Die Furcht vor einer Kreditklemme dämpft Hoffnungen auf eine schnelle Konjunkturerholung in Deutschland.

Mannheim. Erstmals in diesem Jahr beurteilten Börsenexperten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft wieder negativer. Dies hat eine Umfrage unter Anlegern und Analysten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ergeben, die gestern vorgelegt wurde. ZEW-Chef Wolfgang Franz sieht erst 2010 eine Belebung der Konjunktur.

Trotz der jüngsten positiven Signale aus der Wirtschaft werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um etwa sechs Prozent einbrechen, prognostizierte Franz, der auch Vorsitzender der Wirtschaftsweisen ist. In den kommenden Monaten sei mit einer "Wellblechkonjunktur" zu rechnen, also mit Veränderungsraten des Bruttoinlandsprodukts um die Nulllinie herum.

Zum ersten Mal seit neun Monaten ging der ZEW-Index für die Konjunkturerwartungen zurück. Das Barometer fiel überraschend auf 39,5 von 44,8 Punkten im Vormonat. "Ein erhebliches Risiko für die weitere konjunkturelle Entwicklung ist die Frage, wie die Vergabe von Krediten und Haushalten funktionieren wird", begründete das ZEW die eingetrübte Stimmungslage der Börsianer. Am Vortag hatte bereits Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) den Banken vorgeworfen, sie würden zwar von Staat und Zentralbank unterstützt, versorgten aber die Unternehmen nicht ausreichend mit günstigen Krediten.

Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, ermahnte die Banken, in der Krise ausreichend Kredite zu vergeben. Viele Experten befürchten, dass es in den kommenden Monaten zu einer Kreditklemme kommen könnte. Bei einigen Finanzierungen sei dies bereits der Fall. Der norddeutsche AGA-Unternehmensverband für den Groß- und Außenhandel kann noch keine Kreditklemme für seine Mitgliedsunternehmen bestätigen, sagte AGA-Sprecher Holger Eisold dem Abendblatt. Allerdings sei zu befürchten, dass bei künftigen Kreditvergabeverhandlungen die Geschäftsbanken aufgrund eingetrübter Firmenbilanzen ihre Konditionen verschlechtern und Kredite verteuern könnten.

Zuletzt hatten positive Daten zum Auftragseingang und zur Industrieproduktion die Hoffnung auf ein Ende der Rezession beflügelt. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft hielten diesen Optimismus aber für verfrüht, teilte die Dresdner Bank mit. Die deutsche Wirtschaft steckt derzeit in der tiefsten Rezession seit den 1930er-Jahren. Die Bundesregierung hält für das Frühjahr 2010 eine schwarze Null für möglich.