Zu Besuch in der Hamburgr Bundesbank-Niederlassung. Wo Blüten aussortiert und Unternehmen benotet und mit Geld versorgt werden.

Hamburg. Weil die Bundesbank bis 2015 ihre Niederlassungen in Flensburg, Kiel und Lübeck schließt, kommen auf den Standort in Hamburg zusätzliche Aufgaben zu. Zeitweilig wird sich die Mitarbeiterzahl in Hamburg durch die Verlagerung von Arbeitsplätzen sogar erhöhen. Aktuell hat die "Hauptverwaltung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein", so die offizielle Bezeichnung der Niederlassung, etwa 500 Beschäftigte. Das Abendblatt stellt die wichtigsten Tätigkeitsbereiche vor.

Bonitätsnoten für 1700 Firmen

Nur wenige Menschen wissen, dass die Bundesbank auch ein eigenes Bonitätsanalyseverfahren anbietet und damit so etwas wie eine Rating-Agentur ist: Wenn sich Geschäftsbanken Geld bei der Bundesbank leihen, können sie als Sicherheit dafür Kreditforderungen an Unternehmen verwenden, sofern diese Firmen als "notenbankfähig" eingestuft wurden. Ein Analyseteam aus zwölf Personen in Hamburg nimmt dazu die Bilanzzahlen dieser Unternehmen unter die Lupe. Das Team prüfte im vergangenen Jahr 1700 Firmen, davon fast 600 aus der Hansestadt; das Spektrum reicht vom kleinen Autohaus bis zum international tätigen Konzern.

"Immer mehr Unternehmen streben das Zeugnis der Notenbankfähigkeit aber als eine Art Gütesiegel an, ganz unabhängig vom eigentlichen Zweck", sagt Birgit Ullmann, 45. Denn besonders seit Beginn der Finanzmarktkrise 2007 ist Vertrauen ein wichtiges Gut in der Wirtschaft. "Außerdem wird die Bundesbank als unabhängige Instanz angesehen - und unsere Prüfung ist kostenlos", ergänzt Ullmann.

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Sieben Stufen hat die "Notenskala" der Bonitätsanalyse, die ersten vier bescheinigen die Notenbankfähigkeit. "Manchmal sehen sich die Unternehmen allerdings völlig anders, als es ihre Geschäftszahlen ergeben", so Ullman. "Wir versuchen dann zu erklären, warum wir zu diesem Resultat gekommen sind. In den meisten Fällen gelingt uns das auch." Schließlich handele es sich um ein sehr transparentes, computergestütztes Verfahren. Der Computer hilft aber Birgit Ullmann auch, Familie und Beruf vereinbaren zu können: Die Mutter von zwei Kindern im Alter von acht und 13 Jahren arbeitet in Teilzeit und nur an zwei Tagen pro Woche in ihrem Hamburger Büro, an den anderen drei Tagen von zu Hause aus. "Ich wohne östlich von Schwerin und wäre sonst immer vier Stunden täglich unterwegs", sagte sie. Die Bundesbank gehört zu den Vorreitern in der Telearbeit; insgesamt 24 Beschäftigte in Hamburg nutzen diese Möglichkeit.

Täglich kommen noch 25 000 D-Mark

Michael Jorek, 42, leitet den Bereich, den man in der Öffentlichkeit zuallererst mit der Bundesbank in Verbindung bringen würde: Er ist Chef der 100 Beschäftigten des Bereichs, der die Wirtschaft mit Bargeld versorgt. Das ist mitunter eine buchstäblich schwere Arbeit, auch wenn Maschinen dabei helfen: "Ein Container mit Münzen wiegt im Schnitt 600 Kilogramm und hat, wenn es sich um Zwei-Euro-Münzen handelt, einen Wert von 150 000 Euro", sagt Jorek. Solche Container gehen an Banken und an private Wertdienstleister, die dann die weitere Verteilung auf die Unternehmen erledigen.

Umgekehrt liefern Geldtransporter zum Beispiel die Einnahmen von Supermärkten bei der Bundesbank ab. "Wir kontrollieren jede einzelne bei uns eingezahlte Note auf Echtheit und um Umlaufsfähigkeit." Dafür gibt es sechs mächtige Maschinen von je ungefähr sieben Metern Länge. "Wenn den Noten eine Ecke fehlt, wenn sie eingerissen sind oder wenn jemand etwas darauf notiert hat, werden sie automatisch in den angeschlossenen Schredder geleitet", so Jorek. Etwa fünf Prozent der Scheine werden aussortiert und durch druckfrische ersetzt. "Falschgeld leiten wir an das Landeskriminalamt weiter." Doch nach den Erkenntnissen der Bundesbank ist für den Bürger das Risiko, eine "Blüte" in die Hand zu bekommen, sehr gering: Nur 0,002 Promille der Scheine sind gefälscht. Damit diese Quote möglichst weitersinkt, schulen Mitarbeiter von Jorek immer wieder Kassenpersonal im Einzelhandel darin, Falschgeld zu erkennen.

Zum Bargeldbereich gehört zudem der D-Mark-Umtausch. Zwar nimmt das Volumen pro Jahr um bis zu zehn Prozent ab, aber noch immer kommen jeden Tag im Schnitt 70 Kunden in die Hamburger Filiale und tauschen durchschnittlich insgesamt 25 000 D-Mark um. Dabei erfährt das Schalterpersonal immer wieder kuriose Geschichten: "Ein Kunde erzählte uns, er habe von zwölf Übertöpfen, die er geerbt hatte, elf weggeworfen, ohne sie sich näher anzusehen - im letzten fand er 12 000 D-Mark", sagt Jorek. Und keineswegs selten seien unter den Kunden Witwen, die im Nachlass ihres Ehemanns den Schlüssel zu Schließfächern mit fünf- bis sechsstelligen Beträgen fanden, von denen sie zuvor nichts wussten.

