Der Bundesgerichtshof verlangt ausreichenden Schutz drahtloser Funknetze. Bei ungeschützten Netzwerken drohen Abmahnkosten.

Karlsruhe. Mit dieser Freiheit könnte es bald vorbei sein: im Café oder Hotel mit dem Laptop im Internet surfen, auch wenn man selbst keinen eigenen mobilen Netzzugang hat. An vielen Standorten ist das möglich, weil die Betreiber ein WLAN-Netz zur Verfügung stellen, in das sich die Gäste einwählen können. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) fragen sich viele Internetcafé-Inhaber: Muss ich mein Netz abschalten, weil ich nicht kontrollieren kann, ob meine Gäste zum Beispiel illegal Musiktauschbörsen nutzen oder Klingeltöne herunterladen?

Zumindest für die private Nutzung von WLAN-Netzen haben die obersten Richter klare Regeln aufgestellt. Die Nutzer eines drahtlosen Internetzugangs müssen dafür sorgen, dass eine illegale Nutzung ihres Anschlusses nicht möglich ist (Az.: I ZR 121/08).


Durch ein WLAN-Funknetz (Wireless Local Area Network) ist der Computer kabellos mit dem Internet verbunden. Doch dieses Funknetz macht nicht an der Wohnungstür oder dem Gartenzaun halt, sondern kann auch von anderen Personen im Umkreis von bis zu 100 Metern mitgenutzt werden. Funknetze sind in Privathaushalten inzwischen sehr verbreitet, gehören fast zum Standard. Der Trittbrettsurfer bleibt bei der Mitnutzung anonym, weil er die sogenannte IP-Adresse des arglosen Anschlussinhabers nutzt. Werden später Urheberrechtsverletzungen oder andere Straftaten festgestellt, kann nur der Anschlussinhaber als Verursacher ermittelt werden.

Im vorliegenden Fall hatte ein Unbekannter über eine Musiktauschbörse illegal den Popsong "Sommer unseres Lebens" heruntergeladen. Die Frankfurter Plattenfirma 3p verklagte den Betreiber des WLAN wegen Urheberrechtsverletzung auf Schadenersatz, Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten. Das Landgericht Frankfurt gab der Klage statt, während diese in der nächsten Instanz vom Oberlandesgericht Frankfurt abgewiesen wurde. Der Beklagte hatte argumentiert, dass er zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub war. Das akzeptieren die BGH-Richter nur zum Teil. Zum Verhängnis wurde dem Beklagten, dass er ein vom Hersteller voreingestelltes Passwort "nicht durch ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort ersetzt" hatte, wie es in der Urteilsbegründung heißt.

Es sei aber ausreichend, wenn die zum Zeitpunkt der Installation marktüblichen Sicherungen eingehalten werden. WLAN-Nutzern könne nicht zugemutet werden, "ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen", urteilt der BGH. "Das ist ein ausgewogenes Urteil, das den Verbraucher nicht vor zu hohe Anforderungen stellt", sagt Carola Elbrecht vom Verbraucherzentrale-Bundesverband. Die Hersteller fordert sie auf, den Verbrauchern mit einer verständlichen Beschreibung der WLAN-Sicherheitseinstellungen zu helfen.

Da der WLAN-Betreiber seinen Anschluss nicht ausreichend geschützt hatte, muss er für die Abmahnkosten aufkommen. Künftig dürfen das maximal 100 Euro sein, allerdings nur für die erste Abmahnung. Ein weitergehender Anspruch der Plattenfirma auf Schadenersatz besteht aber nicht. Der Anschlussinhaber habe selbst keine Rechtsverletzung begangen, da ihm kein Vorsatz unterstellt werden könne, so die obersten Richter. Schadenersatz sei erst dann fällig, wenn trotz Abmahnung die Verbindung nicht abgesichert werde.

Aus dem Urteil können sich auch Konsequenzen für die Betreiber von öffentlichen WLAN-Netzen, etwa in Cafés oder Hotels, ergeben. Das erwarten Experten. Denn die Bundesrichter verweisen darauf, dass die Sicherungspflicht für gewerblich Tätige höher sei als für Privatpersonen. "Dieses Urteil macht offene Netze unmöglich, wenn man nicht für das illegale Verhalten anderer verantwortlich gemacht werden möchte", sagt Tabea Rössner, medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.


Auch in anderen Bereichen drohen Computernutzern Gefahren. Cyberkriminalität ist nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts (BKA) ein zunehmendes Sicherheitsproblem. Die Zahl der gemeldeten Fälle von Computer-, Internet- und Informationskriminalität in Deutschland stieg 2009 um rund ein Drittel gegenüber dem Vorjahr an. Gezählt wurden 50 254 Delikte. Zur Cyberkriminalität zählt unter anderem Computerbetrug im Zusammenhang mit dem Handel über Internetportale sowie das "Phishing", bei dem sich Täter mit gefälschten Internetseiten die Kontodaten von Bankkunden erschleichen.