Ein gutes halbes Jahr nach der Fusion der Volksfürsorge und der Münchner Generali Versicherungen kommt es nun zu einer überraschenden Personalie: Jörn Stapelfeld, der frühere Chef der Volksfürsorge in Hamburg, wird nicht wie vorgesehen zum 1. August neuer Vorstandsvorsitzender des fusionierten Unternehmens. Stattdessen muss er zum 31. Juli die Versicherungsgruppe verlassen. Das beschloss deren Aufsichtsrat gestern Nachmittag.

Hamburg. Stapelfeld habe als designierter Vorstandsvorsitzender der Generali Versicherungen und als Leiter des Fusionsprojekts "gute Arbeit" geleistet, für die man ihm ausdrücklich danke, heißt es in einem Schreiben von Dietmar Meister, Chef der Deutschland-Holding des italienischen Generali-Konzerns, an die Mitarbeiter. "Dennoch waren unsere Auffassungen über die Geschäftspolitik, den Fortgang der Integrationsbemühungen sowie die Rolle der Generali Versicherungen im Konzern zu unterschiedlich", schreibt Meister. Deshalb trenne man sich "im beiderseitigen Einvernehmen".

Als Nachfolger von Wilhelm Kittel, der in den Ruhestand tritt, sollte Stapelfeld an die Spitze der Generali Versicherungen rücken. Doch dafür ist nun Winfried Spies (55) vorgesehen, Vorstandsmitglied der Generali Deutschland Holding und früherer Chef der CosmosDirekt.

Hinter dem erzwungenen Abgang von Stapelfeld steckt offenbar nicht etwa Unzufriedenheit mit seinen Leistungen. Man werfe ihm aber vor, in der neuen Konstellation zu sehr die Position der einstigen Volksfürsorge zu vertreten, erfuhr das Abendblatt aus Branchenkreisen. Indirekt bestätigt wird dies durch Passagen in dem Schreiben von Meister, in denen dieser den "gesamtheitlichen Blick" von Spies auf die Gruppe lobt: "Neben dem Einsatz für das jeweilige Konzernunternehmen ist es von elementarer Bedeutung, immer auch die Interessen der gesamten Gruppe, national wie international, zu sehen und bei Entscheidungen entsprechend zu berücksichtigen." Zudem sei Stapelfeld wohl gelegentlich zu selbstbewusst gegenüber der italienischen Konzernführung aufgetreten.

Es sei kein Zufall, dass Stapelfeld das Feld räumen muss, bevor er an die Spitze der Generali Versicherungen rücken konnte, sagte auch Manfred Poweleit, Herausgeber des Branchendienstes Map-Report, dem Abendblatt: "So viel Hamburger Einfluss wollte man in München nicht." Poweleit befürchtet aber, "dass die Generali ohne Stapelfeld noch schwieriger am Markt agieren kann, als sie das ohnehin schon tut, und das Know-how der früheren Volksfürsorge verloren geht".

Als konkreter Anlass für die Personalentscheidung dient offenbar ein Brief Stapelfelds an Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der angeblich unternehmensintern nicht abgestimmt war. In diesem Brief hatte Stapelfeld vor wenigen Tagen darauf hingewiesen, dass die Commerzbank von Oktober 2010 an keine Versicherungsverträge der Generali mehr verkaufen will, sondern nur noch Allianz-Versicherungen - wie schon jetzt die Dresdner Bank, die von der Commerzbank übernommen worden ist. Stapelfeld wollte mit seinem Brief den Bundesfinanzminister dazu bringen, bei der zu 25 Prozent in Staatsbesitz geratenen Commerzbank darauf hinzuwirken, dass künftig Versicherungen beider Anbieter parallel vertrieben werden. Dies begründete Stapelfeld mit Arbeitsplätzen.

"Der Brief an Steinbrück war zwar keine Glanzleistung", meint Branchenexperte Poweleit, "aber am Ende für den Abgang nur vorgeschoben. Es geht um kindliche Befindlichkeiten."

Seit der Fusion firmiert der frühere Hamburger Traditionsversicherer Volksfürsorge nun unter Generali. Der alte Name besteht jedoch als Markenname sowie als Firmenname für die Außendienstdachgesellschaft mit Sitz in Hamburg und bundesweit rund 3500 Beschäftigten weiter. Während Stapelfeld das Lebensversicherungsgeschäft der Generali leitete, war Kittel für die Sachversicherung verantwortlich.

Mit Beitragseinnahmen von 14,2 Milliarden Euro ist die Generali-Gruppe mit ihren Töchtern, darunter die AachenMünchener und die Advocard, nach eigenen Angaben der zweitgrößte Erstversicherer in Deutschland hinter der Allianz.