Die Arbeitsagentur spricht noch von einer “entspannten Situation“: Die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, stehen trotz des geringen Angebots gut.

Hamburg. Die Situation klingt paradox. Obwohl die Arbeitsagentur derzeit noch Tausende freie Lehrstellen im Angebot hat, dürfte die Suche nach einem Ausbildungsplatz in Hamburg in diesem Jahr schwieriger werden. "Insgesamt verzeichnen wir in diesem Jahr einen Rückgang bei den betrieblichen Ausbildungsstellen von 14 Prozent", sagt der Vorsitzende der Hamburger Agentur für Arbeit, Rolf Steil, dem Abendblatt. Allein der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte angekündigt, die Zahl der Ausbildungsplätze bundesweit um fünf bis zehn Prozent zu senken.

Dennoch sei die Lage in Hamburg noch relativ entspannt, so Steil: Die Behörde hat aktuell 3142 freie Ausbildungsplätze im Angebot, denen nur 2484 Bewerber gegenüberstehen. "Trotz eines geringeren Angebots stehen die Chancen gut, einen Ausbildungsplatz zu finden", so Steil. Dies bestätigen auch die Kammern. "Die Wirtschaftskrise wirkt sich bisher nur in geringem Umfang auf die Ausbildung aus", sagt Armin Grams von der Handelskammer. "Vor allem große Unternehmen fahren die Ausbildung wegen der Krise nicht zurück." Allerdings differiere die Ausbildungsbereitschaft je nach Branche. Weniger Ausbildungsplätze erwartet Grams im Außenhandel und der Logistik, während er im Einzelhandel, dem Hotelgewerbe und dem Gaststättengewerbe Zuwächse erwartet. So wollen auch die Hamburger Firmen Helm, Globetrotter und Haspa ihre Berufsausbildung nicht einschränken.

Die Handwerkskammer registrierte bis Ende April 510 abgeschlossene Ausbildungsverträge. "Damit liegen wir auf dem Niveau der Jahre 2006 und 2007", sagt Kammersprecher Heinz Oberlach. Erfahrungsgemäß steige die Zahl der Abschlüsse im Juni deutlich an. "In unserer Internet-Lehrstellenbörse haben wir zurzeit 500 freie Stellen - so viel wie bisher noch nie", sagt Oberlach.

Ein Problem bleibt: Die Schulabgänger erfüllen häufig nicht die Anforderungen der Ausbildungsbetriebe. "Dieser Trend nimmt leider zu", sagt Grams. 16 Prozent der Firmen geben das in einer Umfrage der Handelskammer an. "Dieser Wert hat sich seit 2006 verdoppelt", sagt Garms. Oft seien die Mathematik- und Englischkenntnisse unzureichend. "Aber es mangelt auch an sozialen Kompetenzen, die für ein geregeltes Arbeitsleben erforderlich sind", sagt Grams.

Die Arbeitsagentur sieht ein Problem in der förmlichen Bewertung des Schulabschlusses. "Auch diejenigen, die nicht alle Kriterien erfüllen, sollten die Chance auf ein Vorstellungsgespräch bekommen", sagt Steil. Viele seien sehr engagiert und zuverlässig, auch wenn sie nicht alle formalen Kriterien der Ausbildungsbetriebe erfüllen."

Steil wies außerdem darauf hin, dass die Auswahlmöglichkeiten für die Hamburger Betriebe sinken werden. "Der Anteil der Auszubildenden, die für eine Lehre aus Mecklenburg-Vorpommern nach Hamburg gekommen sind, hat sich von acht auf vier Prozent halbiert", sagt Steil. Auch aus rational-ökonomischen Gründen müssten sich die Unternehmen deshalb stärker für Migranten und Hauptschulabsolventen öffnen.

Größere Probleme kommen auf Auszubildende zu, die jetzt ihre Ausbildung beenden. Es wächst die Gefahr, dass sie von den Betrieben nicht übernommen werden und in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. "Die Jugendarbeitslosigkeit ist gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent gestiegen", sagt Steil. Um Arbeitslosigkeit nach Ausbildungsende zu vermeiden, gebe es verschiedene Modelle, sagt Steil. "Manche Unternehmen übernehmen ihre Auszubildenden zu reduzierter Stundenzahl", sagt Steil. Eine Hamburger Spedition ging einen anderen Weg: Sie übernahm die Auszubildenden und schickte sie anschließend in Kurzarbeit.