und zwar von der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers.

Bis zur Entscheidung des Ministeriums, die für Mitte September erwartet wird, müssen sich die Anteilseigner sowie die beteiligten Banken endgültig auf die Bereitstellung von Eigen- und Fremdkapital für die Reederei verständigen. Nach Informationen des Abendblatts gehören zu der Bankengruppe, die Hapag-Lloyd finanziert, zehn bis zwölf Institute. An der Spitze stehen die HSH Nordbank, die HypoVereinsbank, die staatliche KfW-Bank sowie die Commerzbank.

Die Schifffahrtsbranche durchläuft derzeit die schwerste Krise seit Jahrzehnten. Der Hapag-Lloyd-Vorstand wird nach Informationen des Abendblatts die Möglichkeiten einer Fusion mit einem Konkurrenten intensiver prüfen, sobald die mittelfristige Finanzierung gesichert ist.