Niedriglöhne machen der Branche zu schaffen. Die Hamburger Kette Ryf kritisiert die Billigkonkurrenz und sucht dringend Azubis.

Hamburg. Sie ist 21 Jahre jung und leitet den Salon der Friseurkette Ryf Coiffeur am Erdkampsweg in Hamburg. Sina Tumuscheit ist damit Ryfs jüngste Friseurmeisterin und Salonleiterin in Deutschland. Derzeit absolviert sie eine zusätzliche Fachtrainerausbildung, um Azubis und Gesellen beizubringen, wie der richtige Haarschnitt perfekt sitzt oder wie Strähnchen optimal gemacht werden. Die junge Meisterin hat bei Ryf ihre Ausbildung absolviert und macht nun Karriere. Ihr Salon befindet sich direkt neben der Unternehmenszentrale von Deutschlands drittgrößter Friseurkette mit 30 Millionen Euro Umsatz, 1000 Mitarbeitern und 120 Salons, davon zehn in der Schweiz sowie rund 22 in Hamburg und der Metropolregion.

"Unsere Mitarbeiter sind unser höchstes Gut und natürlich fest angestellt", sagt Frank Breckwoldt, neben seinem Bruder Rolf der Hauptgesellschafter des Unternehmens. Mit Salons, die nur tage- oder monatsweise Stühle an freischaffende Kollegen vermieten, kann er nichts anfangen, genauso wenig wie mit Billigketten, die einen Haarschnitt für zehn Euro anbieten. "Das ist katastrophal. Unsere Branche ist der einzige Handwerksbereich, der es geschafft hat, die Preise nach unten zu drücken", sagt er. Bei Ryf kostet einDamenhaarschnitt 35 bis 45 Euro.

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Die 1,25 Millionen Kunden des Unternehmens honorieren offenbar, dass bei Ryf Stammpersonal arbeitet. "90 Prozent unserer Gäste sind auch Stammkunden." Breckwoldt regt sich weniger darüber auf, dass ihm die neue Konkurrenz Kunden wegnehmen könnte. Er kritisiert, dass wegen der Billigpreise und -löhne das Image des Friseurberufs für Schulabgänger unattraktiv wird. Darunter leidet auch Ryf. Mit 160 Auszubildenden gehört das Unternehmen zu den großen Lehrstellenanbietern in der Branche. Doch es finden sich immer weniger gute Bewerber. "Allein im Großraum Hamburg haben wir noch rund 20 Plätze offen", sagt Marc Breckwoldt, Neffe von Frank und Mitgesellschafter der Firma. Ausbildungsbeginn ist der 1. August.

Dass die deutsche Wirtschaft wegen des demografischen Wandels bald um jede Fachkraft kämpfen muss, haben die Breckwoldts bereits vor Jahren erkannt. 2007 gründeten sie deshalb mit Unterstützung des Haarspezialisten Wella, der Trainer und Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, eine Ausbildungsakademie, das Ryf Junior College. 40 Tage wird der Friseurnachwuchs im ersten Lehrjahr in Hamburg (am Mittelweg), Berlin, Düsseldorf oder Zürich in Schnitttechniken, dem Färben oder auch im richtigen Umgang mit den Kunden, die Ryf Gäste nennt, geschult. Dazu gibt es Hausaufgaben, die von den Ausbildern genau kontrolliert werden. Schon nach einem Jahr wird eine Prüfung abgelegt, die laut Ryf fachlich anspruchsvoller ist als die Gesellenprüfung. Anschließend werden weitere Seminare angeboten. "Wir zeigen nicht nur Handwerkstechniken, sondern offerieren auch Kurse in Betriebswirtschaft oder Vertriebsfragen", sagt Marc Breckwoldt. "Unsere Auszubildenden können später Salons führen oder auch Gebietsleiter werden, die mehrere Geschäfte unter sich haben. Auch eine Karriere als Trainer ist möglich."

+++Friseure bekommen erstmals Flächentarifvertrag+++

Sämtliche Kosten für die Aus- und Weiterbildung trägt die Firma. "Nicht etwa aus Altruismus, sondern weil es bei der Frage der Mitarbeiter um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens geht", sagt Frank Breckwoldt, der auch die Meisterkurse seiner Mitarbeiter mitfinanziert, wenn die Führungskräfte in spe sich für vier Jahre bei Ryf verpflichten.

Das deutsche Friseurgewerbe ist von Frauen dominiert, die Fluktuation ist hoch. Auch bei Ryf. "Im Schnitt bleibt eine Friseurin sieben Jahre im Beruf", weiß Marc Breckwoldt. Das liegt nicht an fehlender Perspektive oder der Vergütung. Ryf zahlt nach Tarif (1150 bis 2000 Euro) und beteiligt alle Beschäftigten je nach Leistung am Umsatz. Vielmehr sei die Familienplanung der Grund. "Darum investieren wir so intensiv in die Aus- und Weiterbildung junger Talente", bekräftigt das Duo.

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Die Hamburger Unternehmerfamilie Breckwoldt hat die Schweizer Friseurkette 1984 übernommen. "Wir waren an der Pflegeserie Ryf of Switzerland interessiert." Doch die gab es nur zusammen mit den Salons. Damals besaßen die Breckwoldts noch die Haarpflegemarke Dralle, die sie 1991 allerdings an den französischen Konzern L'Oréal verkauft haben. Damit sicherten sich die Franzosen die Marktführerschaft im deutschen Haarpflegebereich. Den Breckwoldts blieb die Marke Ryf. Und die bauten Frank und Rolf konsequent aus. Auch heute könnte die Firma weiter wachsen, wenn sie dafür die geeigneten Mitarbeiter finden würde.

Frank Breckwoldt arbeitet mittlerweile nur noch die Hälfte seiner Zeit in dem Unternehmen. Seit einigen Jahren hat der 68-Jährige einen zusätzlichen Job. Mit seiner Firma Hochleistung und Menschlichkeit trainiert er Führungskräfte in ganz Deutschland, insgesamt waren es bislang mehr als 7000. Kunden sind unter anderem Media-Markt, Roßmann und mehrere Hamburger Mittelständler. "Ich versuche, den Führungskräften klarzumachen, dass sie mit den Mitarbeitern fair umgehen müssen. Nur dann werden diese dauerhaft Hochleistungen bringen. Von einem fairen menschlichen Umgang profitieren beide Seiten", sagt Frank Breckwoldt, der auch als Redner bei Kongressen der Personalwirtschaft gebucht wird.

Sein neuestes Projekt ist die Gründung eines Ethikforums der Wirtschaft, das seinen Sitz in Hamburg haben soll. "Leistungsdruck spielt in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle. Genauso unverzichtbar ist aber auch die Ethik in der Wirtschaft", so der Unternehmer. Das Forum solle nicht nur für mehrMoral in der Wirtschaft sorgen, sondern auch dafür, dass das Fach Ethik wichtiger Bestandteil des Schulunterrichts und der betriebswirtschaftlichen Ausbildung wird. "Ethik rechnet sich - auch für die Wirtschaft", davon ist Breckwoldt überzeugt.