Hamburg. "Ein phantastischer Jahrgang", schwärmt Sybille Kuntz. "Die lange Herbstsonne bringt ein Ertragsniveau wie vor 100 Jahren." Das wird auch die Anleger freuen, die sich an ihrem Weingut in Bernkastel-Lieser in der Nähe von Trier mit mindestens 2500 Euro beteiligt haben. Denn den Zins in Höhe von 7,5 Prozent schenkt die Winzerin aus, also Wein im Gegenwert von 187,50 Euro. Betrinken muß sich deshalb keiner, denn vom Weingut Sybille Kuntz kommen edle Riesling-Weine. "Wir haben den Ertrag auf zwei Trauben pro Trieb reduziert", sagt Kuntz. Ein bis zwei Kartons mit sechs Flaschen, dann ist die Ausschüttung aufgezehrt. Gerade jetzt schreibt sie die Zinsen gut, damit die Kunden noch zur Geschenksaison davon profitieren können. Wer weniger bestellt als er Zinsen erhält, kann sie auch auf das nächste Jahr vortragen. "Es verfällt nichts, aber es gibt auch keinen Zinseszins-Effekt", sagt Kuntz.
"Als ich vor elf Jahren hier anfing, wollten die Banken nicht noch weitere Weinberge in ihre Bücher nehmen." Da kam ihr die Idee mit den Weingenußrechten. Sie stieß bei den Kunden auf großes Interesse. Aus 4000 Quadratmeter Anbaufläche sind heute 65 000 Quadratmeter geworden. "70 bis 80 Prozent der Weine gehen in den Export", sagt Kuntz, die auch den Bundespräsidenten und Botschaften beliefert.
Mit schon 90 Euro kann man sich am Weingut von Paul Busch in Pünderich an der Mosel beteiligen. Die Riesling-Aktie wirft eine "Dividende" einschließlich Rückzahlung von acht bis zehn Flaschen jährlich ab. Danach verfällt die Aktie und die Anteilseigner können in der nächsten Saison neue Anteile erwerben. Dabei sind sie nicht nur Geldgeber, sondern können auch per Internet mitbestimmen, wie der Weinberg bewirtschaftet und die Weine im Keller behandelt werden sollen.
"Solche Finanzierungsformen empfehlen sich vor allem für kleinere Unternehmen aus der Genußmittelbranche, die eine enge Kundenbindung haben", sagt Unternehmensberater Gernot Meyer aus dem bayerischen Penzberg. Aber auch in der Biobranche sind sie verbreitet. Vorteil für das Unternehmen: Die in Naturalien vergüteten Zinsen können wieder als Umsatz verbucht werden. "Unternehmen mit einem Kapitalbedarf bis 100 000 Euro können unkompliziert Anleger für sich gewinnen, ohne einen Beteiligungsverkaufsprospekt herausgeben zu müssen", sagt Björn Katzorke von der Göttinger Kanzlei Dr. Werner & Collegen.
Größeren Kapitalbedarf hat die Lauensteiner Confiserie. "Wir wachsen beim Umsatz jährlich mit zehn Prozent", sagt Geschäftsführer Thomas Luger. Das Geld soll in den Ausbau des Geschäfts und die Produktentwicklung investiert werden. Auch hohe Vorlaufkosten durch Lagerhaltung und Verpackung werden dadurch gedeckt, denn die Pralinenherstellung ist ein Saisongeschäft, bei dem der Großteil des Umsatzes auf die letzten drei Monate entfällt. Noch fällt der Gewinn mit 150 000 Euro bei einem Umsatz von 7,25 Millionen Euro bescheiden aus. Luger sieht das Unternehmen auf gutem Weg und der Trüffelzins kommt an: Knapp 3000 Genußrechte à 500 Euro sind seit 2003 schon ausgegeben. Maximal 4000 sollen es werden. Mit einer Mindestanlage von 2000 Euro gibt es 8,5 Prozent Trüffelzins oder 4,5 Prozent Barzins. "80 Prozent der Anleger entscheiden sich für den Trüffelzins", sagt Luger. Bei einer Anlagesumme von 2000 Euro ergibt das handgefertigte Pralinen für 170 Euro, die frei aus dem Sortiment gewählt werden können. Je nach Sorte und Packungsgröße sind das bis zu 4,6 Kilogramm Pralinen. Zu den Anlegern gehören nicht nur Schokoladenliebhaber, sondern auch Firmen, die auf diese Weise Präsente zum Verschenken beziehen.
