Nach 73 Jahren ist Schluss für das Unternehmen mit dem ungewöhnlichen Namen. Bauwagen gibt's für 50 Euro.

Hamburg. Bei gefühlten 27 Grad in der Werkshalle und rund 200 Männern, die auf Biergartenbänken gedrängt die Auktion verfolgen, wird Jan Bröker im wahrsten Sinne des Wortes schnell warm. "Der Gehwegfertiger ABG Titan aus dem Jahr 2008", ruft er in die Menge, "schick, und ein nahezu jungfräuliches Gerät", preist er ein stählernes Ungetüm an, als wäre es ein neuwertiger Rennwagen. Keiner meldet sich. "Schweigen?", Bröker macht ein ungläubiges Gesicht. Dann steigern sich manche Käufer doch noch in Begeisterung für das Objekt. "Zum ersten, zum zweiten, zum dritten", und die Baumaschine hat für knapp 50 000 Euro einen neuen Besitzer.

Jan Bröker macht aus der Versteigerung der Maschinen, des Mobiliars und den Transportern aus dem Fuhrpark der insolventen Hamburger Baufirma Kuckuck eine filmreife Show. Er hat schon Flugzeuge von Fairchild Dornier unters Volk gebracht, das Vermögen von BenQ verwertet und zuletzt die Bestände von Rosenthal oder Qimonda begutachtet. Ein Vollprofi.

Mit seinem Auktionshaus Dechow, eines der größten der Branche, wird der Hamburger ein gutes Jahr haben. Es droht eine Pleitewelle, insbesondere in der Hamburger Wirtschaft. Nach einer Prognose des Kreditversicherers Euler Hermes werden die Insolvenzen 2009 in der stark vom schwächelnden Weltmarkt abhängigen Hansestadt um fast 25 Prozent steigen. Erwartet werden 800 Firmenpleiten.

Für einen Versteigerer sind das glänzende Aussichten, auch wenn Bröker über fallende Preise bei den Auktionen klagt. Die meisten Käufer gehören nun mal nicht zu den Krisengewinnern. "Das ist jetzt keine gute Zeit für Verwertungen", sagt Bröker, der an seinem Versteigerungspult bei Kuckuck an diesem Sommertag alles gibt, um sein schwitzendes Publikum aus hemdsärmeligen Handwerkern und krisengeplagten Bauunternehmern immer wieder in Kauflaune zu bringen.

"Ui, ich dachte, da hinten wäre ein Gebot, dabei hat sich nur einer an der Nase gekratzt und hätte jetzt fast einen Steinpaketgreifer an der Hacke gehabt", scherzt der Auktionator. Einige lachen, doch in dem kleinen Schreibraum neben der Auktionshalle sitzt ein Mann, dem so gar nicht nach Scherzen zumute ist.

Reinhard Pastow beugt sich über die Liste der 278 Versteigerungspositionen. Er streicht eine nach der anderen durch. Der Bauwagen, in dem sie es im Winter auf den Baustellen gemütlich hatten. Für 50 Euro ein Schnäppchen. Der Trommelmischer, der bei der Instandsetzung der Elbchaussee und der A1 seine Dienste tat, ist nun auch verkauft.

"Das ist kein schönes Gefühl", sagt der Straßenbauer. "Am liebsten würde ich weglaufen". 14 Jahre lang war der 59-Jährige bei Kuckuck beschäftigt, und nicht nur das: Am Vortag hat er seinen Wohnwagen verkauft, der auf dem Firmengelände in Billbrook stand. Der aus Rügen stammende Maschinist hat bei Kuckuck mitten in dem Industriegebiet zwischen Schrottplätzen und Lagerhallen gewohnt, weil ihm die Miete in Hamburg zu teuer war. Mit dem Ende der Traditionsfirma verliert er nicht nur den Job, sondern seinen Lebensmittelpunkt. "Jetzt muss ich wohl ins Ausland", sagt der Mann in der blauen Arbeitshose mit gesenktem Blick. "In Österreich oder der Schweiz ist das nicht so prekär mit dem Alter".

Peter Fuss, geschäftsführender Gesellschafter von Kuckuck, ist zur Auktion erst gar nicht in die Firma gefahren. "Das tut weh", sagt der Unternehmer am nächsten Tag. 28 Jahre war er bei Kuckuck beschäftigt, seit 18 Jahren als Mitinhaber. Er schaut aus seinem Büro auf das Gelände, wo die Reste seiner Firma auf die neuen Besitzer warten. "Das ist so, als wenn Sie ein Haus gebaut haben und jahrelang darin wohnen. Und dann brennt es ab", sagt der Mann mit den braunen Augen über die Auflösung der Firma nach 73 Jahren.

Die Gründe für die Pleite des Betriebes, der im vergangenen Jahr noch 5,2 Millionen Euro umsetzte, sind eher sachlicher Natur: "Das Preisniveau im Straßenbau ist ruinös", sagt Fuss. Große Konkurrenten wie Strabag oder Eurovia haben dem Mittelständler mit 65 Mitarbeitern dabei ebenso das Wasser abgegraben wie Billiganbieter aus dem Osten. "Außerdem setzt Hamburg das Konjunkturpaket II nur ganz langsam um". Die Infrastrukturmaßnahmen steckten in der Planungsphase fest, die Umsetzung und damit die Aufträge für die Straßenbauunternehmen ließen auf sich warten, kritisiert der Hamburger, der jetzt wieder freiberuflich als Bauingenieur arbeiten will. Und dann die Finanzkrise: Die Baufirmen müssten ihre Projekte vorfinanzieren, aber die Banken seien bei den Krediten vorsichtiger geworden. Auch die Zahlungsmoral sei nicht mehr das, was sie im Heimatland des Pflichtbewusstseins einmal war.

Für Auktionator Bröker dagegen ist die Bezahlung kein Problem. Sein Unternehmen kassiert Bargeld oder bankbestätigte Schecks, plus 15 Prozent Aufgeld für den Versteigerer und Mehrwertsteuer. Vor der Kasse, die sein Versteigerungsbüro im ehemaligen Empfang von Kuckuck eingerichtet hat, bewachen dunkel gekleidete Sicherheitsleute den Flur. Sie gehen vor den Bilderrahmen mit den Gratulationsschreiben zum 50-jährigen Bestehen der Firma auf und ab, als Jan Pleikis den Kassenraum verlässt. Für 3800 Euro hat er acht Verbautafeln zum Abstützen des Erdreichs in Baustellen ersteigert. "Die kosten neu mehr als 10 000 Euro", freut sich der Bauunternehmer aus dem schleswig-holsteinischen Aukrug.

Am Ende des Tages ist auch Auktionator Bröker mit dem Erlös zufrieden: "Wir liegen gut im Plan". Etliche Maschinen mit dem rot-weißen Kuckuck-Logo werden bald wieder auf Baustellen in der Hansestadt im Einsatz sein. Womöglich mit ihren alten Besitzern: Denn mehr als 40 Beschäftigte von Kuckuck haben bereits wieder einen neuen Job, freut sich ihr Ex-Chef Fuss. "Und fast alle in Hamburg".