Schifffahrts-Markt erholt sich nicht. Gesellschafter uneins über Sanierungskonzept. 300 Millionen Euro fehlen kurzfristig.

Hamburg. Es ist bittere Ironie. Im zurückliegenden Jahr kämpfte Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd um die Eigenständigkeit. Die steht nun mehr denn je in Frage, gerade weil sie bislang erhalten wurde. Die Weltwirtschaftskrise hat die fünftgrößte Containerlinie wirtschaftlich an die Wand gedrückt. Ging es zunächst um Einsparungen von rund 400 Millionen Euro jährlich, streiten die Gesellschafter nun über die Beschaffung von 1,7 Milliarden Euro für die Finanzierung der kommenden 18 Monate. 700 Millionen davon könnten - so die Diskussion - als Kapitalspritze von den Gesellschaftern kommen, eine Milliarde Euro als Kredite, verbürgt vom Bund und dem Land Hamburg. Doch welcher Gesellschafter zahlt für die Rettung wie viel?

Im März war die Mehrheit von 57 Prozent endgültig an Hapag-Lloyd vom TUI-Konzern in Hannover an das Hamburger Konsortium Albert Ballin gefallen, nach monatelangem Bieterkampf mit der Reederei NOL aus Singapur und nach weiteren zähen Verhandlungen. Viele in der Stadt hatten sich das gewünscht: Das Vorzeigeunternehmen der Hamburger maritimen Wirtschaft bleibt selbstständig, und die Zentrale an der Binnenalster. TUI hält zunächst weiterhin 43 Prozent der Anteile. Der Stadt gehören durchgerechnet 25 Prozent, dem Unternehmer Klaus-Michael Kühne 15 Prozent. Weitere Gesellschafter sind die HSH Nordbank, die Bank M.M. Warburg und die Versicherungen Signal Iduna und Hanse Merkur.

Nach Informationen des Abendblatts hat der Hamburger Senat den anderen Gesellschaftern deutlich gemacht, dass er nicht bereit sei, seinen Anteil zu erhöhen. Es sei nicht damit zu rechnen, dass Hamburg den privatwirtschaftlichen Gesellschaftern von Hapag-Lloyd "aus der Patsche" helfen werde. "Die Botschaft ist angekommen, dass es nur eine gemeinsame Lösung geben kann", hieß es aus Senatskreisen. Das bedeutet: Mit mehr als 170 Millionen Euro zusätzlich wird sich die Stadt nicht an der Rettungsaktion für die Reederei beteiligen - entsprechend ihrem jetzigen Anteil an Hapag-Lloyd.

Die Unternehmensberatung Roland Berger präsentierte den Spitzen der schwarz-grünen Koalition gestern einen Zwischenbericht zur finanziellen Lage der Reederei. Nach Informationen des Abendblatts wurde dabei deutlich, dass es einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf in Höhe von rund 300 Millionen Euro gibt. Roland Berger soll eine Expertise über die langfristigen Perspektiven von Hapag-Lloyd erarbeiten. Am 7. August wollen sich die höchsten Repräsentanten der Anteilseigner in Hamburg treffen, um einen Stützungsplan zu beschließen. Heute will Finanzsenator Michael Freytag (CDU) den Haushaltsausschuss der Bürgerschaft über die Lage bei Hapag-Lloyd informieren. Auch ein Vertreter von Roland Berger soll vortragen.

Die interne Diskussion gewinnt an Druck, weil eine Trendwende am Containerschiffsmarkt nicht in Sicht kommt. Alle großen, international operierenden Containerlinien fahren derzeit hohe Verluste ein, bei Hapag-Lloyd waren es im ersten Quartal allein 222 Millionen Euro. Grund dafür sind nicht nur die stark gefallenen Transportmengen, sondern auch der Absturz der Transportpreise, der sogenannten Frachtraten. Wegen der hohen Überkapazitäten am Schiffsmarkt dürften sich die Raten auch dann nicht deutlich erholen, wenn die Transportmengen wieder steigen. "Es gab in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Ankündigungen der Reedereien, die Frachtraten auf bestimmten Linien wieder zu erhöhen", sagte Professor Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen dem Abendblatt. "Die meisten Erhöhungen lassen sich am Markt allerdings nicht durchsetzen."

Seit Monaten wird in der Branche über Fusionen spekuliert, mit denen die Reedereien auf die Wirtschaftskrise reagieren könnten. Auch bei den Hapag-Lloyd-Eignern scheint ein Zusammenschluss mit einem Konkurrenten kein Tabu mehr zu sein.