Der Lübecker Unternehmer Max Schön, Präsident des Club of Rome mit Sitz in Hamburg, spricht über Krisenphänomene, Abwrackprämie und Chancen für den Umweltschutz.

Hamburg. Der Lübecker Unternehmer Max Schön leitet als Präsident die deutsche Sektion des Club of Rome mit Sitz in Hamburg. Die Organisation wurde 1968 als Forum gegründet, um für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft einzutreten. Bekannt wurde der Club mit dem 1972 erschienenen Report "Die Grenzen des Wachstums", der umfassend das Problem der begrenzten natürlichen Ressourcen beschrieb.

Hamburger Abendblatt:

Herr Schön, erschüttert es Sie als Unternehmer, dass praktisch in der gesamten öffentlichen Debatte derzeit mehr anstatt weniger Staatseinfluss gepredigt wird?

Max Schön:

Nein, das erschüttert mich nicht. Wichtiger ist die Feststellung, dass wir kein Versagen des Marktes erleben, sondern einen Prozess der Bereinigung. Diejenigen Institute, die die Finanzmarktkrise ursprünglich ausgelöst haben - zum Beispiel Lehman Brothers in den USA - hat es ja am härtesten getroffen, bis hin zum Untergang. Erschütternd finde ich, dass viele Finanzmarktprofis, auch in der Politik, dieses Problem gesehen und nichts gegen die heraufziehende Krise unternommen haben.

Abendblatt:

Häufig ist von "systemrelevanten" Unternehmen die Rede, wenn der Staat um Hilfe gebeten wird. Was ist für Sie "systemrelevant"?

Schön:

Ganz sicher der Geldverkehr und damit zumindest die großen Banken, weil ein Zusammenbruch des Finanzmarktes jeden von uns treffen würde. Ein Unternehmen wie Opel hingegen ist nicht systemrelevant. Wenn es Opel morgen nicht mehr gäbe, könnte man bei anderen Herstellern trotzdem weiter in großer Auswahl Autos kaufen.

Abendblatt:

Viele Manager, die sich vor der Krise vehement gegen mehr Staatseinfluss ausgesprochen haben, rufen jetzt nach dem Staat als Retter in der Not. Überrascht Sie, wie schnell viele da vom Paulus zum Saulus wurden?

Schön:

Mich wundert, dass bei vielen Menschen in der Wirtschaft das Kurzzeitgedächtnis völlig ausgesetzt hat. Verständlich finde ich die Forderung vieler Mittelständler nach staatlicher Hilfe, die in der Krise unverschuldet Vermögen verloren haben.

Abendblatt:

Ist der Mittelstand der Verlierer der Krise?

Schön:

Zurzeit läuft es schlecht für den Mittelstand. Aber es war schon immer so, dass kleine und mittelgroße Betriebe für die Politik keine besondere Relevanz haben. Die Kanzlerin fährt lieber zu Opel als zu einem Klempner. Die Chance für den Mittelstand ist, dass viele Familienfirmen in besseren Zeiten Kapital zurücklegen, das sie jetzt investieren können. Das können viele Manager in Großkonzernen nicht.

Abendblatt:

Wenn man Opel rettet, hilft man doch auch vielen kleinen Unternehmen.

Schön:

Dieses Argument habe ich nie verstanden: Jedes Auto, das Opel verkauft, verkauft VW oder ein anderer Hersteller nicht - mit entsprechenden Auswirkungen auf deren Zulieferer.

Abendblatt:

Wie könnte dem Mittelstand geholfen werden?

Schön:

Zum Beispiel so wie in Dänemark, indem der Staat den Unternehmen die Zahlung der Mehrwert-/Vorsteuer für einige Monate stundet. Das schafft sofort Liquidität, ohne dass aufwendige Kreditprogramme aufgelegt werden müssen.

Abendblatt:

Wie finden Sie die Abwrackprämie?

Schön:

Unsinnig und kontraproduktiv. Der Staat sollte nur Schulden machen, wenn auch die kommenden Generationen noch etwas von deren Gegenwert haben. Wenn man zum Beispiel Milliarden Euro Steuergeld investieren würde, um die Automobilwirtschaft ökologisch voranzubringen, hätte das enorm viel mehr Wert als die Abwrackprämie.

Abendblatt:

Gibt es aus Ihrer Sicht Hoffnung dafür, dass der Strukturbruch, den wir jetzt in der Wirtschaft sehen, am Ende mehr für den Klima- und Umweltschutz erbringt?

Schön:

Die Fragen werden konkreter, wo denn die seit der Club-of-Rome-Studie in den 70er Jahren viel zitierten ,Grenzen des Wachstums' verlaufen und wie sie aussehen. Die Einsichten werden stärker, dass Wirtschaft und Umweltschutz immer gemeinsam gedacht werden müssen. Das Schwerste für die Menschen ist es aber letztlich, ihr eigenes Verhalten zu verändern.

Abendblatt:

Könnte es umgekehrt in der aktuellen schweren Wirtschaftskrise auch zu Rückschlägen für den Umweltschutz kommen?

Schön:

Das kann passieren, wenn sich die Einschätzung durchsetzt, in Krisenzeiten wie diese müssten Investitionen in den Umweltschutz eher zurückgestellt werden. Die Rechnung müssen wir aber so oder so zahlen - entweder durch vorbeugende Investitionen oder für die Beseitigung von Klima- und Umweltschäden.