Gewerkschaftschef Claus Weselsky wehrt sich gegen Aussperrungen und zahlt ein höheres Streikgeld. Nachtverbindungen der AKN fallen aus

Hamburg. Die Lokführergewerkschaft GDL hat den Streik bei der Nord-Ostsee-Bahn (NOB) und bei der AKN bis Montag früh zwei Uhr verlängert. Das Abendblatt sprach mit GDL-Chef Claus Weselsky über den Rückhalt der Lokführer bei den Bürgern, Gewerkschaftsaustritte und die Gründe für weniger Züge zum Hafengeburtstag.

Hamburger Abendblatt:

Der Regional- und Nahverkehr im Norden wird nun mehr als zwei Tage länger behindert als bisher geplant. Musste das sein?

Claus Weselsky:

Diese Frage sollten Sie den Arbeitgebern stellen.

Warum? Die GDL streikt doch?

Weselsky:

Aber in den Veolia-Unternehmen, zu denen auch die NOB gehört, wurden am Mittwoch und Donnerstag Lokführer ausgesperrt. Die Arbeitgeber nehmen also keine Rücksicht auf die Fahrgäste und kalkulieren ein, dass Verkehre eingeschränkt laufen. Dazu wurden als Wackelkandidaten eingestufte Lokführer gezielt angesprochen und ihnen die Aussperrung persönlich in die Hand gedrückt. Da haben wir gesagt: Jetzt verlängern wir den Streik.

Und Sie glauben, dass die Menschen, die darunter leiden, dennoch auf Ihrer Seite stehen?

Weselsky:

Die Bürger haben Verständnis. Die fragen sich eher, was bei Veolia los ist. Das Unternehmen verhandelt als einziges der sechs großen Privatgesellschaften nicht mit uns.

Die AKN hat aber mit Veolia nichts zu tun. Die Menschen im Umland von Hamburg werden es nun schwieriger haben, den Hafengeburtstag zu besuchen. Wer soll dafür Verständnis haben?

Weselsky:

Bei der AKN sollten die Lokführer dadurch gefügig gemacht werden, dass eine übertarifliche Lohnerhöhung für Streikende ausgesetzt wurde. Da haben die Kollegen in der Belegschaft gefordert, gezielt die Anfahrt zum Hafengeburtstag zu behindern.

Was fehlt noch zu einer Einigung?

Weselsky:

Zwischen dem mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) abgeschlossenen Vertrag und unserer Forderung liegt beim Lohn eine Differenz von 6,25 Prozent. Wir wollen zudem, dass nur die 30 bis 45 Minuten Mindestpausen pro Schicht nicht bezahlt werden. Veolia will dies für alle Pausen. Das bedeutet, dass bei fahrplanbedingten Unterbrechungen die Lokführer kein Geld erhalten. Sie sind länger unterwegs und bekommen weniger Geld. Das akzeptieren wir nicht.

Wie soll das Problem gelöst werden?

Weselsky:

Die Arbeitgeber müssen nur guten Willen zeigen und verhandeln.

Und die GDL wird bis dahin die Fahrgäste weiter frustrieren?

Weselsky:

Der Frust sollte sich gegen die richten, die die Streiks zu verantworten haben - die Arbeitgeber. Wir können noch wesentlich länger als bisher streiken. Dies richtet sich nicht gegen die Fahrgäste, sondern gegen die Arbeitgeber, denen wir Schaden zufügen wollen. Zunächst werden wir in der kommenden Woche neu festlegen, wie es künftig weitergeht.

Herr Weselsky, Sie wollen ein höheres Streikgeld zahlen. Ist das eine Durchhalteprämie für GDL-Mitglieder?

Weselsky:

Nein, das ist nicht mehr als eine normale Reaktion. Wir können keine Prämien zahlen wie die Arbeitgeber, die pro Schicht Streikbrechern 100 bis 150 Euro zusätzlich gegeben haben.

Wie viel gibt es denn mehr für streikende Lokführer?

Weselsky:

Statt acht Euro pro Stunde und maximal 45 Euro am Tag stocken wir auf zehn Euro pro Stunde und 60 Euro am Tag auf. Das Streikgeld ersetzt aber niemals, was die Leute verlieren. Manchen von ihnen fehlen bis zu 400 Euro im Monat. Sie stehen mit 1200 Euro brutto da. Wir wollen nicht, dass unsere Mitglieder durch wirtschaftliche Not ihre Interessen aufgeben müssen.

Inzwischen gibt es Austritte aus der GDL. Wurde der Bogen überspannt?

Weselsky:

Dass nun scharenweise die Mitglieder bei uns austreten, ist reines Arbeitgeberwunschdenken. Es gibt im Gegenteil Lokführer, die bisher keiner Gewerkschaft angehört haben, die sich solidarisch erklären und eintreten. Insgesamt gibt es mehr Ein- als Austritte.

Die Fahrgäste dürften vor allem darauf hoffen, dass es eine rasche Lösung gibt. Wagen Sie eine Prognose?

Weselsky:

Bis zum Sommer halten die Arbeitgeber nicht durch. Deshalb wäre es vernünftig, jetzt zu Abschlüssen zu kommen. Wir sind auch bei den Gesellschaften, die jetzt länger bestreikt werden, weiter kompromissbereit.