Der Staat verweigert sowohl die beantragte Bürgschaft als auch den Notkredit. Kein Wunder: Der Arcandor-Konzern ist seit Jahren eine Baustelle ohne griffiges Konzept.

Hamburg. Er hat das Sakko ausgezogen, die Krawatte abgenommen und ist auf eine rote Leiter gestiegen. Mit dieser Geste machte sich der Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick gestern in der schwersten Stunde des Konzerns zum Vorkämpfer und Mitstreiter seiner Beschäftigten. Mit dem Megafon in der Hand schwor er die Belegschaft des Konzerns auf einen Kampf um jeden Job ein.

"Wir kämpfen bis zur letzten Minute", sagte Eick. Und tatsächlich war es gestern fünf vor zwölf: Am Montagmorgen hatte der Lenkungsausschuss des Deutschlandfonds, der Firmen mit Problemen als Folge der aktuellen Finanzkrise helfen soll, die beantragte Bürgschaft über 650 Millionen Euro plus 200 Millionen Euro Kredit aus dem Fonds abgelehnt. Und nachmittags um kurz nach fünf kam die nächste Hiobsbotschaft für die 56 000 Beschäftigten. Die Bundesregierung lehnte auch einen Notkredit in Höhe von 437 Millionen Euro für den angeschlagenen Handelskonzern ab. Der sogenannte interministerielle Ausschuss habe den Antrag von Arcandor auf Hilfen der Staatsbank KfW zurückgewiesen, hieß es.

Eine Insolvenz von Arcandor rückt damit immer näher. An diesem Freitag läuft eine Kreditlinie über 650 Millionen Euro aus. Spätestens bis dahin muss ein Rettungskonzept stehen. Letzte Hoffnung ist nun die mögliche Fusion mit der Metro-Tochter Kaufhof oder eine weitere finanzielle Unterstützung der Eigentümer.

Arcandor-Chef Eick hatte schon bei seinem Amtsantritt vor drei Monaten von einer "schwierigen Gesamtverfassung" des Konzerns gesprochen, es käme die Zeit einer Konsolidierung, "und das heißt Kärrnerarbeit," hatte der promovierte Betriebswirt prophezeit. Dass er schon drei Monate später gemeinsam mit der Belegschaft gegen die Insolvenz kämpfen muss, hatte der Newcomer wohl kaum geahnt.

Allerdings hat er diese Notlage auch nicht selbst verschuldet, denn der Karstadt-Konzern ist schon lange eine Baustelle. Eine Baustelle für Manager, die wie Eick häufig keine Handelsexperten waren und die ihr persönlicher Vorteil zuweilen mehr zu interessieren schien als das Wohl des Konzerns. Als wäre der Überlebenskampf von Karstadt noch nicht genug, prüft die Staatsanwaltschaft Essen jetzt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Untreuevorwürfen gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff (s. u.).

In den vergangenen zehn Jahren seit der Fusion des Warenhauskonzerns Karstadt mit dem Versandhändler Quelle hat der Warenhauskonzern fünf Chefs kommen und gehen sehen. Der Überblick:

Thomas Middelhoff 2005-2009

Der heute 56 Jahre alte Manager hatte die Leitung des Arcandor-Konzerns auf Drängen der damaligen Großaktionärin und Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz übernommen. Mit einem umfangreichen Umbau- und Kostensenkungsprogramm sicherte der ehemalige Bertelsmann-Chef zunächst das Überleben des Konzerns. Er verkaufte die Modekette Wehmeyer und schloss Vereinbarungen über den Verkauf der Kette SinnLeffers sowie von 75 kleineren Karstadt-Filialen, die unter dem Namen Hertie geführt werden. Alle drei Ketten meldeten später Insolvenz an. Doch blieb das Unternehmen chronisch klamm, und die Banken stellten nur nach zähen Verhandlungen weitere Kredite zur Verfügung. Es drohte der Verkauf des Reiseveranstalters Thomas Cook, die Ertragsperle des Konzerns. Eine Kapitalerhöhung und der Einstieg der Privatbank Sal. Oppenheim verhinderten dies gerade noch. Die Versäumnisse: Middelhoff hat fast ausschließlich auf Deutschland gesetzt, wo die Handelsumsätze seit Jahren stagnierten. Zudem bot er Mittelmaß bei Produkten und Preisen an. Und das in einer Zeit, als bei den Kunden entweder Luxus oder Schnäppchen gefragt waren. Die Folge war, dass Arcandor auch 2008 noch tiefrote Zahlen schrieb und an der Börse 90 Prozent an Wert verlor. Die Aktionäre verloren das Vertrauen in Middelhoff und beriefen den Finanzvorstand der Deutschen Telekom, Karl-Gerhard Eick, zu dessen Nachfolger.

Christoph Achenbach 2004 - 2005

Der Versandhausspezialist legte das bisher radikalste Sanierungsprogramm in der Konzerngeschichte vor. Sein Plan: Längere Arbeitszeiten, massive Verkäufe von Unternehmensteilen, Stellenabbau.

Wolfgang Urban 2000 - 2004

Auch Wolfgang Urban war es nicht gelungen, auskömmliche Renditen zu erwirtschaften. Nach monatelangen Entlassungsgerüchten ging der Ex-Metro-Manager offiziell aus "gesundheitlichen Gründen".

Walter Deuss 1985 - 2000

Drahtzieher der Fusion von Karstadt mit Quelle war Walter Deuss, der auch schon die Übernahme von Neckermann (1976) und Hertie (1994) eingefädelt hatte. Deuss verabschiedete sich 2000 im Streit in den Ruhestand - und verhielt sich besonders unsensibel: Nach seinem Ausscheiden hatte Deuss die Überstundenvergütung seines vertraglich zugesicherten Fahrers von KarstadtQuelle eingeklagt und bekam recht. Für Empörung sorgte dabei vor allem, dass der Ex-Chef auf teuren Privilegien beharrte, während die Belegschaft harte Einschnitte durch die Sanierung hinnehmen musste.