Ökonomen rechnen mit Boomjahr - auch in Hamburg. Philipp Rösler für mehr Zuwanderung

Hamburg. Die Wirtschaft in Deutschland bleibt in Hochstimmung. Angetrieben von kräftigen Investitionen in Bauten, Maschinen und Fahrzeugen setzt sich der robuste Aufschwung in den ersten drei Monaten beschleunigt fort. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im Vergleich zum Vorquartal real um 1,5 Prozent. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum gab es sogar ein Plus von 5,2 Prozent. Auch die Firmen sind weiter bester Laune: Nach zwei leichten Dämpfern in den beiden vergangenen Monaten verharrt der Ifo-Index im Mai entgegen vieler Erwartungen auf der Marke von 114,2 Punkten. Damit bleibt der wichtigste Frühindikator der deutschen Wirtschaft auf einem der höchsten Werte seit der Wiedervereinigung.

In Hamburg fällt das Wachstum mit einem Plus von 0,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat und 4,7 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2010 zwar etwas geringer aus. "Doch auch in der Hansestadt haben wir eine sehr robuste Entwicklung, die vor allem vom Hafen, dem Einzelhandel und dem Tourismus getragen wird", sagt der Konjunkturchef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Bräuninger, dem Abendblatt. Den Unterschied zum Bund erklärte er vor allem mit der höheren Bedeutung der Industrie in anderen Bundesländern, die derzeit der Hauptträger des Aufschwungs sei. "Das Wachstum wird sich auch in den kommenden Monaten fortsetzen, wenn auch in abgeschwächter Form", ist Bräuninger überzeugt. Dazu trage neben dem Export auch die gestiegene Binnennachfrage bei. Risiken sieht er allerdings in der hohen Staatsverschuldung der südlichen Euro-Staaten und im schwindenden Vertrauen in die Gemeinschaftswährung. "Sollte es zu einer Insolvenz eines Euro-Landes kommen, könnte das ganze Finanzsystem aus den Fugen geraten." Insgesamt geht Bräuninger von einem Wachstum der deutschen Wirtschaft von "deutlich über drei Prozent" in diesem Jahr aus, andere Forschungsinstitute prognostizieren bis zu 3,5 Prozent.

"Die Konjunkturampeln in Deutschland stehen nach wie vor auf Grün", ist auch Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn überzeugt. Fachleute hatten erwartet, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex im Mai zum dritten Mal in Folge leicht nachgeben könnte - und sich damit womöglich eine Trendwende angedeutet hätte. Doch von einem grundsätzlichen Stimmungsumschwung ist bislang nichts zu spüren. "Die gute Geschäftslage wird von den Unternehmen nochmals als besser eingestuft", sagte Sinn. Die Erwartungen für das kommende Halbjahr sind aber etwas gedämpfter. Für das verarbeitende Gewerbe sank der Index zum dritten Mal in Folge leicht. Dennoch wollen die Firmen weiter neue Mitarbeiter einstellen. Die Stimmung im Einzelhandel legte ein weiteres Mal deutlich zu.

Ausgebremst werden könnte der Aufschwung noch durch den zunehmenden Fachkräftemangel. Diesem will Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler mit mehr Zuwanderung begegnen. "Für das Gedeihen Deutschlands können wir auf qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland nicht verzichten", sagte der FDP-Politiker gestern nach einem Gespräch mit den Chefs großer Wirtschaftsverbände. Er unterstütze die Forderung der Wirtschaft nach einer gesteuerten Zuwanderung nach festen Kriterien. "Das ist keine Bedrohung für unser Land, sondern eine Bereicherung." Jedoch blockiert die CSU seit Langem die geplante schwarz-gelbe Zuwanderungsreform. Rösler verständigte sich mit den Wirtschaftsverbänden auf konkrete Ziele. Die Einkommensgrenze soll von 66 000 Euro auf etwa 40 000 Euro sinken. So viel muss bisher ein ausländischer Experte pro Jahr bei einer deutschen Firma verdienen, um eine dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu bekommen. Außerdem wird an eine Art Punktesystem wie in Kanada gedacht, bei dem dort potenzielle Zuwanderer beispielsweise nach Bildung und Sprachkenntnissen bewertet werden. Bislang müssen die Arbeitsagenturen immer erst nach geeigneten deutschen Bewerbern suchen.