Der Kapitalbedarf der Hamburger Reederei ist weit höher als vermutet: Die Containerlinie braucht weitere 1,7 Milliarden Euro zur Sicherung des Geschäfts.

Hamburg. Zum Krisengespräch traf man sich an der Binnenlaster. Von zwölf bis gegen 15 Uhr tagte am Mittwoch in der Zentrale von Hapag-Lloyd am Ballindamm die Gesellschafterversammlung der Hamburger Reederei. Das Ergebnis dieser Runde erscheint gravierender, als die Branchengerüchte der vergangenen Tage befürchten ließen: 1,75 Milliarden Euro soll Hapag-Lloyd an frischem Kapital bekommen, davon 750 Millionen Euro von seinen Eignern, vermutlich als Kapitalerhöhung, sowie eine Milliarde Euro als Bankkredit, der nach den Vorstellungen der Beteiligten von der Bundesregierung mit einer Bürgschaft abgesichert werden soll. "Es gab Handlungsbedarf und es wurde gehandelt", hieß es nach dem Termin aus Kreisen des Unternehmens.

In den Tagen vor der Versammlung kursierten über den möglichen Finanzbedarf bei Hapag-Lloyd Beträge zwischen 300 und 500 Millionen Euro. Die jetzt genannte Summe, die dem Abendblatt aus dem Eigentümerkreis bestätigt wurde, lassen die mittelfristigen Perspektiven des Unternehmens düster erscheinen, trotz eines straffen Rationalisierungsprogramms, das jährliche Einsparungen von 400 Millionen Euro erbringen soll. Nähme Hapag-Lloyd von Banken eine Milliarde Euro Kredit auf, würde sich der Schuldenstand der Containerschiffslinie auf deutlich mehr als zwei Milliarden Euro summieren.

Der Mitgesellschafter TUI, bis zum Beginn dieses Jahres Alleineigner von Hapag-Lloyd, hat der Reederei eine Kreditlinie von 1,4 Milliarden Euro gewährt, die als annähernd ausgereizt gilt. Zum Vergleich: Der Gesamtumsatz von Hapag-Lloyd betrug im vergangenen Jahr rund 6,2 Milliarden Euro, der operative Gewinn wurde mit 211 Millionen Euro ausgewiesen.

222 Millionen Euro Verlust

Mit einem solchen Gewinn kann die Reederei auf absehbare Zeit angesichts der Weltrezession nicht mehr rechnen, vielmehr sind anhaltende Verluste zu erwarten. Im ersten Quartal dieses Jahres fuhren die Containerschiffe des Hamburger Unternehmens bereits 222 Millionen Euro Verlust ein. Das zweite sowie die folgenden Quartale werden nach Einschätzung aus der Schifffahrtswirtschaft keine Entlastung bringen. Der Druck auf die Branche könnte sich wegen der geringen Transportmengen und der weiter zunehmenden Überkapazitäten bei den Containerschiffen eher noch verstärken.

Daher überrascht es, dass an der Sitzung gestern weder der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne noch dessen Vertrauter, der Manager Karl Gernandt, teilnahmen. Kühne, dem 15 Prozent an Hapag-Lloyd gehören, schickte lediglich einen Repräsentanten. In den vergangenen Monaten hat sich der Großunternehmer, der in der Schweiz residiert, von seinen Mitgesellschaftern im Konsortium Albert Ballin isoliert. Das Konsortium hält 57 Prozent der Hapag-Lloyd-Anteile. Zu der Gruppe gehören neben Kühne unter anderem die Stadt Hamburg, die HSH Nordbank und die Privatbank MM Warburg.

Kühne hatte die Lage bei Hapag-Lloyd zuletzt ausgesprochen negativ dargestellt, verschärfte Sparanstrengungen vom Management gefordert und darauf hingewiesen, dass die Reederei an staatlicher Unterstützung nicht vorbeikommen werde. Ein Antrag auf eine staatliche Kreditbürgschaft würde ihn in dieser Ansicht bestätigen.

170 Millionen Euro von Hamburg

Bislang wurde nach Auskunft der Bundesregierung kein solches Begehr in Berlin vorgetragen. Allerdings, so heißt es aus dem Umfeld des Unternehmens, müssten sich zunächst die Gesellschafter mit zusätzlichem Kapital klar für eine finanzielle Stärkung von Hapag-Lloyd positionieren. Erst dann könne man einen Bürgschaftsantrag stellen.

Auf die Stadt Hamburg entfielen bei einer Kapitalerhöhung, entsprechend ihrem Anteil am Unternehmen von 23 Prozent, 170 Millionen Euro für Hapag-Lloyd. Kühne, der vor allem vom Touristikkonzern TUI mehr finanzielles Engagement bei der Reederei fordert, müsste 112 Millionen Euro nachschießen.

Die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft zeigte sich angesichts der drohenden Zahlungen gestern verärgert darüber, dass Finanzsenator Michael Freytag die Opposition bislang nicht genau über die Lage informiert habe. "Bei Hilfen in dieser Größenordnung sollte man schon mal miteinander sprechen", sagte Fraktionssprecher Christoph Holstein dem Abendblatt.