Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs stärkt die Rechte von Bankkunden: Schadenersatzansprüche können bis zu 30 Jahre rückwirkend durchgesetzt werden.

Hamburg. Nach dem Urteil des Landgerichts Hamburg gegen die Hamburger Sparkasse in Sachen "Lehman-Zertifikate", gibt es eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die die Chancen auf erfolgreiche Schadenersatzforderungen gegenüber Banken erhöhen. Der Hamburger Richter hatte seine Entscheidung damit begründet, dass die Haspa dem Anleger beim Verkauf der Zertifikate verschwiegen hatte, welche Gewinnmarge sie aus dem Verkauf der Papiere kassierte. Deshalb muss die Haspa dem Anleger 10 000 Euro ersetzen (Az.: 310 O 4/09). Diese Summe hatte er 2006 in die Zertifikate investiert, die durch die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers wertlos geworden waren.

Verschwiegene Provisionen oder Gewinnmargen sind ein Schlüssel, um Schadenersatzforderungen gegen Banken durchzusetzen. Der Grund, warum sich die Geldanlage schlecht entwickelt hat, spielt dabei keine Rolle. Ob der Anleger wegen einer Börsenkrise Verluste mit seinen Aktienfonds macht oder sein ganzes Geld verliert, weil der Emittent des Wertpapiers pleite geht, ist unerheblich.

Im vorliegenden Fall, der beim BGH landete, hatte ein Anleger im Jahr 2000 für 140 000 Euro Aktienfonds erworben, die zu hohen Verlusten führten. Der Kunde forderte Schadenersatz von mehr als 90 000 Euro. In den Vorinstanzen war er damit gescheitert. Der BGH hob jetzt das Urteil des Oberlandesgerichtes München auf und verwies den Fall an einen anderen Senat zurück. Der Anlageberater hatte dem Kunden verschwiegen, dass die Bank von den Fondsgesellschaften Rückvergütungen, sogenannte Kickbacks, erhält.

Allein aus diesem Umstand leitete der BGH weitreichende Grundsätze für die Anlegerrechtssprechung ab (Az.: XI ZR 586/07): Über die Kickbacks genannten Zahlungen müssen die Banken spätestens seit 1997 aufklären. Geschieht dies nicht, trifft die Bank ein vorsätzliches Verschulden. Das hat weitere gravierende Folgen, denn bei Vorsatz gilt die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kaufzeitpunkt nicht mehr. "Damit kommen die Anlageempfehlungen der letzten 30 Jahre auf den Prüfstand" sagt der Tübinger Anwalt Andreas Tilp, der das Urteil erstritten hat. "Außerdem hilft die Aufhebung der Verjährungsfrist vielen Lehman-Anlegern, die mit ihren Klagen noch abwarten wollen, bis mehrere Urteile vorliegen", sagt der Hamburger Anwalt Ulrich Husack.

Bisher reichte es für einen Schadenersatzanspruch nicht aus, der Bank Aufklärungsfehler nachzuweisen. Der Kunde musste auch belegen, dass er bei vollständiger Aufklärung vom Erwerb des Produkts Abstand genommen hätte. Diese Beweislast kehrten die obersten Richter um. "Steht eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens, das heißt, das der Aufklärungspflichtige (also die Bank) beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte", heißt es in dem Urteil, das dem Abendblatt vorliegt. Diesen Grundsatz beziehen die Richter "auf alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters", also nicht nur auf verschwiegene Provisionen. "Das Urteil trifft Aussagen, die weit über die Kickback-Fälle hinaus für das gesamte Bankrecht von elementarer Bedeutung sind und Meilensteine für den Zivilprozess geschädigter Bankkunden darstellen", sagt Tilp.

Die Haspa will gegen das Landgerichtsurteil Berufung einlegen. "Der BGH hat nur die Offenlegung von Kickbacks verlangt, von Margen war nicht die Rede", sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Marge einer Bank anders bewertet wird als Provisionszahlungen", sagt Tilp. Er rechnet damit, dass "wenige Zehntausend Anleger" ihre Rechte aufgrund des BGH-Urteils wahrnehmen. "Denn wir haben ein klägerfeindliches Gerichtssystem mit hohen Kosten."