Bei der Hauptversammlung von Volkswagen in Hamburg verspricht VW-Chef Martin Winterkorn weitere Rekorde. Dividende enttäuscht Aktionäre.

Hamburg. Die Stimmung bei der Hauptversammlung von Volkswagen im Hamburger CCH, wo der Wolfsburger Konzern traditionell seine Aktionäre begrüßt, erreichte zwischen Würstchenständen und Dutzenden VW Golfs, Bugattis und Porsches gestern einen Volksfestcharakter. Die Anteilseigner freuten sich über eine glänzende Kursentwicklung. Immerhin hat sich der Wert der Vorzugsaktien in den vergangenen zwei Jahren fast verdreifacht. Und VW-Chef Martin Winterkorn verkündete gut gelaunt, dass der Konzern auf seinem Weg zum weltgrößten Autobauer bestens vorankomme. Mit 30 neuen Modellen will der Hersteller seine Käufer überraschen. Und bis 2018 weltweit unter anderem in neuen Fabriken in Russland, Indien und den USA 50 000 Arbeitsplätze schaffen.

Besonders umschwärmt auf der aufwendig gestylten Autoausstellung von VW vor dem CCH waren die beiden neuen Modelle VW Beetle und Golf Cabrio. "Für das Cabrio interessiert sich meine Tochter, da wollte ich mir das Auto schon mal anschauen", sagt Jörg Häuer, 67. Der Aktionär aus Lübeck freut sich, dass "man als Normalsterblicher mal in einen Porsche Panamera einsteigen kann", und hat sogar bemerkt, dass bei all den Wagen hier die Felgen so ausgerichtet sind, dass das VW-, das Bentley- oder Skoda-Logo lesbar sind und nicht auf dem Kopf stehen.

Es sind die kleinen Dinge, die an diesem Tag ins Auge springen. Denn mit den großen Entscheidungen, mit den wirklich wichtigen Weichenstellungen in ihrem Konzern sind die Aktionäre fast unisono einverstanden.

Immerhin hatten die Wolfsburger schon 2010 ein Rekordergebnis eingefahren. "Und wir wollen in diesem Jahr noch mehr Fahrzeuge verkaufen, noch mehr Umsatz erzielen und ein noch höheres operatives Ergebnis einfahren als im Rekordjahr 2010", sagte Winterkorn, der sich auf dem Podium gelegentlich zu seinem Nachbarn Ferdinand Piëch beugte. Für den Autopatriarchen, der privat gerne in seinem Audi R8 aufs Gaspedal drückt, wird die Veranstaltung mit der fortschreitenden Integration von Porsche immer mehr zum Familientreffen. Im Aufsichtsrat sitzen neben ihm sein Bruder Hans Michael Piëch und mit Ferdinand Oliver Porsche ebenfalls ein Verwandter.

Das Ziel, den jahrelang von ihm geführten VW-Konzern und die von seinem Großvater Ferdinand Porsche gegründete Sportwagenschmiede zusammenzuführen, ist fast erreicht. "Allerdings liegen nach wie vor einige nicht unerhebliche steuerliche und juristische Hürden vor uns", schränkte Winterkorn ein. In den USA laufen Schadenersatzklagen von Investoren, die sich von Porsche über die wahren Absichten bei der geplanten VW-Übernahme getäuscht fühlen. Auch VW selber soll jetzt in die Schusslinie von Klägern kommen. Sie verlangen nach Medienberichten mehrere Milliarden Dollar, weil Aufsichtsräte wichtige Informationen zurückgehalten haben sollen.

Porsche wird derweil im VW-Konzern mit seinen Marken Volkswagen, Bugatti, Lamborghini, Skoda, Seat, Scania, Bentley, Audi und VW-Nutzfahrzeuge als zehnte Tochter integriert, und diese Expansionsstory sahen nicht alle Besucher gestern in Hamburg positiv: "Erst Porsche, und jetzt sind sie auch noch an Isuzu interessiert", sagt Peter Grosche, ehemaliger Mitarbeiter in der Montage. "Wie wollen die das bloß alles managen?"

Skeptische Einschätzungen, wonach die Größe des Konzerns mit inzwischen fast 400 000 Mitarbeitern riskant werden könnte, wollte Winterkorn aber nicht teilen. "Unser Ziel ist es nicht allein, der größte Autobauer zu werden. Volkswagen will ökonomisch und ökologisch die Nummer eins werden", sagte er. Nachholbedarf gebe es dabei noch für die Marke Volkswagen, kritisiert Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer "VW liegt mit einer Umsatzrendite von 4,6 Prozent unter dem Wert von Ford", sagte Dudenhöffer dem Abendblatt, die Amerikaner erreichten weltweit einen Wert von 8,5 Prozent.

Unter den wenigen Misstönen gestern war auch die Kritik von Aktionärsschützern an der Dividende. Zwar hatte die Führung wegen der satten Gewinne schon eine erhöhte Ausschüttung von 2,20 Euro für Stammaktien und 2,26 Euro für Vorzüge vorgeschlagen. "Das ist zu wenig", sagte Hansgeorg Martius vom Kleinaktionärsverband SDK, eine Ausschüttungsquote von 15 Prozent sei zu niedrig. "Wir fordern 50 Prozent." Von der geringeren Ausschüttung sind nicht nur die Kleinaktionäre betroffen, sondern auch als einer der Großinvestoren das klamme Niedersachsen. Ministerpräsident David McAllister (CDU), der sich gestern gut gelaunt im neuen Ein-Liter-VW ablichten ließ, bekommt aber ein nicht allzu kleines Trostpflaster: Sein Vorgänger Christian Wulff hatte sich bei VW dafür eingesetzt, dass der angeschlagene Autozulieferer Karmann in seiner Heimatstadt Osnabrück von VW übernommen wird. Volkswagen hat dort Hunderte Arbeitsplätze gerettet und wird in dieser Fabrik das Golf Cabrio fertigen. Schon allein damit beschert der größte industrielle Arbeitgeber Niedersachsens der Region Einnahmen aus Lohn- und Gewerbesteuern in Millionenhöhe.