Ablösung soll am 12. August beschlossen werden. Nachfolger steht parat. Landesregierung in Hannover erbost.

Hamburg/Hannover. Der Machtkampf um das Schicksal des Hannoveraner Autozulieferers Continental fordert ein weiteres Opfer: Nach einer Aufsichtsratssitzung, die wohl als eine der turbulentesten des Unternehmens in die Geschichte eingehen wird, zeichnet sich ab, dass Conti-Chef Karl-Thomas Neumann seinen Hut nehmen muss. Sein designierter Nachfolger ist Elmar Degenhart. Der 50 Jahre alte Chef der Automobilsparte des Conti-Großaktionärs Schaeffler war bereits Mitglied der Geschäftsleitung der Continental-Tochter Teves.

Neumann droht nach nicht einmal einem Jahr an der Unternehmensspitze das Aus. Eigentlich wollte die von Schaeffler dominierte Arbeitgeberbank im Aufsichtsrat den 48-Jährigen bereits auf einer Sitzung in der Nacht zum Freitag stürzen. Nur dem Widerstand der Arbeitnehmerseite hatte er es zu verdanken, dass ihm noch eine Gnadenfrist bis zum 12. August bleibt. Dann tritt der Aufsichtsrat nochmals zusammen. Bei der zweiten Abstimmung reicht die einfache Mehrheit des Gremiums. Und die liegt wegen der Doppelstimme des Vorsitzenden bei der Arbeitgeberseite.

Neumann hatte Schaeffler zuvor massiv gegen sich aufgebracht. Mit Blick auf die Hängepartie bei den Verhandlungen über eine mögliche Fusion beider Firmen warf Neumann dem fränkischen Unternehmen vor, Vorschläge von Conti zu einem gemeinsamen Konzern zu blockieren. Eigentümerin Maria-Elisabeth Schaeffler und Geschäftsführer Jürgen Geißinger hätten durch ihr Verhalten "in erheblichem Maße" den Unternehmenswert von Continental zerstört, so Neumanns Anklage.

Immerhin konnte sich Neumann beim Aufsichtsrat mit seinem Plan einer Kapitalerhöhung von bis zu 1,5 Milliarden Euro durchsetzen, die von Schaeffler zunächst sehr skeptisch gesehen wurde. Damit soll der klamme Konzern auf eine finanziell solidere Basis gestellt werden. Conti hat durch die Übernahme der Sparte VDO von Siemens zehn Milliarden Euro Schulden. Schaeffler steht wegen der Conti-Übernahme mit elf Milliarden Euro in der Kreide. Nach Meinung von Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer bietet die Kapitalerhöhung aber nur kurzfristig Hilfe. "Denn künftig müssen mehr Aktien als bisher mit einer Dividende bedient werden. Dieses Geld, das die Aktionäre bekommen, kann Continental nicht mehr investieren, um Wachstum zu generieren." Neumann wäre bereits der zweite Conti-Chef, der im Gezerre mit Schaeffler gehen müsste. Im August 2008 hatte der langjährige Vorstandschef Manfred Wennemer das Handtuch geworfen, im Januar 2009 der Aufsichtsratschef Hubertus von Grünberg.

Analysten fürchten wegen des Machtkampfs großen ökonomischen Schaden für beide Konzerne. "Wenn die Platzhirsche meinen, sie müssten sich ein Scharmützel liefern, kann sich die Konkurrenz ein größeres Stück vom Markt sichern", sagt Robert Halver von der Baader Bank.

Nun hat sich offensichtlich Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Machtkampf eingeschaltet. Er mahnte laut "Welt" die Vertreter der Schaeffler-Gruppe zur Einhaltung ihrer Investorenvereinbarung. Dort hatte Schaeffler zugesichert, die Strategie des Vorstands unter Beibehaltung des bisherigen Markt- und Markenauftritts zu unterstützen. Zudem versprach Schaeffler Conti, keine Veränderungen in Bezug auf Unternehmensform, Sitz, Konzernzentrale und Geschäftsbereiche gegen den Willen des Konzerns zu fordern.

Die Gewerkschaften IG Metall und IG BCE sowie das Land Niedersachsen kritisierten die Demission Neumanns. "Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass Karl-Thomas Neumann und die von ihm vorgelegten Konzepte am besten geeignet sind, die Zukunft der Conti-Schaeffler-Gruppe und deren Beschäftigten langfristig zu sichern", sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Laut Werner Bischoff von der IG BCE steht weiterhin der Zusammenschluss von Schaeffler und Conti auf der Tagesordnung. "Aber gleichzeitig sollten beide Unternehmen separat versuchen, wieder Tritt zu fassen."