Neue Microstudios setzen bei Fitness auf innovative Konzepte wie elektrische Muskelstimulation. Der Markt in Deutschland wächst.

Hamburg. Der deutsche Fitnessmarkt zeigt sich in guter Form. Rund vier Milliarden Euro gaben Freizeit- und Intensivsportler im vergangenen Jahr für Mitgliedschaften in Sportstudios aus, wie die Studie "Der deutsche Fitnessmarkt 2012" im Auftrag des Arbeitgeberverbandes der deutschen Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) zeigt. Doch weil der Markt für Discounter wie Fitness First oder McFit und auch für hochpreisige Anbieter bereits gesättigt ist, entstehen immer mehr kleine, familiäre Microstudios mit neuartigen Konzepten - auch im Norden.

Bei 25 Minutes an der Kaiser-Wilhelm-Straße stehen nur zwei Stepper und einige verdrahtete Säulen in den ehemaligen Ladenlokalen. Elektrische Muskelstimulation, kurz EMS, heißt die Methode. "Bei uns werden die Muskeln über elektrische Impulse aktiviert", erklärt 25-Minutes-Mitbegründer Carsten Pachnicke. Die Kunden ziehen dazu eine Elektrodenweste an und müssen dann dem Muskelwiderstand entgegenwirken, der durch die niederfrequenten Stromimpulse ausgelöst wird. "Wenn man nicht dagegenhält, gehen Arme und Beine nach oben, ähnlich wie bei einer Marionette", sagt Pachnicke.

Das Verfahren wurde bereits in den 1960er-Jahren in der Sporttherapie eingeführt und setzt sich langsam auch im Fitnessbereich durch. Ausgeschlossen vom Training sind allerdings Menschen mit Herzschrittmachern, Schwangere oder Epileptiker. Pachnickes Kunden sind zwischen 19 und 71 Jahren alt. Durch die gezielte Muskelansprache sollen sogar Inkontinenz und Rückenschmerzen innerhalb kürzester Zeit therapierbar sein.

"Vor allem aber fällt das Zeitargument weg", sagt Pachnicke, da ein Training nur 25 Minuten dauere. 20 Minuten für die Muskelstimulation, fünf Minuten für das Umziehen. Eine Jahresmitgliedschaft (einmal Training in der Woche) kostet 79 Euro im Monat, will man zweimal in der Woche trainieren, werden 109 Euro im Monat fällig. Wer sich zeitlich nicht binden will, zahlt für eine Zehnerkarte bei 25 Minutes 299 Euro. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner André Warkotsch plant Pachnicke bereits eine weitere Filiale in Blankenese. Im Franchiseverfahren wollen die beiden dann in ganz Deutschland expandieren.

Die Chancen für einen Erfolg stehen nicht schlecht: Schon 50 000 Menschen trainieren mit der EMS-Methode in Deutschland. Der Branchenverband geht insgesamt von einem Anstieg der Mitgliederzahl von 2,5 Prozent in diesem Jahr aus. Dabei dürften nach aktuellen Berechnungen rund 3500 neue Microstudios in den kommenden sieben Jahren entstehen. Im Gegensatz zu den USA oder den Niederlanden, wo bereits 15 Prozent der Gesamtbevölkerung in Fitnessstudios trainieren, gibt es in Deutschland mit einer Quote von knapp zehn Prozent noch Entwicklungspotenzial.

Dennoch konnten sich neben den EMS-Anbietern auch andere familiäre Microstudiokonzepte hierzulande etablieren, so wie Calory Coach. Und das, obwohl die Franchisekette im Gegensatz zu 25 Minutes nur auf die Hälfte der potenziellen Kunden setzt: "Unser Angebot richtet sich ausschließlich an Frauen", sagt Alexandra Grave vom Calory-Coach-Institut in Seevetal. Mit Instituten anstatt Studios, Gruppen- statt Einzeltraining und Zusammengehörigkeitsgefühl statt Einzelkämpfertum spricht das Unternehmen seine Kundinnen an. "Den Frauen ist es wichtig, sich in der Gemeinschaft wohlzufühlen", sagt Grave. In den Räumen, die nicht größer als zwei Wohnungen sind, trainieren die Frauen gemeinsam an hydraulischen Geräten. "Sie stammen aus dem Rehabilitationsbereich und können dem individuellen Leistungsspektrum angepasst werden", sagt Grave. Zusätzlich gibt ein Onlineportal Hilfestellung bei Rezepten für gesundes Essen, Einblicke in die persönlichen Körperdaten und die Möglichkeit zur persönlichen Beratung durch Fitness-Experten. Als ehemalige Profibodybuilderin und Pädagogin hat Alexandra Grave lange Zeit nach einem Konzept gesucht, das ihre Qualifikationen in optimaler Weise kombiniert. Zwar glaube auch sie, dass der Trend zu den Microstudios weiter zunehmen wird. Doch die kleinen Anbieter mit ihren sehr speziellen Angeboten würden den großen Discountketten wohl kaum den Rang ablaufen können, so Grave. "Dafür sind die Bedürfnisse der Kunden dann doch zu verschieden."