Ihr Unternehmen hat Zukunft - davon sind die Beschäftigten des Hamburgers Autozulieferers überzeugt. Dennoch droht das Aus für 188 Arbeitsplätze im Werk in Altona.

Hamburg. Nurullah Cerik hat vor allem Angst um seine Kinder. "Sie sind schon alt genug und wissen, was Arbeitslosigkeit bedeutet", sagt er leise. "Auf was müssen wir verzichten?", fragen sie den Papa. "Und wie werden wir leben?" Cerik weiß es auch nicht. Der 40-Jährige arbeitet seit 19 Jahren bei Kolbenschmidt in Hamburg, stellt Teile für die Autoindustrie her. Sein Arbeitsplatz ist akut bedroht, denn nach Berechnungen der Geschäftsleitung arbeitet das Werk in Altona nicht mehr wirtschaftlich. Es soll noch in diesem Jahr geschlossen werden. Es wäre das Aus für 188 Stellen. Doch die Mitarbeiter haben dazu eine eigene, ganz andere Meinung.

Sie wollen für ihr Werk kämpfen und kündigten am Dienstag Protestaktionen für den Fall an, dass die Unternehmensleitung nicht auf ihre Forderungen eingeht. "Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, uns zu wehren", sagt Horst Pittrof, Betriebsratschef des Autozulieferers. Bei den Mitarbeitern ist die Sorge um ihre Arbeitsplätze in Wut über das Management umgeschlagen, weil sie sich getäuscht fühlen. "Kaum ist die Tinte trocken unter einem Vertrag, der die Solidarität der Belegschaft und der Geschäftsleitung zum Standort Hamburg dokumentiert, will sich unser Arbeitgeber nicht mehr daran halten", schimpft Pittrof, der in den vergangenen Monaten schon durch viele Höhen und Tiefen gehen musste. Bereits vor zwei Jahren sollte die Fabrik aus Kostengründen schließen, doch die Mitarbeiter boten Zugeständnisse bei Lohn und Arbeitszeit an und änderten die Fertigung der Kolben, die beispielsweise von BMW, Ford oder Volvo eingebaut werden. Danach konnten sie kostendeckend weiterproduzieren und besiegelten die Einigung im vergangenen Jahr mit einem Vertrag, der den Erhalt des Standorts bis zum Jahr 2012 garantiert.

Eigentlich. Doch seit dem vergangenen Herbst sind die Aufträge so stark eingebrochen, dass die Hamburger Verluste machen. Denn die Fixkosten sind hoch. Allein für die Pacht des Geländes an der Friedensallee zahlt Kolbenschmidt eine Million Euro im Jahr.

Schon im zweiten Halbjahr 2008 hätte der Standort Hamburg einen "Verlust in Millionenhöhe" erlitten, teilte Kolbenschmidt mit, und trotz der gegenwärtigen Kurzarbeit schreibe die Fabrik weiter rote Zahlen. Selbst bei einem weiteren Stellenabbau rechnet das Unternehmen mit keiner Besserung.

Kolbenschmidt gehört zum Rheinmetall-Konzern, der zwar in seiner Rüstungssparte derzeit gutes Geld verdient und noch am Dienstag von der Bundeswehr einen Auftrag zur Lieferung von Flugabwehrsystemen im Wert von über 120 Millionen Euro erhalten hat. Aber als Autozulieferer schwächelt der Düsseldorfer Konzern und will auch in seinem Kolbenwerk in Neckarsulm 180 Arbeitsplätze streichen. Der starke Preisdruck in der Autoindustrie könnte sogar dazu führen, dass Rheinmetall sich ganz aus diesem Segment zurückzieht, schätzen Branchenkenner. Neben Rheinmetall verabschieden sich zudem auch andere Firmen aus der Produktion von Kolben in Deutschland. So schließt die Mahle GmbH, nach eigenen Angaben einer der drei weltweit größten Anbieter von Kolbensystemen, mehrere Werke. Im bayerischen Alzenau läuft die Produktion mit 424 Beschäftigten bis Ende Juli aus.

Gemeinsam mit der IG Metall wollen die Hamburger Beschäftigten dennoch alles daransetzen, das Management bei Kolbenschmidt umzustimmen. "Wir haben ein unabhängiges Institut beauftragt, die Zahlen noch einmal zu prüfen", sagt Daniel Friedrich von der IG Metall Hamburg. Auf Basis dieses Arbeitspapiers, das Mitte Juni vorliegen soll, würden die Arbeitnehmervertreter dann noch einmal mit der Geschäftsleitung verhandeln. "Vielleicht ist das ja unsere Rettung", seufzt Nurullah Cerik, als er von dem Plan hört, der seinen Job noch retten könnte. Er hat Grund zur Hoffnung, denn schon einmal konnten die Experten des Instituts in Saarbrücken die Führung bei Kolbenschmidt überzeugen: Sie erarbeiteten nach Angaben der IG Metall die Vorschläge zur Umstrukturierung, die das Werk bereits vor zwei Jahren vor dem Aus bewahrten.