Der Rohstoff Holz erlebt eine Renaissance. Das Unternehmen German Pellets in Wismar will davon profitieren. Jobs wurden geschaffen.

Wismar. Schwer beladene Sattelschlepper donnern über die Straßen des Wismarer Industrieviertels. Sie rollen auf den Hof des Fabrikgeländes und in das benachbarte Areal mit dem Holzlager. Von den Lastwagen werden geschnittene Baumstämme entladen oder auch tonnenweise Sägespäne. In der Fabrikanlage rauschen Förderbänder, brummen Pressmaschinen und Verpackungsautomaten. Hier wird deutscher Wald für den Ofen zerlegt - und nicht nur der. "Eine Ladung aus Frankreich, im Hafen gerade frisch angekommen, Holz aus einem Sturmschaden", sagt Michael Walewski, Marketingleiter von German Pellets, mit Blick auf eine frische Fuhre Baumstämme im Lager.

Fast 2000 neue Arbeitsplätze hat die Ansammlung von Unternehmen aus der Holzbranche der Hansestadt Wismar in jüngerer Zeit gebracht. Die Stadt braucht sie dringend, die Arbeitslosenquote liegt bei 16,7 Prozent. Holz für die Möbelindustrie wird hier verarbeitet, als Material für die Bauwirtschaft - und als Brennstoff für Öfen und Kraftwerke.

Peter Leibold, 54, sitzt in einem Konferenzraum des Verwaltungsgebäudes. Viel Zeit hat der Chef und Inhaber von German Pellets nicht. Der Holzmarkt ist in Bewegung, da muss er dabei sein, Termine drängen. Das Reaktorunglück im japanischen Fukushima hat die Diskussion um die Energieversorgung in Deutschland neu entfacht. Ohne Atomstrom soll es hierzulande nun möglichst bald gehen und irgendwann gern auch ohne Kohlekraft. Die erneuerbaren Energien rücken von der Peripherie ins Zentrum des Geschehens, sie werden aus heutiger Sicht die Basis der künftigen Energiewirtschaft bilden. Und keinen nachwachsenden Rohstoff nutzt der Mensch für seine Energieversorgung bereits so lange wie Holz.

Die Energie aus dem Wald steht in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern vor einer Renaissance. Leibold nennt überraschende Größenordnungen. "Die Leistung von acht bis neun Atomreaktoren könnte komplett durch Holzkraftwerke ersetzt werden, ohne dass es dadurch beim Holz als Brennstoff einen Engpass geben würde." Das wäre immerhin die Hälfte aller Atomanlagen, die in Deutschland heute noch zur Stromerzeugung zur Verfügung stehen.

Seit Jahren schon werden Holzpellets nicht nur in Hausheizungen eingesetzt, sondern zunehmend auch in Großkraftwerken, denn das verbessert deren Klimabilanzen. German Pellets exportiert seine Ware unter anderem an Kraftwerksbetreiber in Dänemark und Schweden. Der Essener Energiekonzern RWE eröffnete gerade ein neues Pelletwerk im US-Bundesstaat Georgia. Von dort sollen jährlich mehrere Hunderttausend Tonnen Holzpellets nach Europa geliefert werden, die RWE in Kraftwerken in den Niederlanden und in Großbritannien einsetzen will.

German-Pellets-Chef Leibold hat zunächst vor allem den Wärmemarkt im Blick, mit Holzpellets als Brennstoff für Etagen- oder Zentralheizungen. "In einem durchschnittlichen deutschen Haushalt entfallen 88 Prozent des Energieverbrauchs auf die Wärmeerzeugung, zwölf Prozent auf die Versorgung mit Strom. Für uns ist der Wärmemarkt ein schlafender Riese."

Im Jahr 2005 gründete Leibold in Wismar German Pellets. Es gab damals schon einige Hersteller der aus Holzspänen gepressten Stäbchen. Doch der deutsche Markt war winzig. Lange hatte Leibold als Manager in der Zeitungsbranche gearbeitet, unter anderem beim Süddeutschen Verlag. Dann übernahm er die Leitung eines Sägewerks in Wismar, das dem Unternehmen seines Schwagers Fritz Klausner gehörte. Bei Reisen vor allem nach Skandinavien fiel Leibold auf, dass Holz großes Potenzial als Brennstoff in Heizungen wie auch in Kraftwerken besitzt. Mit dieser Erkenntnis machte er sich selbstständig.

