Bisher trainieren 29 Gesellschaften entlassene Mitarbeiter in Hamburg. Die Angebote werden stark gefragt.

Hamburg. An den 31. März dieses Jahres erinnert sich Antje Wohlers nur ungern. Es war ihr letzter Tag bei Stankiewicz, dem Harburger Autozulieferer. Nach Jahren ihres vollen Engagements in der Personalabrechnung. Die Mutter von zwei Kindern hatte die Kündigung bekommen, weil Stankiewicz durch die Autokrise zahlungsunfähig geworden war. "Das ist seelisch eine Katastrophe", beschreibt die 43-Jährige. "Plötzlich ohne Arbeit, obwohl man gar nichts dafür kann."

Doch dann kam die Rettung in der Not: Als einziger Standort der Stankiewicz-Gruppe erkämpfte sich Hamburg nicht zuletzt durch den großen Einsatz des Betriebsrats eine Transfergesellschaft. "Wir waren so froh und dankbar", sagt Antje Wohlers, die schon nach wenigen Wochen das höchste und erfreulichste Ziel einer solchen Auffanglösung erreicht hat: einen neuen Arbeitsvertrag, bei einem Mittelständler in Schenefeld. Durch Eigeninitiative, aber auch durch die Bewerbungstrainings und den Zuspruch ihres Betreuers in der Transfergesellschaft war für Antje Wohlers plötzlich die Welt wieder in Ordnung.

Transfergesellschaften wie bei Stankiewicz werden in der Wirtschaftskrise mehr und mehr zum Alltag gehören. Aktuelle, prominente Fälle sind derzeit Karmann, Woolworth oder die SSW-Werft. "Die Zahl wird bald steigen, sobald die betriebsbedingten Kündigungen durch die Krise zunehmen", sagt Rolf Steil, Chef der Hamburger Arbeitsagentur. Der Dienstleister m.o.v.e. hr aus Winterhude, der Firmen bundesweit bei Transferprozessen unterstützt und auch die Auffanggesellschaft der Stankiewicz betreibt, hat bereits zu Beginn der Krise Ende 2008 so viele Aufträge bekommen wie sonst im ganzen Jahr nicht. Die Agentur für Arbeit zählt in der Hansestadt derzeit 29 Betriebe mit Transfergesellschaften. Zuletzt betrieben neben Stankiewicz auch die Conti-Tech in Harburg, die ehemalige Phoenix und das Alu-Werk Transfergesellschaften. In der Planung sind Auffanggesellschaften bei der Otto-Tochter Hermes und dem Halbleiterproduzenten NXP.

In Hamburgs Nachbarland Niedersachsen haben allein im Mai 24 neue Betriebe das Transferkurzarbeitergeld beantragt, sagt der Sprecher der Regionaldirektion der Arbeitsagentur, Michael Köster. Die Zahl der Mitarbeiter, die Transferkurzarbeitergeld erhalten, stieg von Januar bis Mai von 108 auf 718.

Für die Arbeitsagentur und die Politik haben die Transfergesellschaften den Vorteil, dass die hier angestellten Menschen in keiner Arbeitslosenstatistik auftauchen. Sie sind für bis zu zwölf Monate in der Auffanggesellschaft angestellt, bekommen 60 bis 67 Prozent ihres letzten Nettogehalts als Transferkurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit und vor allem Hilfe für ihre berufliche Neuorientierung. Dazu Weiterbildungen, Englischkurse, Praktika oder Führerscheine und den Imagevorteil, sich nicht aus der Arbeitslosigkeit heraus bewerben zu müssen. In der Transfergesellschaft von Stankiewicz haben sich viele ehemalige Mitarbeiter, die zuvor meist in der Produktion gearbeitet haben, für einen völlig neuen Berufsweg entschieden. "So bewerben sich einige Männer als Hausmeister oder Lkw-Fahrer und eine gewerbliche Mitarbeiterin als Altenpflegerin", erzählt Anne-Christin Schembecker von m.o.v.e über ihre Schützlinge. Die Chance, innerhalb der Zeit bei der Transfergesellschaft oder bis sechs Monate danach einen Neustart zu schaffen, liegt bei m.o.v.e bei 50 bis 80 Prozent. Natürlich hänge die Vermittlungsquote, die offiziell von der Arbeitsagentur nicht erhoben wird, stark von der Branche, der Region und der Qualifikation der Arbeitskräfte ab, sagt die Personalexpertin.

Doch nicht nur für Betroffene wie Antje Wohlers ist eine Transfergesellschaft bei Entlassungen das kleinere Übel, sondern auch für Unternehmen. Sie ist für Firmen so etwas wie eine Versicherung gegen teure Kündigungsschutzklagen. Der Arbeitnehmer gibt mit dem Eintritt in die Gesellschaft seine Rechte ab, gegen die Kündigung vorzugehen: Er unterschreibt einen Aufhebungsvertrag.