Falls die Linksradikalen die Griechenland-Wahl gewinnen und die Sparmaßnahmen lockern, droht der Staatsbankrott - und die Drachme kehrte wohl zurück

Hamburg. Ob Griechenland den Euro behält oder nicht, hängt ganz wesentlich vom Ausgang der Parlamentswahl an diesem Sonntag ab. Das Abendblatt stellt die Szenarien vor, die sich aus dem Wahlausgang ergeben können:

Die Konservativen gewinnen

Gewinnt die konservative Nea Dimokratia (ND), würde das zumindest an den Finanzmärkten für Erleichterung sorgen. Wahrscheinlich könnte die ND dann zusammen mit den Sozialisten (Pasok) eine Koalitionsregierung bilden, die grundsätzlich am Reformkurs festhalten will.

Allerdings würde es wohl auch dann neue Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU und der Europäischen Zentralbank (EZB) über das Rettungspaket geben, erwartet Christoph Weil, Volkswirt bei der Commerzbank: "Einige Euro-Finanzminister haben bereits ihre Bereitschaft signalisiert, Griechenland mehr Zeit zur Konsolidierung seiner Staatsfinanzen zu geben." Dürfte Athen die Sparbemühungen zeitlich strecken, würde dies aber bedeuten, dass man noch umfangreichere Hilfszahlungen, als bisher beschlossen, benötigt.

Zwar ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen eine solche Aufstockung. Weil sie aber gezwungen sein wird, zu Kompromissen mit dem neuen französischen Staatspräsidenten François Hollande zu kommen, werde sie ihre Bedenken gegen eine Anpassung des Hilfspaktes und seiner Bedingungen hintenanstellen, glaubt Holger Schmieding, Chefvolkswirt des Hamburger Bankhauses Berenberg. Für den Fall eines Sieges der ND veranschlagt er die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland zum Jahresende noch der Währungsunion angehört, auf 75 Prozent. Aber gelöst sei die Staatschuldenkrise damit noch lange nicht.

Es gibt keinen klaren Sieger

Gibt es keinen klaren Gewinner, könnten ND und Pasok zusammen mit mehreren kleinen Parteien eine Krisenkoalition bilden, die zwar grundsätzlich den Euro behalten möchte, aber wahrscheinlich größere Schwierigkeiten haben dürfte als eine "reine" ND/Pasok-Regierung, die Sparauflagen der internationalen Geldgeber zu akzeptieren. Möglicherweise müsste es Ende Juli zu nochmaligen Parlamentswahlen kommen. Dann hätte das Land weiterhin keine Regierung, die mit der Troika aus EU, EZB und IWF verhandeln könnte, während die Finanznöte immer schlimmer würden.

Weil viele Unternehmen und private Haushalte angesichts der ungewissen Lage zögerten, ihre Steuern zu zahlen, sei das Steueraufkommen schon im Mai um 15 Prozent eingebrochen, erklärt Commerzbank-Analyst Weil.

Die Linksradikalen gewinnen

Sollte die linksradikale Syriza die Mehrheit erhalten, sind die Folgen schwer abzusehen. Eine der Möglichkeiten: Aus Angst vor dem ökonomischen Chaos eines Staatsbankrotts lenkt Syriza-Chef Alexis Tsipras ein und nimmt entgegen seinen Wahlversprechen die Bedingungen für das Hilfspaket an. Oder: Schon bald nach der Wahl sehen die Griechen ein, dass der Syriza-Sieg auf einer Illusion beruhte - dass nämlich Griechenland auch ohne schmerzhaftes Sparen an die Finanzhilfen kommt - und die Regierung von Tsipras scheitert.

Bleibt er aber an der Macht und erfüllt sein Versprechen, die Kürzungen bei Renten und Mindestlöhnen zurückzunehmen sowie den Mehrwertsteuersatz auf Nahrungsmittel zu senken, wären die Verhandlungen mit der Troika zum Scheitern verurteilt, es würden keine weiteren Hilfsgelder fließen. "In der Folge würde die Wirtschaft noch stärker einbrechen, auch weil die Zahlungsmoral weiter nachließe", erwartet Weil. Ohne frisches Geld wäre nach seiner Einschätzung die Staatspleite wohl schon im August unabwendbar.

Zudem wäre ein Kollaps des griechischen Bankensystems wahrscheinlich. Denn die Sparer würden aus Angst um ihre Ersparnisse ihre Einlagen bei den Banken in bar abheben. "In dieser Situation hätte das Land nichts mehr zu verlieren und würde wohl wieder zur Drachme zurückkehren", sagt Weil. Denn dann könnte die griechische Zentralbank die Notenpresse anwerfen und den Banken die benötige Liquidität bereitstellen. Der Preis wäre eine dramatische Abwertung der neuen Drachme und ein massiver Inflationsschub. Auch Berenberg-Chefvolkswirt Schmieding veranschlagt die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland Ende 2012 noch der Euro-Zone angehört, für den Fall eines Syriza-Sieges nur auf 30 Prozent.

Ein derartiger Wahlausgang hätte aber nicht nur schwerwiegende Folgen für Athen. Das Misstrauen der Investoren könnte schon sehr bald auch auf andere hoch verschuldete Euro-Länder übergreifen, die Schuldenkrise würde einen neuen Höhepunkt erreichen. Insbesondere könnten die Risikoaufschläge für Staatsanleihen von Spanien und Italien weiter in die Höhe schnellen. "Dann wäre es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diese beiden Länder unter den Rettungsschirm flüchten müssen", erklärt Weil. Schon jetzt kann Spanien nicht mehr aus eigener Kraft das Bankensystem stützen. Der Rettungsschirm müsste dann wohl abermals gestärkt werden.