Haushaltsdefizit laut Medienbericht größer als von IWF und EU vorgegeben. Proteste der Bevölkerung in Athen

Athen. Für das überschuldete Griechenland wird es immer enger: Erst verweigerte sich die Opposition abermals dem Sparkurs von Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Nun muss Athen nach Informationen des "Spiegels" auch noch mit einem verheerenden Zeugnis zu seinen Sparbemühungen rechnen. Nach dem aktuellen Bericht der sogenannten Troika von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission verfehle Griechenland bislang alle mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Finanzziele. Das Defizit im Staatshaushalt falle wegen unverhältnismäßig hoher Staatsausgaben größer aus als erwartet, zitiert der "Spiegel" aus dem Bericht. Außerdem blieben die Steuereinnahmen hinter den Vorgaben zurück. Allerdings dementierte der griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou Meldungen, wonach der Bericht der "Troika" bereits vorliege. Die internationalen Experten prüften auch am Wochenende noch die Bücher in Athen.

Das Land hat nur noch bis Mitte Juli Mittel, um seine Verpflichtungen zu erfüllen und Löhne sowie Pensionen zu zahlen. "Über die nächste Tranche werden wir nach dem Bericht der Troika entscheiden", zitiert das Magazin EU-Währungskommissar Olli Rehn. "Die Lage ist sehr ernst."

Zuvor hatte der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, Medienberichten zufolge in Luxemburg gesagt, falls der IWF seinen Teil der aktuellen Tranche von gut drei Milliarden Euro nicht auszahlen wolle, werde von den Europäern erwartet, dass diese den Ausfall "auf ihre Kappe nehmen" müssten. Unterdessen gingen am Wochenende wieder Tausende Griechen auf die Straße, um gegen den Sparkurs der Regierung zu protestieren. Aufgerufen hatte die vor allem über das Internet organisierte Bewegung der "Empörten Bürger". In Athen schlugen am Sonnabend viele Demonstranten mit Kochlöffeln und Töpfen Krach. Sie riefen "Diebe, Diebe" in Richtung Parlament.

Papandreou will mit seinem neuen Programm in vier Jahren 78 Milliarden Euro sparen; einen großen Teil davon will die Regierung mit dem Verkauf von Staatsbesitz einnehmen. Das Land war 2010 als Erstes in der EU mit einem Hilfspaket von 110 Milliarden Euro vor dem Abgrund gerettet worden; mittlerweile wird immer klarer, dass dies nicht reichen wird. Im Gespräch sind weitere 30 bis 60 Milliarden Euro, die zusätzlich benötigt werden. Außerdem macht das Wort von einer "weichen" Umschuldung die Runde, beispielsweise durch eine zeitliche Streckung laufender Zahlungsverpflichtungen.

Aus Sicht der EZB muss der Verkauf von Staatsbesitz schneller verlaufen als von der Regierung geplant. "Man sollte hier ehrgeiziger sein. Das würde den Schuldenstand um 20 Prozentpunkte drücken", sagte EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark der "Welt am Sonntag". Er verlangte die Schaffung einer unabhängigen Privatisierungsagentur. "Dafür kann man sich die Erfahrungen anderer Staaten zu eigen machen, einschließlich der Treuhandanstalt in Deutschland", sagte er. "Die griechische Regierung hält Anteile an börsennotierten Unternehmen, sie besitzt Immobilien. Experten schätzen das Verkaufspotenzial auf bis zu 300 Milliarden Euro. Ein Teil dieser Werte muss mobilisiert werden, um den Schuldenstand zu senken." Ausdrücklich sprach sich Stark gegen eine "weiche Umschuldung" aus. Nach Ablauf der verlängerten Laufzeiten für Staatsanleihen säßen die Griechen auf einem noch höheren Schuldenberg.