Leibold trieb das Wachstum des Unternehmens schnell voran. Mittlerweile ist German Pellets mit einem Marktanteil von rund 45 Prozent der führende Hersteller von Holzpellets in Deutschland und nach Angaben des Gründers auch Marktführer in Europa. 1,2 Millionen Tonnen Brennstäbchen kann das Unternehmen in seinen derzeit neun deutschen Werken jährlich produzieren' rund die Hälfte wird exportiert. 340 Mitarbeiter hat das Unternehmen, davon rund 120 in Wismar.

German Pellets nutzt Festholz ebenso wie Späne und andere Reststoffe aus Sägewerken und aus der Industrie. Stammholz wird zunächst zu Span zerhobelt und dann getrocknet. In den gelöcherten Wänden schnell rotierender Stahltrommeln wird der Span zu Stäbchen gepresst. Ein Überzug aus Pflanzenstärke sorgt für den Zusammenhalt und die Griffigkeit der Pellets. Die höhere Qualität für den Hausgebrauch wird in Säcke abgepackt. Industriepellets gehen zu Tausenden Tonnen per Schiff, Zug oder Lastwagen als Brennstoff in Kraftwerke. Als Nebengeschäft baute German Pellets vor einigen Jahren eine Produktion von Streu für Pferde, Nutzvieh und Haustiere auf.

Rund sechs Prozent der Gebäudewärme und etwa zwei Prozent des Stroms in Deutschland werden derzeit aus Holz gewonnen. Leibold sieht sein Gewerbe vor goldenen Zeiten. Der Heizungsbestand sei überaltert und müsse in den kommenden Jahren umfassend modernisiert werden. Um das Geschäft mit Pellets zu ergänzen, übernahm Leibold 2010 den Ofenhersteller Kago in Bayern. Rund 2500 Euro kostet ein Pellet-Ofen, von 10 000 Euro an wird eine Zentralheizung geliefert. "In Deutschland gibt es derzeit nur rund 150 000 Pelletheizungen, das entspricht gerade mal einem Prozent Marktanteil", sagt Leibold. Vor allem im Vergleich zu Ölheizungen sieht sich German Pellets im Vorteil: "Unsere Pellets kosten, auf Basis des Heizwertäquivalents, derzeit rund 50 Prozent weniger als Heizöl. Selbst wenn es nur 30 Prozent wären: Der Unterschied ist signifikant."

Nicht überall in der deutschen Wirtschaft allerdings ist man über die Perspektiven der Holzverbrennung erfreut. Einen Konflikt zwischen "Teller und Tank", wie bei der Erzeugung von Biosprit aus Agrarpflanzen, gibt es am Holzmarkt zwar nicht. Wohl aber konträre Interessen zwischen Unternehmen, die Holz verbauen, und solchen, die es direkt dem Ofen zuführen. "Eine undifferenzierte Förderung erneuerbarer Energien führt zu Preissteigerungen für den Rohstoff Holz und gefährdet damit einen bedeutenden Wirtschaftszweig", sagt Denny Ohnesorge von der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher. Holz müsse in der Regel erst verbaut werden, bevor man es verbrennt.

Skepsis äußert Philipp Freiherr zu Guttenberg, der Bruder des früheren Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Selbst Waldbesitzer, ist er als Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände der oberste Forstlobbyist im Land: "Grundsätzlich ist es gut, dass die Nachfrage nach Holz durch die Energiewirtschaft steigt. Das verbessert die wirtschaftliche Lage gerade der vielen Besitzer kleinerer Waldflächen." Er warne aber vor zu großen Erwartungen: "Das Prinzip der Nachhaltigkeit, nicht mehr zu verbrauchen als nachwächst, stammt aus der deutschen Forstwirtschaft. Wir werden diesen Grundsatz nicht infrage stellen." Unter den rechtlichen Bedingungen in Deutschland halte er eine Steigerung von höchstens zehn Prozent bei der Holznutzung in der Energiewirtschaft für realistisch. "Wer mehr will, müsste auch die heutigen Restriktionen bei der Waldnutzung zur Diskussion stellen, die durch den Natur- und Artenschutz bestehen."

Holzunternehmer Leibold hingegen sieht die Versorgungslage gelassen. Vom Wismarer Hafen fährt der nächste Sattelschlepper mit Baumstämmen für German Pellets heran. "Deutschland hat die größten Holzressourcen Europas, und nur 60 bis 70 Prozent der jährlich nachwachsenden Holzmengen werden aktuell genutzt. Dazu kommen große Ressourcen vor allem im Ostseeraum. Über den Nachschub", sagt Leibold, "machen wir uns keine Sorgen."