Der Inhaber der Schuhkette Görtz spricht im Abendblatt-Interview über Durststrecken, Chancen des Internets und den Einzelhandel in Hamburg.

Hamburg. Abendblatt:

Wie hart trifft Sie die Wirtschaftskrise, Herr Görtz?

Ludwig Görtz:

Wir lassen uns nicht beirren und setzen unseren Expansionskurs auch in diesem Jahr fort. Jetzt ist die Gelegenheit günstig, um unseren Marktanteil in Deutschland zu vergrößern. Nach 17 neuen Schuhläden 2008 werden wir auch in diesem Jahr 14 neue Filialen vor allem in mittelgroßen Städten eröffnen.

Abendblatt:

Schaffen Sie auch neue Arbeitsplätze?

Görtz:

Die Zahl der Mitarbeiter wird voraussichtlich um 180 auf rund 3500 noch in diesem Jahr steigen.

Abendblatt:

Und von der allgemeinen Konsumzurückhaltung spüren Sie gar nichts?

Görtz:

Doch, wir spüren schon, dass die Kunden weniger Schuhe kaufen. Vor allem die neu eröffneten Filialen brauchen jetzt deutlich länger, um eine angemessene Profitabilität zu erreichen. Waren es früher zwei bis drei Jahre, so rechnen wir jetzt mit drei bis vier Jahren, bis es geschafft ist.

Abendblatt:

Und diese Durststrecke können Sie überbrücken?

Görtz:

Wir arbeiten hart daran, die hohen Investitionen im Ergebnis wieder zu erwirtschaften und im zweiten Halbjahr dieses Jahres die entsprechend ehrgeizigen Ziele zu erreichen.

Abendblatt:

Aber die Expansion geht auf Kosten des Gewinns.

Görtz:

Zunächst einmal ist das richtig. Unser Umsatz wird 2009 voraussichtlich im zweistelligen Prozentbereich auf mehr als 300 Millionen Euro steigen, der Gewinn eher sinken. Doch wenn die Krise vorbei ist, haben wir mit dieser Strategie in vielen deutschen Städten die Marktführerschaft beim Verkauf hochwertiger Schuhe erreicht.

Abendblatt:

Sind die neu eröffneten Geschäfte Ihre einzigen Umsatztreiber?

Görtz:

Wir wachsen auch stark im Internet. Hier liegen die Zuwächse bei 50 Prozent jährlich. Insgesamt erwirtschaften wir mittlerweile fast ein Zehntel unserer gesamten Erlöse im weltweiten Datennetz.

Abendblatt:

Es ist schwer vorstellbar, dass der Schuhhandel im Internet funktioniert. Sehr viele Modelle müssen Ihnen doch zurückgeschickt werden, weil sie nicht richtig passen.

Görtz:

Die Retouren sind - wie im Onlinehandel insgesamt - sehr hoch, aber das Geschäft rechnet sich trotzdem. Das Internet ist für uns ein Weg, auch dort Schuhe zu verkaufen, wo wir mit unseren Filialen nicht präsent sind. Außerdem haben wir auch in unseren kleineren Geschäften Terminals aufgestellt, von denen aus die Kunden direkt im Netz bestellen können. Dadurch erweitern wir das Angebot in den Filialen, die nur über einen kleinen Lagerraum verfügen.

Abendblatt:

Im vergangenen Jahr haben Sie das erste Schuhgeschäft nur für Kinder gestartet. Hat sich das Konzept bewährt?

Görtz:

Es läuft besser als erwartet. Die Kinder können dort herumtollen und alles ausprobieren. Ich war ehrlich gesagt etwas skeptisch, ob wir damit Erfolg haben würden. Aber der Standort im Alstertal-Einkaufszentrum ist ideal, weil in der Umgebung viele Familien mit Kindern wohnen.

Abendblatt:

Sind weitere Kinderläden geplant?

Görtz:

Es ist schwierig, ähnlich gute Standorte wie im AEZ zu finden. Daher gibt es im Augenblick noch keine konkreten Pläne.

Abendblatt:

Der Einzelhandel insgesamt stellt sich in diesem Jahr auf ein Umsatzminus ein und hat mit zahlreichen Pleiten zu kämpfen. Haben Sie eine Idee, wie es wieder aufwärts gehen könnte?

Görtz:

Ganz wichtig wäre es, die Unternehmenssteuerreform wieder rückgängig zu machen, die den Einzelhandel über Gebühr belastet. Es ist nicht zu begreifen, dass die Händler auf ihre Mieten auch noch Steuern zahlen sollen. Das wirkt in der jetzigen Situation krisenverschärfend und kann manch einen Unternehmer die Existenz kosten.

Abendblatt:

Was muss konkret in Hamburg passieren?

Görtz:

Ich würde mir wünschen, dass die Stadt Hamburg neue Flächen für den Einzelhandel entwickelt. Besonders gut geeignet ist das Kontorhausviertel rund um das Chilehaus, das eine Verbindung zwischen Innenstadt und HafenCity bilden kann. Großes Potenzial hat auch das historische Gängeviertel zwischen Valentinskamp, Caffamacherreihe, Speckstraße und Bäckerbreitergang.

Abendblatt:

Platz für noch mehr neue Filialen? Wir haben doch ohnehin schon einen gewaltigen Überhang an Verkaufsfläche in der Hansestadt.

Görtz:

Es geht darum, vor allem die kleinen Geschäfte wieder zurück in die Innenstadt zu holen. Wo gibt es denn heute noch ein ausgewiesenes Delikatessengeschäft, einen Fleischer oder ein Fischfachgeschäft in der City? Wir brauchen nicht nur die großen Warenhäuser oder die großen Görtz-Filialen, sondern eben auch jene kleine Läden, die die Vielfalt des Handels ausmachen.

Abendblatt:

Die bekommen Sie aber nur in die Stadt, wenn Sie auch entsprechend niedrige Mieten anbieten. Wie soll das in einer zentralen Lage funktionieren?

Görtz:

Ich bin davon überzeugt, dass die Ladenmieten aufgrund des Verkaufsflächenüberhangs und der Wirtschaftsflaute dauerhaft sinken werden. Die Vermieter werden einsehen, dass sie zu den bisherigen Konditionen nicht mehr weitermachen können. Dann hätte die Krise auch eine positive Seite gehabt.