Die deutsche Werbebranche blickt pessimistisch in die Zukunft. Abendblatt.de sprach mit dem Deutschland-Chef von Scholz & Friends, Frank-Michael Schmidt, über die Werbung der Zukunft.

Hamburg. Die deutsche Werbebranche blickt zunehmend pessimistisch in die Zukunft. So entwickeln sich die Umsätze der Werbe- und Kommunikationsagenturen schlechter als zu Beginn des Jahres angenommen. Das ergab eine Umfrage, die der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) im April und Mai vorgenommen hatte.

Noch im Frühjahr hatten die Agenturen eine stagnierende Umsatz- und Renditeentwicklung prognostiziert. Im Vergleich zum Vorjahr rechnen die Agenturchefs jetzt mit Umsatzrückgängen von durchschnittlich sieben bis acht Prozent. "Die Krise zieht weitere Kreise und wird für immer mehr Unternehmen spürbar", sagt GWA-Präsident Peter John Mahrenholz über das Ergebnis der Umfrage. Über die Lage der Firmen sprach das Abendblatt mit Frank-Michael Schmidt, dem Chef von Scholz & Friends, der größten unabhängigen deutschen Werbeagentur.

Abendblatt: Herr Schmidt, wie steht Ihre Branche da?

Frank-Michael Schmidt: Wir leben nicht auf einem anderen Planeten, sondern sind Teil des Wirtschaftssystems. Agenturen haben besonders im Bereich der klassischen Werbung unter den Kürzungen der werbetreibenden Industrie zu leiden. Vor allem kleine Agenturen, deren Geschäft von wenigen Kunden abhängt, haben keinen Puffer, um drastische Kürzungen abzufedern. Unsere Branche muss sich zwei Herausforderungen stellen: der Wirtschaftskrise sowie dem Strukturwandel der Medienlandschaft, der sich unter diesen Bedingungen beschleunigt vollzieht.

Abendblatt: Was heißt das genau?

Schmidt: Das Fernsehen hat als Leitmedium abgedankt. Heute lockt es nur noch bei Großereignissen - wie einer Fußball-WM - die Massen vor den Bildschirm. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Kanäle durch das Internet vervielfacht, insbesondere durch den Rückkanal, der aus Rezipienten Produzenten macht. Wenn noch vor ein paar Jahren ausschließlich das TV-Gerät ein privates Publikum um sich versammelte, gewinnt heute die Interaktion der Communities rasant an Bedeutung. Erfolgreiche Marketingkommunikation muss den Menschen dort begegnen, wo sie sich aufhalten: medial und im wirklichen Leben. Nur wer das schafft, wird zu den Gewinnern des Wandels gehören.

Abendblatt: Wie genau sieht Ihrer Meinung nach denn die moderne Kommunikation aus?

Schmidt: Sie beschränkt sich nicht darauf, einen Spot in einem Werbeblock oder im Radio zu schalten und eine Anzeigen- oder Plakatkampagne zu entwerfen. Der Wahlkampf von Barack Obama hat gezeigt, wie wirkungsmächtig die Nutzung von YouTube, von Social-Media-Plattformen oder personalisiertem Mail-Versand sein kann. Ergänzt um die Erfahrung der ganzheitlichen Botschaft im wirklichen Leben.

Abendblatt: Die Deutschen sind aber anders als die Amerikaner, das System Obama muss hier nicht funktionieren.

Schmidt: Das stimmt zweifelsohne auf dem Sektor der Politik. Interessanterweise gewinnt die "Methode Obama" in der Wirtschaftskommunikation an Bedeutung. Marken müssen deutlicher auf ihre Zielgruppen zugeschnittene Lösungen anbieten, die von einer Leitidee getragen werden. Die Kreativität der Zukunft wird in einem hohen Maß eine Kreativität der Kanäle sein. Es geht darum, Online und Social Media, Events, Dialogmarketing und Public Relations, Print und TV zu vernetzen und in eine Dramaturgie einzubinden. Kernpunkt muss eine Botschaft sein, die relevant und interessant ist.

Abendblatt: Meinen Sie, wer da nicht mithalten kann, wird keine großen Etats mehr erhalten?

Schmidt: Ich bin überzeugt, dass es eine ausschließlich auf klassische Werbung, Print und TV spezialisierte Agentur künftig schwer haben wird. Die Entwicklung geht in Richtung einer orchestrierten Kommunikation, die aus unterschiedlichen Disziplinen ein abgestimmtes Gesamtpaket für die zu bewerbende Marke schnürt. In einem sich verschärfenden Verdrängungswettbewerb wird sich an dieser Frage die Spreu vom Weizen trennen. Denn die Werbegelder werden nicht mehr, sie werden nur anders aufgeteilt.

Abendblatt: Werden im Zuge der Veränderungen einige Agenturen von der Bühne verschwinden?

Schmidt: Die Szenarien sind vielfältig. Dass es einen Konsolidierungsprozess geben wird, scheint sicher. Einige kleinere Agenturen werden Stück für Stück vom Markt verschwinden. Andere werden sich in einem größeren Agenturverbund weiterentwickeln. Drittens wird es aber in Zukunft noch Raum für Spezialisten geben, sofern sie ein Alleinstellungsmerkmal besitzen.

Abendblatt: Welche Rolle soll Scholz & Friends in dieser Neuordnung spielen?

Schmidt: Scholz & Friends hat sich bereits konsequent von einer Werbeagentur zu einer Kommunikationsgruppe entwickelt, die Disziplinen wie unter anderen Public Relations, Dialogmarketing, Events, Online und Social Media abdeckt. Diesen Kurs des qualitativen Ausbaus unserer Gruppe werden wir auch weiter verfolgen. Mittelfristig sehen wir uns darüber hinaus als einen der Treiber des Konsolidierungsprozesses in der Branche. Das Hauptaugenmerk liegt aber darin, im Geschäft für unsere Kunden zu punkten und neue Kunden zu begeistern. Wir freuen uns, dass nun gerade der neue Markenauftritt von Vodafone das Licht der Welt erblickt hat. Mit Vodafone ist uns der größte Neugeschäftserfolg seit einem Jahrzehnt gelungen.

Abendblatt: Wie wird Ihr Unternehmen 2009 abschneiden?

Schmidt: Die Krise geht auch an einem Teil unserer Kunden nicht spurlos vorüber. Dennoch können wir die Abschmelzungen auf der einen Seite mit Neukundengewinnen und auch wachsenden Disziplinen wie Dialogmarketing balancieren. Unter dem Strich werden wir das Rekordjahr 2008 nicht wiederholen können, aber in Umsatz und Gewinn über den Werten von 2007 liegen. Damit sind wir zufrieden.