Arcandor, Porsche, Schaeffler & Co. brauchen Milliarden an Steuergeldern. Dennoch begrüßen die meisten Deutschen solche Eingriffe - bis auf die Marktliberalen, die sind dagegen.

Hamburg. Bei Karstadt überrascht kaum noch etwas, bei Porsche schon. Karstadt-Chef Stefan Herzberg und Karl-Gerhard Eick, Chef des Mutterkonzerns Arcandor, baten am Wochenende um staatliche Bürgschaften von 650 Millionen Euro und um einen Kredit der staatlichen KfW-Bank von 200 Millionen Euro. Andernfalls drohe dem schwer angeschlagenen Handelskonzern, der seit Jahren gegen den Abstieg kämpft, das wirtschaftliche Aus - und damit auch mehr als 50 000 Arbeitsplätzen. Ein starkes Argument.

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wiederum hatte gegen die ausufernde Subventionskultur in Deutschland jahrelang polemisiert. "Luxus und Stütze" passten nicht zusammen, erklärte er gern vollmundig auf die Frage, ob nicht auch Porsche öffentliche Mittel in Anspruch nehmen wolle, wie es andere Automobilhersteller taten, etwa beim Bau von Fabriken. Doch das war vor der großen Wirtschaftskrise, zu einer Zeit, in der der Stuttgarter Sportwagenhersteller Jahr für Jahr steigenden Umsatz und Gewinn meldete. Nun steckt Porsche in einer tiefen Krise, weil sich das Management bei der Übernahme des Volkswagen-Konzerns verspekuliert hat.

Arcandor und Porsche haben derzeit zweierlei gemeinsam: Die Existenz oder zumindest die Eigenständigkeit der Unternehmen steht auf dem Spiel, und das jeweilige Management buhlt um den Staat als Retter in der Not. Der Lenkungsausschuss des Wirtschaftsfonds Deutschland lehnte das Begehr von Porsche nach Staatshilfe in der vergangenen Woche zunächst ab. Was genau Porsche beantragt hatte, wurde nicht bekannt. Die Rede war von einem KfW-Kredit. Aus dem Wirtschaftsfonds hieß es nur, der Antrag sei "nicht entscheidungsreif" gewesen, es gehe aber um eine hohe dreistellige Millionensumme.

Was vor der Wirtschaftskrise die spektakuläre Ausnahme war - etwa Ende der 1990er-Jahre im Fall des Baukonzerns Holzmann - ist mittlerweile völlig selbstverständlich: ob Opel, Schaeffler oder gleich eine "Abwrackprämie" für die Automobilbranche insgesamt, ob Heidelberger Druckmaschinen oder die Wadan-Werft in Wismar, bei der Nachfrage nach oder der Entgegennahme von staatlichen Hilfen sind alle Hemmungen gefallen.

Erstaunlich dabei ist: Die Mehrheit der Bundesbürger hat nichts dagegen, dass der Staat hilft, wenn es bei den Unternehmen brennt. 57 Prozent der Befragten äußerten dies in einer gestern veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Instituts Forsa.

Und 54 Prozent plädierten dafür, dass der Staat für die Wirtschaft strengere Regeln aufstellen und diese auch kontrollieren solle. Vor der Wirtschaftskrise und der Vernichtung von Arbeitsplätzen haben die Bürger mehr Angst als vor der Zertrümmerung marktwirtschaftlicher Strukturen durch breit angelegte staatliche Eingriffe.

Dabei werden die Bürger als Steuerzahler am Ende den Preis entrichten müssen, so oder so. "Die Politik muss solche Anträge prüfen, weil sich der Staat in einer Demokratie immer als Gesprächspartner der Unternehmen empfehlen muss", sagt Professor Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts. (HWWI). "Wenn der Staat aber finanziell hilft, auch mit Geld, dann muss es dabei immer um Gemeinschaftsinteressen gehen. Öffentliche Mittel dürfen nicht für die Einzelinteressen von Unternehmen bereitgestellt werden."

Mit der Stützung des Bankensektors - vor allem der Immobilienbank Hypo Real Estate - begannen im vergangenen Jahr im großen Stil die Eingriffe des Staates ins Wirtschaftsgeschehen. "Systemrelevant" seien die Banken. Wenn man eine Pleite gehen lasse wie Lehman Brothers in den USA, könne dies das gesamte Finanzmarktsystem in den Abgrund reißen, argumentieren Volkswirte und Politiker. In der Tat wurde die Weltwirtschaftskrise durch den Untergang von Lehman angefacht wie durch einen Brandbeschleuniger.

Doch wie "systemrelevant" sind Unternehmen aus anderen Branchen? Geht es bei der Entscheidung für oder gegen staatliche Hilfen am Ende nur um Größe? "Man kann die Banken nicht mit anderen Unternehmen vergleichen", sagt Straubhaar. "Je mehr der Staat sich in die Wirtschaft einmischt, desto mehr behindert er den Strukturwandel - also auch das wirtschaftliche Ende von Unternehmen - der für eine gesunde Marktwirtschaft notwendig ist."

Wie weit soll die staatliche Hilfe also im Einzelfall gehen? Der Fall Arcandor und Karstadt zumindest weckt neuen Unmut in der Wirtschaft:

"Staatshilfe für Arcandor darf es nicht geben. Es kann nicht sein, dass uns Steuerzahlern die Risiken eines maroden Konzerns aufgehalst werden", schimpft Dirk Martin, der Bundesvorsitzende des Verbandes Junger Unternehmer (BJU) in Berlin. "Das Management sollte sich an die eigene Nase fassen: Warum macht zum Beispiel der Konkurrent Kaufhof Gewinne, Karstadt aber nicht?"