Auszüge der Diskussion der Abendblatt-Gäste mit Philipp Schindler:
Menso Heyl , Abendblatt: Google wird als marktbeherrschendes Unternehmen in Ihrer Branche bezeichnet. Kann diese Stellung nicht irgendwann auch zu einem Problem werden, wie es bei Microsoft der Fall ist?
Philipp Schindler : Diese These mag richtig sein, passt aber absolut nicht zu unserem Unternehmen. Denn wir sind nicht marktbeherrschend, wie es ein solches Unternehmen ist, das Sie gerade genannt haben. Die Kunden haben die freiwillige Wahl. Hier gibt es kein System, das sie nutzen müssen. Das ist auch der Grund unserer internen Paranoia. Denn der Konsument kann sich täglich mit einem Klick gegen uns entscheiden. Und damit kann der Marktanteil schnell dahin sein. Trotzdem haben wir keine klassischen Kundenbindungsmodelle. Das gibt es bei uns ganz bewusst nicht, weil wir die Reaktion der Menschen sofort merken wollen.
Hans-Joachim Kamp , Philips: Können Sie die sogenannte DNA Ihres Unternehmens beschreiben? Worin unterscheidet sich Google von anderen Unternehmen in Mentalität und Ansprüchen?
Schindler : Das ist eine sehr weitreichende Frage mit einer Vielzahl von Faktoren. Unsere DNA fängt bei den Mitarbeitern an. Und die suchen wir nach ganz strengen Regeln aus. Dabei gibt es beispielsweise bis zu zehn Interviews mit Kandidaten. Außerdem ist es eines unserer wichtigsten Ziele nur die besten Talente der Welt zu finden und einzustellen. Google konzentriert sich zudem extrem auf sein Kerngeschäft. Viele Unternehmen in unserer Branche sind gescheitert, weil sie das aus dem Auge verloren haben. Man kann also schon sagen, dass wir anders ticken als andere Unternehmen. Jeder Mitarbeiter bekommt beispielsweise Essen kostenlos. Das fängt mit dem Frühstück an, geht über das Mittagessen bis hin zu verschiedensten Getränken und Snacks. Doch das machen wir nicht aus reiner Nettigkeit, sondern weil wir der Meinung sind, dass das Unternehmen etwas davon hat. Dann haben wir die sogenannten 20-Prozent-Projekte. Das heißt, jeder Mitarbeiter darf 20 Prozent seiner Arbeitszeit mit Projekten verbringen, die nicht direkt mit seiner Aufgabe zu tun haben. Das wird nicht kontrolliert. Google ist allerdings kein klassisches Medienunternehmen, die Hälfte unserer Mitarbeiter besteht aus Technikern. Das sind die wichtigsten Kollegen, sie werden gehegt und gepflegt.
Cord Schellenberg , PR: Wie kann Hamburg sich besser darstellen?
Schindler : Hamburg 3D wäre eine Grundlage für ein interessantes Projekt. Die Hansestadt hat die weltweit beste dreidimensionale grafische Auflösung. Wenn man das zum Beispiel verbindet mit einem kreativen Internetauftritt. Und natürlich kann man so etwas mit Google oder Google Earth verknüpfen.
Jan Bayer , Abendblatt: Sie sprachen davon, dass Schnelligkeit Präzision schlägt. Aber können Sie bei der Größe Ihres Unternehmens noch schnell sein?
Schindler : Das ist sicher eine schwere Frage, wie man in einem großen Unternehmen die Strukturen flach hält. Dennoch versuchen wir, die Schnelligkeit beizubehalten. Das beginnt damit, weniger Hierarchieebenen zu haben. Bei uns gibt es deutlich weniger als in anderen Unternehmen unserer Größe. Und wir versuchen, unseren Mitarbeitern ihre Arbeit so unkompliziert wie möglich zu machen. Damit sie viel Zeit für Kreativität haben.
Michael Westhagemann , Siemens: Sie suchen Talente. Nach welchen Kriterien werden diese Talente beurteilt? Und wie können Sie prüfen, ob die Talente auch das halten, was sie versprechen?
Schindler : Wir analysieren alles, was man analysieren kann, auch die Leistung unserer Mitarbeiter. Zudem werden alle nach eigenen Zielvereinbarungen beurteilt und bezahlt. Jedes Quartal wird ge-schaut, ob die Ziele auch erreicht wurden. All diese Beurteilungen laufen jedoch mit Zustimmung der Mitarbeiter ab. Denn neben der Beurteilung durch den Vorgesetzten legt jeder vier bis fünf weitere Kollegen fest, die ihn beurteilen. So ergibt sich ein möglichst faires Bild von der Leistung eines jeden Einzelnen.
Andreas Borcherding , PricewaterhouseCoopers: Was kommt im Mobilfunkbereich auf uns zu?
Schindler : Wir wollen ein offenes Betriebssystem, wo sich jeder Entwickler drauf versuchen kann. Damit in diesem Bereich wieder mehr passiert. Denn wir haben ein Interesse daran, dass sich der Zugriff auf Informationen vereinfacht. Und so können alle mit ihren Ideen spielen. Ans Geldverdienen denken wir dabei allerdings momentan noch nicht. Bisher sind 34 Anbieter beigetreten, darunter Motorola, aber auch Ebay.
Richard Helle , CSS: Ich stoße bei Google oft auf falsche Antworten, oder radikale Inhalte. Wie gehen Sie damit um?
Schindler : Das ist mit Sicherheit ein großes Thema. Falsche Inhalte können viele Auslöser haben. Unsere Suchmaschine ist alles andere als perfekt. Da liegen noch viele Hundert Jahre Entwicklung vor uns. So wollen wir jetzt möglichst alle Bücher digitalisieren, denn dort steht ja das Richtige drin. Und dann gibt es natürlich noch die Inhalte, die aus gewissen Gründen nicht erwünscht sind. Wir versuchen da, uns an die Vorgaben der einzelnen Länder zu halten, und entfernen radikale Inhalte, wenn wir können.
Erik Santer , BMW: Ihr Unternehmen ist jung und schnell gewachsen. Sehen Sie nicht die Gefahr, kollektiv durchzualtern?
Schindler : Warum soll jemand, der schnell und fleißig und kreativ ist, nicht auch im Alter gut sein? Deshalb sehe ich da kein Problem. Vielmehr müssen wir darauf achten, dass wir bei unseren Mitarbeitern Burn-out verhindern und dass sie zufrieden und glücklich sind.
Heyl : Warum hat Google Hamburg als deutschen Standort gewählt?
Schindler : Hamburg ist eine faszinierende und attraktive Stadt. Und wir richten uns bei der Wahl unserer Standorte nach den Mitarbeitern. Wir gehen da hin, wo wir am meisten Talente finden.
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