Neuer Standard für Überweisungen

So wichtig Münzen und Banknoten im Alltag zum Beispiel beim Einkaufen sind, macht das Bargeld doch nur einen kleinen Teil des täglichen Geldumlaufs zu Zahlungszwecken aus. Dirk Borcherding, 58, ist in der Hamburger Bundesbank-Hauptverwaltung verantwortlich für den bargeldlosen Zahlungsverkehr, also für den reibungslosen Ablauf von Überweisungen und Lastschriften.

Zwar betreiben Großbanken und Institutsgruppen wie die Sparkassen eigene Computersysteme für diesen Zweck. Doch die Bundesbank habe den gesetzlichen Auftrag, "kostendeckend und wettbewerbsneutral" ebenfalls ein solches Netz zur Verfügung zu stellen, erklärt Borcherding. Genutzt werde es unter anderem von Privatbankhäusern und von den Finanzbehörden beziehungsweise -ministerien in Hamburg, Kiel und Schwerin. Ein Team von 19 Beschäftigten in Hamburg sorgt mit für das Funktionieren dieses Netzes.

"Wir müssen eingreifen, wenn Zahlungen aufgrund unterschiedlicher Fehler nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden können, etwa weil ein falsches Datum eingetragen wurde", so Borcherding. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Vorbereitung der Kunden auf den neuen europäischen Stand SEPA, auf den die Zahlungsverkehrssysteme bis Anfang 2014 umgestellt sein müssen. Bisher werden in Deutschland nicht einmal sechs Prozent der Überweisungen nach diesem Standard ausgeführt, ein deutlich geringerer Anteil als in manchen anderen Ländern. "Da müssen wir noch aktiver werden", meint Borcherding. "Wahrscheinlich schrecken die langen Kontonummern viele Menschen ab." Dabei seien die Gebühren niedriger, außerdem würden die Zahlungen innerhalb eines Arbeitstages ausgeführt.

Frühwarnsystem für Bankenkrisen

Zu den wichtigsten Aufgaben der Bundesbank gehört die Bankenaufsicht. Gut 80 Mitarbeiter in Hamburg begutachten regelmäßig 270 Unternehmen, darunter 124 Banken und 146 Finanzdienstleister, etwa Leasinggesellschaften und Vermögensverwalter. "Wir werten Jahresabschlüsse und die dazu gehörenden Berichte der Wirtschaftsprüfer aus", sagt Sven-Robert Delfs, 43, einer der Institutsbetreuer für den Norden. Diese Prüfberichte umfassen etliche Hundert Seiten und sind für Experten weit aussagekräftiger als die veröffentlichten Bilanzen.

"Darüber hinaus führen wir Aufsichtsgespräche - in der Regel einmal im Jahr mit dem Vorstand", erklärt Delfs. "Das ist ein gutes Mittel, um zeitnahe Informationen zu gewinnen. Außerdem nimmt man uns dann unmittelbar wahr. Das ist nicht unwichtig." Läuft bei dem Kreditinstitut nach Auffassung der Bundesbank-Beschäftigten etwas schief, geben sie Handlungsempfehlungen an die Finanzmarktaufsichtsbehörde BaFin. Diese kann ihrerseits Sonderprüfungen durch die Bundesbank oder auch eine monatliche Berichtspflicht anordnen. Bei alledem ist strengste Vertraulichkeit entscheidend.

"Wenn erst ein Reputationsschaden bei einem beaufsichtigten Institut eingetreten ist, wird es schwer, ihn wieder zu beheben", sagt Delfs. "Unser Auftrag ist es, dafür zu sorgen, dass schon im Vorfeld einer sich abzeichnenden Schieflage Gegenmaßnahmen ergriffen werden können." Delfs und seine Kollegen beurteilen aber auch die Eignung von neuen Geschäftsleitern und Aufsichtsräten. Nicht zuletzt als Konsequenz aus der Finanzkrise ist das Personal in der Bankenaufsicht seitdem aufgestockt worden.

Informationen für Lehrer und Schüler

Mit der Schuldenkrise hat in der Bevölkerung das Interesse an der Geldpolitik zugenommen. Ein Gradmesser dafür ist das "Forum Bundesbank", eine Veranstaltungsreihe für die breite Öffentlichkeit. An sechs bis sieben Terminen im Jahr richtet die Hamburger Hauptverwaltung solche Veranstaltungen aus, auf denen Experten unter anderem über Finanzpolitik oder über die Konjunktur sprechen.

"Es kommen um die 200 Gäste, und die Möglichkeit zur Diskussion nach den Vorträgen wird rege genutzt", sagt Michael Klein, 53, tätig für die Öffentlichkeitsarbeit in Hamburg mit zehn Beschäftigten. "Die Teilnahme ist kostenlos, und wir verzichten bewusst auf eine Anmeldepflicht, weil wir Barrieren abbauen wollen." Gleichzeitig erfahre die Bundesbank bei diesen Gelegenheiten, was die Menschen bewegt und was sie von den Notenbankern wissen wollen. Verschiedene andere Veranstaltungsreihen mit hochrangigen Referenten sind einem kleineren Kreis von geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik vorbehalten.

Auf eine Initiative von Adelheid Sailer-Schuster, die die Hauptverwaltung seit drei Jahren leitet, geht das "Frauen Finanzforum" zurück, eine monatliche Gesprächsrunde von inzwischen 70 Teilnehmerinnen aus der ersten und zweiten Führungsebene der Finanzbranche. Darüber hinaus bietet die Bundesbank Seminare für Lehrer und für Schulklassen zu den Themen Geld, Währung und Finanzmarkt an.