Abfindung von insgesamt 250 Millionen Euro für Vorstandschef Wendelin Wiedeking im Gespräch.

Hamburg. Ein ausgelassener Abend in Harry's New-York-Bar im Berliner Hotel Esplanade. Wendelin Wiedekings blaue Augen leuchten hinter der Brille um die Wette mit den Gläsern an der lang gestreckten Bar, an der sich die Nachtschwärmer noch einen Absacker gönnen. Es ist fast Mitternacht. Für den 56-Jährigen noch lange kein Grund zum Aufbruch, der Westfale kann genauso gut lange feiern wie früh aufstehen und amüsiert sich am nächsten Morgen gerne mit launigen Bemerkungen über die müden Gesichter seiner Kollegen. Er lässt die Eiswürfel ein letztes Mal in seinem Gin Tonic rotieren, der herbeigerufene Barchef zündet dem prominenten Gast eine Zigarre an und Wiedeking ordert eine Magnumflasche Champagner. Dann stößt er im Kreise einiger Unermüdlicher von Porsche, Bekannten aus Stuttgart und Journalisten an und scherzt über Neider und Kritiker, die ihn niemals für möglich gehalten haben, seinen größten Coup: Dass er mit seiner "Sportwagenklitsche" kurz vor der Übernahme des größten europäischen Autobauers steht und dass sein Finanzchef Holger Härter, "der ist geniaaal", die gesamte Börsenwelt an der Nase herumführt. Das war Ende 2007.

Spätestens gestern wurde immer deutlicher, dass die Party für Wiedeking wohl vorbei ist. Denn der Porsche-Aufsichtsrat kam nach Angaben aus Unternehmenskreisen überraschend schon am Mittwochabend zusammen, um über die Zukunft des hoch verschuldeten Sportwagenbauers zu beraten und offenbar auch die Führungsfrage zu klären. Ursprünglich wollten die Kontrollgremien erst heute auf getrennten Sitzungen über einen Rettungsplan und die Zusammenarbeit mit VW entscheiden. Wiedeking sollte noch ein letztes Mal sein Konzept vortragen dürfen. Für den Einstieg Katars bei Porsche werben. Doch bereits in den vergangenen Wochen zeichnete sich immer deutlicher ab, dass die Familien Piëch und Porsche längst an einem anderen Modell arbeiteten. Nicht der kleine Sportwagenbauer sollte sich VW einverleiben, sondern Porsche als zehnte Marke im VW-Imperium aufgehen. Zu hoch wurde die Schuldenlast, die auf den Zuffenhausenern lastete. Und die Scheichs aus Katar waren offensichtlich auch nicht länger bereit, sich auf ein waghalsiges Abenteuer bei Porsche einzulassen. So soll Katar nun offenbar direkt mit 15 bis 20 Prozent bei VW einsteigen. 20 Prozent verbleiben bei Niedersachsen, die Familien Porsche und Piëch sollen die Mehrheit halten. Die Wolfsburger würden gleichzeitig in einem ersten Schritt knapp 50 Prozent an Porsche übernehmen und später auf 100 Prozent aufstocken können.

Für Wiedeking ist in diesem neuen Machtgefüge kein Platz mehr. Ohnehin hätte sich der selbstbewusste Manager nicht mit der Rückbank zufriedengegeben, während andere das Steuer im Volkswagen-Konzern in der Hand halten und die Richtung bestimmen. "Jederzeit absolut unabhängig sein, im Denken wie im Handeln", dieses Motto Wiedekings verbietet ihm, sich bei VW unterzuordnen. Schließlich war Wiedeking für Porsche stets mehr als ein Angestellter. Er steht mit seiner Absage an Quartalsberichte und Subventionen auch als Person für jene querköpfige Unabhängigkeit, die sich so mancher Kunde mit einem Porsche zu erkaufen versucht.

Diese Rolle, die Wiedeking als Beigabe zu seinen wirtschaftlichen Erfolgen perfekt spielte, machte ihn viele Jahre lang zu einer Lebensversicherung für die Familie Porsche. Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche (66), der in dem Clan als leiser, vermittelnder Mensch gilt, brauchte einen starken Manager. Den fand er in Wiedeking, der aus einem schwer ins Schlingern geratenen Unternehmen ein Juwel machte, den zeitweise erfolgreichsten Autohersteller der Welt. Der Börsenkurs schoss in nie gekannte Höhen, mehrte das Vermögen der Anteilseigner - doch das zählte in den vergangenen Wochen offensichtlich nicht mehr. Denn mit den ehrgeizigen Übernahmeplänen von VW war Porsche längst wieder ins Schleudern geraten. "WoPo", wie der Spitzname des gebürtigen Stuttgarters lautet, verbindet mit Wiedeking ein enges und freundschaftliches Verhältnis. Doch sein Vetter Ferdinand Piëch (72), der Aufsichtsratschef von VW, sitzt seit Wochen einfach am längeren Hebel. Schließlich ist Porsche auf eine Kapitalspritze des Piëch-Clans angewiesen. Freundschaft hin oder her. Heute um 13.15 Uhr will Wolfgang Porsche zumindest noch mal vor die Belegschaft im Werk Zuffenhausen treten. Es wird wohl die Zeit für Erklärungsversuche sein. Und womöglich für die Vorstellung eines Nachfolgers. Produktionsvorstand Michael Macht ist im Gespräch.

Bleibt die Frage nach Wiedekings Abfindung: dass ein Betrag von 250 Millionen Euro im Gespräch ist, beweist einmal mehr den Glauben an Wiedekings kaufmännisches Geschick.