Experten sehen Preissteigerungen von bis zu fünf Prozent, aber befürchten keinen Währungsschnitt

Hamburg. Mit dem Rettungspaket für die strauchelnden Staatsfinanzen südeuropäischer Euro-Länder konnten zwar die Märkte zunächst beruhigt werden. Doch die Wurzel des Übels, die bedrohlich steigende Verschuldung vieler Staaten, bleibt davon unberührt.

Somit rückt die Frage in den Blick, wie verhindert werden kann, dass die Schuldenberge rund um die Welt weiter anwachsen - oder wie sie sich im günstigsten Fall sogar wieder stückweise abtragen lassen. Tatsächlich zeigt die jüngere Geschichte, dass dies nicht unmöglich ist. Ein Beispiel dafür liefert Irland: Dem Inselstaat gelang es, seit Ende der 1980er-Jahre die Verschuldungsquote von anfänglich mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf zeitweise weniger als 30 Prozent zu reduzieren, bevor sie wegen der Finanzmarktkrise wieder anstieg.

"In den letzten 20 bis 30 Jahren sah die Politik zum Schuldenabbau eine Kombination aus staatlichen Ausgabenkürzungen und Maßnahmen zur Erhöhung der Steuereinnahmen vor", heißt es dazu in einer Studie der Schweizer Großbank UBS. Allerdings funktioniere eine solche Politik nur bei kräftigem Wirtschaftswachstum.

Das Wirtschaftswachstum allein wird nicht ausreichen

Doch damit scheide diese zweifellos angenehmste Möglichkeit der Schuldeneindämmung für Länder wie die USA, für Japan und für den Euro-Raum praktisch aus, sagt Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe, dem Abendblatt: "Wir bräuchten ein nominales Wirtschaftswachstum - also einschließlich der Inflationsrate - von ungefähr vier Prozent, um die Verschuldungsquote konstant zu halten. Für 2010 erwarten wir aber nur ein reales Wachstum von rund einem Prozent und eine Preissteigerung von vielleicht 1,3 bis 1,4 Prozent, für das nächste Jahr sieht es nicht wesentlich anders aus."

Eine deutlich anziehende Inflation würde das Bild jedoch ändern - und ein solches Szenario ist nach Auffassung des Finanzwissenschaftlers Stefan Homburg von der Universität Hannover "nicht unwahrscheinlich". Sein Freiburger Kollege Bernd Raffelhüschen etwa erwartet einen Anstieg der Teuerung auf bis zu fünf Prozent in den nächsten Jahren. Der Mechanismus: Steigt die Inflationsrate, verringern sich die Schulden automatisch, weil ihr nominaler (in Zahlen ausgedrückter) Betrag immer gleich bleibt, ihr tatsächlicher Wert bei steigenden Preisen aber abnimmt.

Manche Experten wenden dagegen ein, die Investoren - also die Käufer von Staatsanleihen - würden bei anziehender Inflation auch höhere Zinsen fordern, um keine Vermögenseinbußen zu erleiden. Daher müssten die Staaten mehr für den Schuldendienst ausgeben, ihnen wäre somit nicht geholfen.

Dieses Argument spreche aber nicht grundsätzlich gegen die Inflation als Waffe gegen steigende Schulden, so Homburg: "Der Staat verschuldet sich auch über Anleihen, die zehn Jahre, 20 Jahre oder 30 Jahre lang laufen. Deren Zinsen bleiben über die gesamte Laufzeit gleich, auch wenn die Inflationsrate zunimmt."

Jedoch funktioniere ein "Weginflationieren" der Schulden nur unter der Voraussetzung, dass es mittelfristig einen ausgeglichenen Staatshaushalt gibt, sagt Kapitalmarktexperte Carsten Mumm vom Bankhaus Donner & Reuschel. An drastischen Sparanstrengungen gehe kein Weg vorbei. Aber auch dagegen drohen Widerstände. Schließlich stiegen die Ausgaben vieler Industrieländer schon wegen der Bevölkerungsalterung, merken die Analysten der UBS an. Hinzu komme: "Die Aussicht auf sozialen Unfrieden macht Haushaltskürzungen schwierig."

Homburg schließt angesichts des neuen Hilfspaktes eine "Bewegung gegen eine solche Haftungsgemeinschaft" innerhalb der Euro-Zone nicht aus. Damit sei die Gefahr eines sogenannten "Haircut", also eines erzwungenen Teilverzichts der Gläubiger, nicht gebannt.

Die drastischste Form der Entschuldung wäre ein Währungsschnitt - und der emeritierte Professor Albrecht Schachtschneider, der zusammen mit vier Kollegen gegen die deutsche Griechenland-Hilfe klagt, erwartet ihn schon in absehbarer Zeit.

Spekulationen über einen Währungsschnitt sind "Fantastereien"

Für Stefan Homburg hingegen sind das bloße "Fantastereien". Für einzelne Länder innerhalb einer Währungsgemeinschaft sei ein solcher Schritt nicht möglich, für den Euro insgesamt kaum realistisch: "Wie sollte man denn das den Bürgern von Staaten mit relativ soliden Haushalten wie etwa Luxemburg beibringen?" Auch Carsten Mumm meint, die extreme Form des Schuldenabbaus sei "in einem komplexen Gebilde wie einer Währungsunion kaum denkbar."