Bankexperten erwarten bis zum Jahresende aber wieder DAX-Anstieg auf bis zu 6900 Punkte. Niedriger Euro hilft Unternehmen. Zinsen dürften in Europa niedrig bleiben

Hamburg. Die Schuldenkrise in Europa und strengere Regulierungen im Finanzsektor verunsichern weltweit die Anleger. Der Deutsche Aktienindex (DAX) verlor am Freitag in der Spitze fast drei Prozent, nachdem zuvor die Börsen in Tokio und New York deutlich ins Minus gerutscht waren. Erst nachmittags konnte sich das deutsche Börsenbarometer wieder erholen, schloss mit 5829 Punkten dennoch mit 0,70 Prozent niedriger als am Vortag.

"Es sind vor allem kurzfristig agierende Profi-Anleger, die jetzt vor dem langen Wochenende ausgestiegen sind", sagt Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse. "Diese Anleger wollen wegen der Turbulenzen um den Euro kein Risiko eingehen." Zwar ist die Börse am Pfingstmontag geöffnet, doch der Handel wird wegen des Feiertages schwach ausfallen.

Anleger fürchten japanische Verhältnisse mit jahrelanger Stagnation

Andere Experten sehen die Kursschwäche nicht nur als ein vorübergehendes Problem. "Die Leute sind besorgt darüber, dass die europäische Konjunktur auf Jahre empfindlich geschwächt sein wird", sagt ein Fondsmanager in London. "Viele Anleger hätten jetzt das hoch verschuldete Japan vor Augen, wo die Wirtschaft seit zehn Jahren weitgehend stagniere", sagt Steffen Neumann von der Landesbank Baden-Württemberg. Doch nicht alle Experten sind so pessimistisch gestimmt. Die Erholung des Marktes am Nachmittag zeigte, dass Anleger auf ermäßigtem Niveau bereit sind, in deutsche Aktien zu investieren. "Wir halten den Pessimismus der Anleger für übertrieben", sagt Andreas Hürkamp von der Commerzbank. Nach einer schweren Rezession sei eine solche Börsenentwicklung nicht ungewöhnlich. "Die Anleger fürchten immer wieder einen Rückfall in die Rezession und agieren unsicher", sagt Hürkamp, der für Ende des Jahres einen DAX-Stand von 6900 Punkten erwartet. Den Durchbruch gebe es aber frühestens im Herbst. "Vorher wird der Markt noch eine Zinserhöhung der amerikanischen Notenbank verdauen müssen." Steigende Zinsen gelten als schlecht für den Aktienmarkt, weil sie Anleihen wieder attraktiv machen.

Niedrige Zinsen und steigende Konzerngewinne stützen Aktien

In Europa wird es allerdings noch dauern, bis die Europäische Zentralbank an der Zinsschraube dreht. "In diesem Jahr ist nicht mehr mit einer Anhebung der Leitzinsen zu rechnen", sagt Intelmann. Deshalb sei das Umfeld für Aktien nach wie vor ideal: niedrige Zinsen und steigende Unternehmensgewinne. Das kräftige globale Wachstum kompensiert bei vielen Unternehmen die schwache Nachfrage aus der Euro-Zone. "Die Unternehmen profitieren jetzt vom schwachen Euro, der beim Exportgeschäft ihre Wettbewerbs- und Gewinnsituation verbessert", sagt Intelmann. Denn Deutschland erwirtschaftet rund 45 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts über Exporte. "Erstmals seit langer Zeit ist der Euro im Vergleich zum Dollar wieder fair bewertet", urteilt Rainer Sartoris von HSBC. Das kommt den deutschen Firmen auch bei Exporten nach Asien zugute, denn dort liege jetzt die Wachstumsregion. Experte Intelmann rechnet mit einem DAX-Stand von 6800 Punkten zum Jahresende. Anleger sollten die Entwicklung Anfang nächster Woche abwarten und dann in den Markt einsteigen, wenn er nicht weiter nachgibt. Als aussichtsreiche Branchen sieht er Auto, Chemie und Maschinenbau.