Eine ganz andere Geschmacksrichtung bietet Norbert Fischer seinen Anlegern. Aber auch der Ökobauer und Schafzüchter aus dem baden-württembergischen Atzenrod verspricht eine Rendite, die auf der Zunge zergeht: Roque Blue, Robiola, Camembert oder eine andere Sorte aus dem Bioschafskäse-Angebot. 150 Milchschafe beweiden 15 Hektar Wiesen und müssen zweimal täglich gemolken werden. Mit zwei Schafen und vier Lämmern hatte er begonnen, um im Einklang mit der Natur zu leben. Inzwischen wird kräftig investiert. Genußrechte im Volumen von 100 000 Euro hat Fischer schon ausgegeben. Eine zweite Tranche ist in Vorbereitung. "Wir haben mit dem Bau eines Landschaftspflegehofs mit Stallungen, Käserei, Schulungs- und Wohngebäude begonnen", sagt Fischer. "Auch Anleger aus Hamburg sind dabei", denn der Käse wird auch auf Hamburger Wochenmärkten verkauft. "Erst muß man Kunde werden, dann kann man sich beteiligen", sagt Fischer. Die Mindestanlage beträgt 1000 Euro, die Verzinsung liegt zwischen drei und fünf Prozent. "Derzeit zahlen wir drei Prozent", so Fischer. Das bringt Käse für 30 Euro und zehn Prozent auf den Verkaufspreis. Da das Kilo zwischen 20 und 25 Euro kostet, muß auch bei dieser Anlage keiner das ganze Jahr Käse essen.
Viel Geduld brauchen die Anleger bei Ruedi Käser. Der Schweizer Schnapsbrenner plant in Elfingen die kleinste Whiskybrennerei der Welt. "Im nächsten Jahr wollen wir mit der Produktion beginnen", sagt Käser. Mit Genußrechten ab 500 Schweizer Franken können sich Anleger beteiligen. Dafür gibt es dann nach fünf Jahren zwölf Flaschen Whisky. "Natürlich verschiedene Sorten", sagt Käser. Die Einlage wird zwar nicht zurückgezahlt, da aber der Whisky dann im Laden rund 75 Franken kosten wird, fährt der Anleger dennoch eine ordentliche Rendite ein.
"Solche Beteiligungen sind keine klassische Geldanlage und werden meist nicht von der Rendite, sondern vom persönlichen Geschmack bestimmt", sagt Meyer. Im schlimmsten Fall muß mit dem Verlust der Einlage gerechnet werden. Deshalb am Anfang nicht mehr als die Mindestanlage riskieren und die Vertragsbedingungen studieren, empfehlen Anlageberater. Eine Haftung über die Einlage hinaus muß ausgeschlossen sein. "Finger weg von Firmen, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind", rät Meyer. In der Regel kennen die Anleger die Firmen gut, weil sie treue Kunden sind. Die Information der Anleger über die wirtschaftliche Entwicklung sollte wenigstens einmal im Jahr selbstverständlich sein. "Wirtschaftlichkeitsprognosen müssen belegen, daß die Firma in der Lage ist, die Einlage nach einigen Jahren zurückzuzahlen", sagt Meyer. Sybille Kuntz macht sich darüber keine Sorgen. "Viele Anleger haben uns schon signalisiert, daß sie dabei bleiben wollen."
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