Mehr Straftaten auch wegen der Konjunkturkrise

Hamburg. Als Folge der Konjunkturkrise wird die Wirtschaftskriminalität deutlich zunehmen. Das erwartet Steffen Salvenmoser, Partner bei der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) und Experte für Wirtschaftsstraftaten. "Die Zahl der Firmen, die uns um Mithilfe bei der Aufklärung oder der Vorsorge bitten, nimmt derzeit massiv zu", sagt der frühere Staatsanwalt im Gespräch mit dem Abendblatt.

Er sieht mehrere Gründe für einen Anstieg der Kriminalität. So habe sich die Zahl der Beschäftigten erhöht, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben und sich durch Abzweigen von Geld noch ein finanzielles Polster schaffen wollten. Gleichzeitig hätten die Gelegenheiten zugenommen, "denn wegen der Krise haben im vergangenen Jahr viele Firmen bei der Prävention und Überwachung gespart". Zudem seien die Geschäftsleitungen gegenüber der Versuchung, sich einen dringend benötigten Auftrag notfalls mittels Korruption zu sichern, anfälliger geworden.

64 Prozent der Großfirmen wurden Opfer von kriminellen Handlungen

Schon im vorigen Jahr hat die Wirtschaftskriminalität in Norddeutschland laut einer Befragung von Großunternehmen (mehr als 500 Beschäftigte) im Auftrag von PwC zugenommen: 64 Prozent der Firmen gaben an, Opfer solcher Straftaten geworden zu sein. Bei der vorherigen Befragung im Jahr 2007 waren es 55 Prozent. Maßgeblich für den Anstieg war die wachsende Zahl von Vermögensdelikten wie Betrug oder Diebstahl. Sie machen auch den größten Teil aller Straftaten aus, gefolgt von Produktpiraterie (Verstoß gegen Patent- und Markenrechte). In mehr als der Hälfte aller Fälle kommt der Täter aus dem eigenen Unternehmen.

Auffällig ist, dass die durchschnittliche Höhe des direkten Schadens in Norddeutschland mit rund 600 000 Euro weit unter dem bundesdeutschen Schnitt von 5,6 Millionen Euro lag, während die Großfirmen im Norden etwas häufiger von Kriminalität betroffen sind. Hinzu kommen allerdings Folgekosten von durchschnittlich 469 000 Euro etwa für Gerichtsverfahren und eigene Untersuchungen. Darüber hinaus berichten 18 Prozent der norddeutschen Unternehmen über gravierende indirekte Schäden - Reputationsverlust, sinkender Aktienkurs, Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen - als Folge von Wirtschaftskriminalität, zwei Jahre zuvor waren es erst elf Prozent.

Jede vierte Firma verlor Aufträge wegen Korruption eines Konkurrenten

Solche Folgeschäden sind vor allem nach der Aufdeckung von Korruptionsfällen zu erwarten. Der Anteil der dadurch geschädigten norddeutschen Unternehmen stieg leicht von elf auf 13 Prozent an. Allerdings dürfte die Dunkelziffer hoch sein. So gaben 26 Prozent (2007: 17 Prozent) der Unternehmen an, Geschäftsmöglichkeiten infolge von Korruption eines Wettbewerbers verloren zu haben. "Das spricht für den ehrbaren hanseatischen Kaufmann", sagt Salvenmoser. Spektakuläre Beispiele wie Siemens zeigten aber: "Auf lange Sicht rechnet sich Korruption auch nicht. Denn wenn man erwischt wird, dann wird es richtig teuer."

Offenbar setzt sich diese Erkenntnis bei den Firmenleitungen durch, denn der Anteil der norddeutschen Unternehmen, die ein internes Hinweisgebersystem eingeführt haben, ist seit 2007 von 20 auf 38 Prozent gestiegen. Es müssten aber noch weitergehende Konsequenzen gezogen werden, meint der Experte: "Wenn man von seinen Beschäftigten faire Geschäfte verlangt, muss man auch akzeptieren, dass es zu Umsatzeinbußen kommen kann."

Allerdings lässt Salvenmoser das Argument, zumindest in bestimmten Ländern gehe es nicht ohne Korruption, so pauschal nicht gelten: "Ich kenne Mittelständler, die Bestechungsgelder entweder nur noch in Ausnahmefällen zahlen oder überhaupt nicht mehr, aber dennoch kaum einen Auftrag verloren haben."